Herdecke. .

Mit den Spitznamen ist das so eine Sache. Schon mal in Herdecke von „dem Engländer“ gehört? Gemeint ist Nathaniel Stott, Jahrgang 1968, aus Totnes (Grafschaft Devon), seit November 2012 Betreiber der Traditionsgaststätte Bleichsteinterrasse am Freibad. Was verschlägt einen Briten an die Ruhr, wie passen einige Studiengänge sowie die Zwischenstopps Holland und Stuttgart dazu?

Eigentlich ist Stott ein ruhiger, zugleich experimentierfreudiger Typ. In Sachen Humor, Biergenuss und dem leichten Akzent entspricht er englischen Klischees. Im Vergleich zu vielen seiner Landsleute dürfte er aber besser kochen, er bietet neben Fish and Chips auch frische Pasta und Salate an. Musikalisch hat der Sohn eines Konzertpianisten viel von seinem Vater geerbt, ehe eine Fingerverletzung seine Cello-Ambitionen stoppte.

Die Lage ist Fluch und Segen

Er studierte in der Musikstadt Liverpool Bio-Chemie, war zwischenzeitlich in Schottland, kam 1992 zum Medizin-Studium zur Uni Witten/Herdecke. 1993 lernte er seine Frau über ein Praktikum am Gemeinschaftskrankenhaus kennen, kurz darauf verschlug es ihn zum Theologie-Studium nach Stuttgart. Auch das brach er ab, ab 1995 lebte das Paar in Den Haag, wo die Kinder zur Welt kamen und er Internationales Management studierte. 2006 ging es nach Dortmund, vor der Gaststätten-Übernahme hatte er als Selbstständiger vor allem für Start-up- und Internet-Firmen gearbeitet. Ein linearer Lebenslauf sieht anders aus.

Sein Motto: „learning by doing:. Ich hatte für die Bleichsteinterrassen kein fertiges Konzept, wollte nur meine englischen Wurzeln einbringen.“ Gastronomie interessierte ihn früh, schon mit zehn Jahren habe er eine Dinner-Party gegeben, in Liverpool gab er Kochstunden. Dazu passt, dass er demnächst britische Bierverkostungen anbieten will, auch deutsche, amerikanische und belgische Varianten mit Themenabenden sollen folgen. Sein kulturelles Angebot über Spieleabende und Konzerte in verschiedenen Musikrichtungen will er ausbauen.

Seine größte Sorge, als er die Kombination aus Café, Kneipe und Restaurant von Jutta Freitag nach 27 Jahren übernahm: „Wie komme ich an Leute?“ Denn die abgeschiedene Lage sei Fluch und Segen zugleich. Im Sommer schauen neben Stammgästen Spaziergänger und Radfahrer vorbei, zudem läuft bei entsprechendem Wetter das Freibad-Geschäft. „An einem schönen Wochenende mit 800 Gästen habe ich 65 Kilo Pommes verkauft“, so Nathaniel Stott. Zudem könne er die Musik lange aufdrehen, wenn sich etwa Gesellschaften bei ihm einmieten. Doch im Winter kommen wenige. Nach seiner ersten Erfahrung hat der 44-Jährige eine Ahnung bekommen, warum ihm etwa die Hälfte seiner Vertrauten von der Pacht des städtischen Gebäudes abrieten.

„Ich fühle mich als Europäer“

„Es wird noch dauern, bis sich unser vielfältiges Angebot etabliert hat und von mehr Herdeckern angenommen wird.“ Also will er weiter kreativ an der Weiterentwicklung seiner Gastronomie arbeiten, hat etwa bei der Verwaltung um eine Glasfront für die Terrasse zur Ruhr hin angefragt, um diese Plätze auch im Winter nutzen zu können. „Ich bin noch in der Lernphase und taste mich weiter vor.“

Mit seinem Spitznamen komme „der Engländer“, dessen Mutter Amerikanerin (mit deutschen Wurzeln) und der Vater italienischer Abstammung ist, gut klar. Nathaniel Stott sagt über sich: „Ich fühle mich als Europäer.“