Herdecke. . Rekord-Einsatz: Zwei heimische Löschzüge, Verstärkung aus Wetter und Gevelsberg sowie der Kreisfeuerwehrzentrale EN und viele Experten waren in Herdecke, um ein schwer zu ermittelndes Gift so sicher wie möglich zu entsorgen. Weitere Ermittlungen laufen.

Auf Kritik aus Teilen der Bevölkerung („Was macht die Feuerwehr für einen Aufstand wegen einiger verseuchter Putzlappen?“) hatte Einsatzleiter Christian Arndt am Donnerstagmittag bei einer eigens einberufenen Pressekonferenz eine einfache Antwort: „Dieser ABC-Einsatz war einer der größten in den letzten 20 Jahren in Herdecke.“

Allein die Liste der Einsatzkräfte im Industriegebiet Loerfeld zeige, dass es sich laut Arndt um keine Bagatelle gehandelt habe: Zwei heimische Löschzüge, Verstärkung aus Wetter und Gevelsberg sowie der Kreisfeuerwehrzentrale EN, ein Fachberater Chemie, die Task Force aus Dortmund, Polizei, Ordnungsamt und THW waren vor Ort, um ein schwer zu ermittelndes Gift so sicher wie möglich zu entsorgen.

Der Reihe nach: Da - wie berichtet - ein Gefahrgut-Lkw nach einer Altöl-Entsorgung im Gahlenfeld einen starken Gestank („der gast aus“) hinter sich herzog, ging die Feuerwehr im Industriegebiet Loerfeld sehr vorsichtig vor, zumal von der Ladefläche des bei einer Entsorgungsfirma abgestellten Fahrzeugs massive Gerüche kamen. „Es roch stark nach Lösungsmittel und Chemie“, so Arndt. „Da wir eine Gefahr nicht ausschließen konnten, haben wir wegen der Ungewissheit großflächig abgesperrt, um den größtmöglichen Schutz für die Bevölkerung sicherzustellen, auch wenn nicht alle das verstanden haben.“

Dann die Ursachenforschung. Weder die Ladepapiere noch die Nummer des Gefahrgut-Transports (Arndt: „Es war nicht das drin, was ‘drauf stand“) brachten Klarheit über den Stoff. Der hinzugerufene Fachberater Chemie vom Kreis war froh, dass die Ladefläche nach oben verschlossen war und sich das Gas nicht gravierend ausbreiten konnte. In die Stoffrecherche wurde auch die Bezirksregierung eingebunden, da die Befragung des Fahrers und die Bemühungen der Entsorgungsfirma nur ergaben, dass die kontaminierten Putzlappen sowie Ölfilter und Fässer in dem Container von einer Firma aus Dortmund kamen.

Die größte Sorge: Darunter befindliche Flüssigkeit könnte in die Kanalisation und ins Grundwasser gelangen. Feine Messgeräte des Landesumweltamts ermittelten schließlich den Stoff Tetrahydrothiophen. Was höchste Vorsicht bedeutete, denn diese farblose und zunächst geruchlose Flüssigkeit (in Verbindung mit anderen Stoffen riecht sie und wird so zum Beispiel als Geruchsstoff in Erdgas eingesetzt) sei ähnlich gefährlich wie Acetylen, also hoch explosiv, sehr gesundheitsgefährdend und könne Reizungen der Augen, Atemwege und Haut bewirken. Schon eine kleine Menge von 0,001 ppm reiche, um es zu riechen. „Ein Messgerät, das bis 40 ppm Daten ermitteln kann, schlug am Container voll an“, berichtete Arndt, „50 ppm bedeuten eine Gefahr für die Bevölkerung, die aber nicht gegeben war.“

Dann begann der eigentliche ABC-Einsatz am Abend: Da die Fahrt mit dem Lkw zu einer Entsorgungsstelle als zu riskant betrachtet wurde, begann das Umladen. Als die gefährlichen Güter in sichere Behälter umgefüllt wurden, wurde die Kanalisation abgedichtet, da etwas Flüssigkeit beim Umladen aus dem Container entwich. Der Geruch war bis ins Gahlenfeld wahrzunehmen.

Nach der Aktion kamen alle Einsatzkräfte in eine aufgebaute Schleuse, um alles zu dekontaminieren. Die verseuchten Arbeitsmaterialien wie 25 Atemschutzgeräte und Schutzanzüge seien nicht mehr zu gebrauchen. Zudem „gingen die Feuerwehrleute an ihre körperlichen Grenzen“, sagte Arndt. Zwei Kollegen verletzten sich bei dem anspruchsvollen Einsatz, einer brach sich einen Finger. Zehn Anwohner konnten nicht in ihren Wohnungen schlafen und gingen zu Verwandten bzw. ins Hotel. „Die hatten Verständnis, da dies sicherheitshalber wegen der Unklarheiten erfolgte“, so Ilka Biegota vom Ordnungsamt.

Während nun eine beauftragte Spezialfirma die Stoffe entsorgt, prüfen Polizei und Fachleute, inwieweit der Herdecker Entsorger gegen Bestimmungen verstoßen hat.