Wetter. .

Nach einem tiefen Blick ins Glas war ein 23-jähriger Wetteraner in der Silvesternacht leichte Beute gewesen. Eine Gruppe junger Männer hatte ihn am Bahnhof abgezockt. Stunden später hatte er einen der mutmaßlichen Täter gestellt, seinen Besitz zurückgefordert und schließlich zugeschlagen. Jetzt stand er wegen Körperverletzung vor dem hiesigen Amtsgericht.

Das neue Jahr hatte für den jungen Wetteraner denkbar schlecht angefangen. Am Bahnhof hatte er sich plötzlich umringt von einer Gruppe Männer gesehen, die sein Eigentum forderten. Da er sich der personellen Überlegenheit der Gruppe bewusst gewesen war, hatte er sich zunächst nicht gewehrt, als sie ihm sein iPhone und seine Geldbörse inklusive Bargeld, Kreditkarte und Pass abgenommen hatten. Doch der Vorfall hatte ihm keine Ruhe gelassen. Stunden später, auf Gerechtigkeit sinnend und noch mit rund 1,4 Promille Alkohol im Blut, hatte er ein Mitglied der Gruppe wiedergetroffen. Sofort hatte er auf Rückgabe des iPhones und der Börse gedrungen. Ohne Erfolg. Erbost hatte er daraufhin zugeschlagen - dummerweise mit einem „eingefahrenen“ Cutter-Messer in der Hand. Sein Kontrahent hatte sich bei dem Hieb eine kleine Macke am Kinn eingefangen. Der beklaute Rächer war daraufhin zur Polizei gegangen, hatte dort von dem Diebstahl und seiner eigenen Tat berichtet.

Nach einem ersten Anlauf, bei dem weder der Angeklagte noch sein „Opfer“ erschienen waren, wurde der Fall jetzt vor dem Amtsgericht in Wetter verhandelt. Der 23-Jährige legte die Karten sofort auf den Tisch und schilderte offen, was sich in der Silvesternacht zugetragen hatte. Nach der Abzocke sei er erst weggegangen. „Ich war so frustriert, dass ich zurückgegangen bin. Ich wollte meine Sachen wiederhaben, wurde aber nur belächelt.“ Den Mann, den er dann geschlagen habe, habe er als Mitglied der Gruppe erkannt. Bis heute habe er seine Sachen übrigens nicht zurückbekommen.

Verfahren eingestellt

Das vermeintliche Opfer, ein 30-jähriger Gevelsberger, beteuerte im Zeugenstand, an dem Diebstahl nicht beteiligt gewesen zu sein. Auch konnte oder wollte er nicht sagen, wer aus seiner Gruppe das iPhone und das Portemonnaie an sich genommen hatte. Wenigstens jedoch besaß er den Anstand, seinen Kratzer am Kinn als „nicht schlimm“ zu bezeichnen. Er, das versicherte er, habe gar keine Strafanzeige gegen den Wetteraner erstatten wollen.

Der frustrierte Rächer hatte letztlich Glück im Unglück: Mit Blick auf den Umstand, dass er gerade erst in Dortmund wegen einer anderen Körperverletzung zu 1 000 Euro Geldstrafe verurteilt worden war, wurde das hiesige Verfahren ohne Auflagen eingestellt. Richter Heinz-Dieter Beckmann verabschiedete den Wetteraner mit einem guten Rat: „Lassen Sie die Finger vom Alkohol.“