Ennepe-Ruhr. .

BIW ist Weltmeister – unter anderem im Verstecken. Mit den Produkten des Unternehmens mit Sitz im Ennepetaler Gewerbegebiet Oelkinghausen wird jeder Mensch in Deutschland, in Europa und auch auf dem Rest der Mutter Erde jeden Tag konfrontiert. Nur: Der Mensch merkt es nicht.

Morgens der Griff zum Elektrorasierer: Da ist BIW drin. Dann schnell einen Kaffee aus der Maschine. Wenn sie in Europa gefertigt wurde, ist auch dort ein BIW-Produkt hinter der schicken Verkleidung. Bald ist es morgens wieder dunkel. Also das Licht einschalten. Die Kabel in der Lampe werden von BIW geschützt. Die Zentralheizung sorgt dafür, dass die Temperaturen in der Wohnung in aller Frühe angenehm sind – mit Dichtungen von BIW. Dann ab ins Auto. Nichts von BIW zu sehen? Ein Blick unter die Motorhaube, unter anderem auf die Kabelstränge, würde das Gegenteil beweisen. Ab zum Flughafen. Glück gehabt – der neue Super-Airbus wartet auf der Rollbahn. Damit will jeder einmal fliegen. Dass der Riesenvogel überhaupt abheben kann, verdankt er BIW. Die Ennepetaler haben dafür gesorgt, dass die Isolierungen im A 380 nur die Hälfte von denjenigen herkömmlicher Flugzeuge wiegen.

Ralf Stoffels, Geschäftsführer und Eigentümer von BIW, könnte noch unzählige solcher Beispiele nennen. Der Grundstoff seines Unternehmens ist das Silikon. Die Ennepetaler können zwar Computerherstellern im Silikon-Valley nicht zu schnelleren Halbleitern und der Damenwelt im Scheinwerferlicht nicht zu größeren Oberweiten verhelfen, aber sonst haben sie sich das Ziel gesetzt, mit dem Material fast alle Probleme zu lösen. BIW stellt überwiegend Schläuche und Dichtungen her.

Der Name, der sich hinter den drei Buchstaben verbirgt, trägt noch zu dem Versteckspiel bei. „B“ steht zum Beispiel für „Bochumer“. Stoffels erklärt: „BIW hatte früher seinen Sitz in Bochum. Dann wurde das Unternehmen von einem amerikanischen Konzern gekauft und dicht gemacht. Mein Vater Werner, der dort gearbeitet hat, machte sich mit drei Mitarbeitern selbstständig und fing in Schwelm von vorne an. Den eingeführten Namen haben sie behalten.“ Der Buchstabe „I“ steht für Isolierstoffe. Auch hier wird wieder eine falsche Fährte gelegt. Stoffels schmunzelt: „Wir haben schon einmal eine Ausschreibung für die Dachisolierung einer Schwelmer Schule bekommen.“ Auch hier konnte er nicht helfen. Das „W“ stimmt dagegen. Der Buchstabe steht für „Werke“ und betont die Mehrzahl. Stoffels würde zwar nie daran denken, mit dem Unternehmen seine Heimat zu verlassen, aber: „Wir haben schon alle Hallen unserer Nachbarn in der Umgebung im Gewerbegebiet Oelkinghausen aufgekauft.“ Der Grund: BIW wächst und wächst und wächst... „Es ist ein eingespielter Rhythmus, jede zwei Jahre wird ausgebaut“, sagt der Firmenchef.

Und zuerst werden die Zäune eingerissen. Ein Werkstor gibt es bei dem Silikon-Weltmeister nicht. Stoffels: „Das ist unser Prinzip. Wir wollen offen sein, auch wenn so mancher internationale Kunde nach einem Sicherheitskonzept fragt. Denen sage ich dann: Bei uns ist immer jemand da. Nur Weihnachten steht der Betrieb still.“

Im Augenblick läuft er auf Hochtouren. Ralf Stoffels geht durch die Werkshallen. Die Gänge dazwischen sind durch die Zukäufe zum Labyrinth geworden. Der Chef scheint seine Arbeitnehmer alle persönlich zu kennen – und ihre Geschichten. Die Frau an der Spritzgussanlage, die aus Osteuropa kommt, dort Kinderärztin war und jetzt als Hilfsarbeiterin bei ihm beschäftigt ist, weil ihre Ausbildung nicht anerkannt wird. Er kennt den Mann mit dem Hubwagen: „Er ist in seine Heimat Marokko gereist und durfte nicht mehr zurückkehren. Er hat hier Frau und fünf Kinder. Wir haben geholfen, dass sie wieder zusammen sind.“

300 Mitarbeiter aus 23 Nationen arbeiten bei BIW. Mit ihnen und seinen 5000 Kunden aus aller Welt will Stoffels im nächsten Frühjahr gemeinsam das 40-jährige Bestehen des Unternehmens feiern. Seine Auftraggeber, so sagt er, sollen sehen, wer es möglich macht, dass das Ennepetaler Unternehmen in spätestens vier Wochen jedes seiner 140 000 Artikel in beliebiger Menge liefern kann.

Und täglich kommen neue hinzu. Zum Beispiel wenn Airbus in Ennepetal an die Tür klopft. Stoffels erinnert sich an das Problem, dass sein Unternehmen zu lösen hatte: „Der neue A 380 hat zwei Etagen mit Passagieren und muss deshalb gut isoliert sein, damit bei den Gästen unten die Haare nicht nass werden, wenn oben ein Reisender seine Cola verschüttet. Hätte Airbus das Flugzeug mit herkömmlichen Materialien gebaut, hätte es nie abheben können. Jedes eingesparte Gramm ist wichtig. Wir haben ein aufgeschäumtes Material entwickelt.“ Ein wenig spitzbübisch fügt er hinzu: „Wir liefern Airbus quasi 50 Prozent Luft.“ Und davon 4000 bis 5000 Meter für jedes neue Flugzeug.

Solche Lösungen für die Kunden zu finden, das sei das Erfolgsrezept von BIW und damit sei das Unternehmen zum Führer auf dem Weltmarkt geworden. Und wann hat der Chef das gemerkt? „Als uns die Kunden mit in die Welt genommen haben.“ Es sei schon ein besonderes Erlebnis gewesen, als der erste chinesische Autohersteller Produkte orderte und das damit begründet: „Uns haben sie gesagt, die gibt es nirgendwo besser als in Ennepetal.“