Herdecke. Elterntaxis sind ein Problem, insbesondere an der Schrabergschule. Appell an die Vernunft erreicht nicht genügend Mütter und Väter
Das Kind mit dem Auto bis vor die Schule bringen: Für viele Eltern ist das selbstverständlich, an Schulen häufen sich vor Unterrichtsbeginn und -schluss die Pkw und damit auch gefährliche Situationen. Das Land NRW sagt den sogenannten Elterntaxis jetzt den Kampf an: Ab sofort können Straßen rund um Schulen zeitweise für den Autoverkehr gesperrt werden. Ein Vorstoß, der Sabine Jessinghaus freut. Die Schulleiterin der Schrabergschule in Herdecke ist frustriert: Elterntaxis seien „ein ständiges Thema an allen Schulen und bei uns besonders.“ Der Grund: Das Schulgebäude liegt in einer Sackgasse. Zu den Stoßzeiten gebe es oft „keinen Durchgang“, so die Herdeckerin, die auch von Beulen an Autos und Beschimpfungen berichten kann.
Im Winter Fahrgemeinschaft, im Sommer Bus
Mittwochmorgen 7.30 Uhr. Noch ist es ruhig in der Neuen Straße, die zur Schrabergschule führt. In den Parkbuchten auf der linken Seite stehen ein paar Autos, die ein oder andere Lehrkraft fährt vor. Ab und an kommt mal ein Pkw, bleibt auf einer Garageneinfahrt gegenüber der Einmündung zur Schule stehen. Auch Christine Cremer parkt ihren Wagen auf der Stellfläche. Die Herdeckerin kennt die Eigentümerin des Hauses. „Wir haben das Glück, dass wir hier immer kurz halten können“, sagt Christine Cremer und meint mit „wir“ diejenigen, mit denen sie eine Fahrgemeinschaft bildet, um die Kinder in den eher dunklen Wintermonaten nahe der Schule abzusetzen. Im Sommer fahre ihre Tochter mit dem Bus, fügt sie hinzu, während die Mädchen aus dem Auto klettern. Sie bringt die Kinder jeden Morgen sehr früh, noch vor den Stoßzeiten. „Die Situation hier ist schon echt kriminell“, weiß sie. „Ganz besonders um kurz vor acht. Da ist der Andrang besonders groß.“
Kurz vor Unterrichtsbeginn wird es eng
Das zeigt sich wenige Minuten später. Aus den Straßen oberhalb und unterhalb der Schule kommen mehrere Pkw, einige halten am Straßenrand, andere wenden auf der Straße, vereinzelt biegen Autos auch in den Straßenabschnitt zur Schule ein. „Viele kommen kurz vor knapp“, weiß Phillp Mang, der ganz in der Nähe wohnt. Kurz zuvor hat er seinen Kindern noch ein „Los, los, werdet groß“ zugerufen und sie die letzten Meter zur Schule zu Fuß geschickt. Auf dem Weg gehen sie am Haus von Horst Hoffmann vorbei. Der Anwohner bekommt die Elterntaxi-Situation hautnah mit. „Manchmal stehen die Autos die Straße runter bis zur Turnhalle“, erzählt er. Mit zwei Reifen auf dem schmalen Bürgersteig. „Und die Kinder laufen dann zwischen den Autos her oder müssen über die Straße gehen“, so der Pfarrer im Ruhestand. „Die größte Gefahr für die Kinder sind die eigenen Eltern.“ Wie knapp der Platz zum Rangieren ist, wird deutlich, als ein großer SUV vorwärts aus der Parkbucht fährt und beim Abbiegen den Bürgersteig „mitnimmt“.
Beschimpfungen und Beulen
Sabine Jessinghaus kennt das. Sie kennt auch die Diskussionen mit Eltern, die auf ihre Rückfahrkamera als Sicherheitsaspekt verweisen. Sie kennt Beschimpfungen und weiß von Beulen in Autos. Seit 24 Jahren begleitet sie das Thema. Seitdem ist sie Schulleiterin, seitdem habe sie „alles versucht“. Es gebe regelmäßige Aktionen mit dem Ordnungsamt und Elternbriefe zum Thema. Auch zwei sogenannte Elternhaltestellen unweit der Schule wurden eingerichtet. „Natürlich gibt es Eltern, die man erreicht“, weiß sie. „Aber viele Eltern, die ihre Kinder alleine oder zu zweit schicken würden, trauen sich nicht, weil die Kinder teilweise auch auf dem Bürgersteig nicht sicher gehen können.“ Die Schulleiterin schweigt kurz. „Es ist ein Wunder, dass noch nicht mehr passiert ist.“
Stadt verweist auf Haltezonen
Für die Stadt Herdecke gibt es an den Schulen der Stadt „kein übermäßiges Problem“, heißt es auf Anfrage. „Straßensperrungen wie Straßenpoller oder Schranken kommen für uns nicht in Betracht“, sagt Pressesprecherin Lena Siegel und verweist auf die „Haltezone, an der Eltern ihre Kinder ausladen können.“ Sabine Jessinghaus weiß auch, dass Straßensperren wie Schranken und Pöller keine einfache und vor allem keine günstige Lösung bieten würden. „Das ist schwierig“, sagt sie und verweist unter anderem auf die Anliegerstraße, auf den Betrieb in der Turnhalle an Nachmittagen und auf knappe Kassen. „Die Anwohner müssen ja dort parken können, die Lehrer brauchen die Zufahrt“, beurteilt ein Vater die Möglichkeit der Straßensperre. Er hat seinen Sohn gerade zu Fuß zur Schule gebracht. Das Auto steht eine Straße höher. „Wie gewünscht“, sagt er und lächelt. Dann wird er wieder ernst. Eigentlich helfe nur eines: „Man muss an die Vernunft appellieren.“