Herdecke. .
Nichts spornt mehr an als der Erfolg. Und sei er auf den ersten Blick auch noch so klein. Ein Finger, der sich wieder eine Spur weiter strecken lässt, kann ein riesiger Fortschritt sein auf dem Rückweg eines Schlaganfall-Patienten in ein normales Leben.
Im Ambulanticum wird auf die beflügelnde Wirkung auch der kleinsten Fortschritte gebaut, selbst wenn dazu teuerste Technik nötig ist. Zum Jahresbeginn hat die ambulante Reha-Einrichtung auf dem Herdecker Nacken den Betrieb aufgenommen. Zwei Mal hat Dr. Bernd Krahl selbst einen Schlaganfall erlitten. Im März vorigen Jahres hat er das ehemalige Signal-Iduna-Schulungszentrum gekauft. Vor wenigen Wochen begann der Probebetrieb. Jetzt liegen auch die letzten Genehmigungen vor.
Computer unterstütztdie Behandlung
Erste Patienten gibt es schon. Einer von ihnen ist Lothar Werner. 2008 hatte er einen Schlaganfall. Danach kam die Akutbehandlung in einer Hagener Klinik. Sechs Wochen waren das. Seitdem zahlt die Kasse sechs Mal im Quartal eine Physiotherapie und eine Logotherapie. „Mehr kam nicht“, sagt Ehefrau Ingrid. Für sie deutlich zu wenig. Auch wenn’s jetzt den eigenen Geldbeutel strapaziert: Lothar Werner „kommt gerne hier her“, weiß seine Frau. Die Verbesserung sei spürbar: „Er hat wieder Freude an Bewegung.“
Auch Willi Voss hatte einen Schlaganfall. Am 3. Juni 2008. Seine Frau Rosemarie weiß das auf den Tag genau. „Am Mittagstisch ist es passiert, zwei Tage vor dem Fuerteventura-Urlaub“. Für die Herdecker war das in einer anderen Zeit. Jetzt zählt der 72-Jährige zu den „Testern“ im Haus: Als Erster hat er ein Gerät für seinen vom Schlaganfall betroffenen Arm ausprobiert, das dabei hilft, längst verloren geglaubte Bewegungen wieder zu erlernen. Und das computergestützt den kleinsten Fortschritt auf einem großen Flachbildschirm anzeigt.
„Mein lieber Mann!“, schwärmt Frank-Norbert Bock von den unterschiedlichen Gerätschaften, die Beine, Arme oder auch die Finger zunehmend wieder den Patienten gehorchen lassen. In der Klinik, wo der 63-jährige Hagener nach seinem Schlaganfall vor anderthalb Jahren gelegen hat, gab’s zwar auch eine Reihe von Reha-Apparaten. Aber so viele und so moderne in einer ambulanten Einrichtung - „das ist ziemlich einmalig“, versichert Marion Schrimpf. Sie ist die Lebensgefährtin von Bernd Krahl und geschäftsführende Gesellschafterin im Ambulanticum.
Krankenkassen sollen mit ins Boot
In den Vordergrund stellt sie ihre Erfahrungen als Angehörige. Aus eigener Anschauung weiß sie, was den Patienten fehlt. Immer mehr wird es davon geben, ist sie überzeugt, weil immer mehr Menschen einen Schlaganfall überleben. Mit der guten Nachricht: „Ein Schlaganfallpatient kann wieder zurück geführt werden ins normale Leben.“
Die nötige Technik steht im Haus. Eine Handvoll Physiotherapeuten ist für den Anfang eingestellt. Der Internet-Auftritt ist frisch frei geschaltet. Das alles soll auch die Krankenkassen ins Boot holen. Wenn diese bei der Frühversorgung nach einem Schlaganfall alle Kosten übernehmen, „sollte das bei modernster Technik in der Nachbehandlung auch möglich sein“, sagt Marion Schrimpf. Vor ihren Augen entsteht ein Ambulanticum, das weit über eine Reha-Praxis hinaus geht. Eine Selbsthilfegruppe wünscht sie sich und einen Förderverein. Wenn der Betrieb erst richtig ins Laufen gekommen ist.