Herdecke. Eine große Mehrheit der Politik hat dem Rat die Schließung der Stadtbücherei empfohlen. Nun werden auf einmal Unterschriften dagegen gesammelt.

Die städtische Bücherei in Herdecke soll nächstes Jahr geschlossen werden. Angebote zum Lesen und zur Leseförderung soll es weiter geben. Diesem Spagat hat der Kulturausschuss mit großer Mehrheit zugestimmt. Entscheiden wird der Rat. Aber es regt sich Widerstand: Seit Montagmorgen sammelt eine Herdeckerin Unterschriften für den Erhalt der Bücherei.

Harald Müller, der Vorsitzende des Kulturausschusses, ist der Mutter von zwei kleinen Kindern zufällig bei Thalia über den Weg gelaufen. Er hat mit ihr diskutiert. Unterschrieben hat er nicht. Er spricht von einer „ganz schweren Entscheidung“ und meint damit den Beschluss zur Schließung. Aber eine Bücherei gehört zu den wenigen freiwilligen Leistungen, an denen man schrauben kann, wenn das Geld knapp ist. Und Herdeckes Politiker sind aufgerufen zum Sparen. Trotz der betriebenen Schließung geschehe das bei der Bücherei mit Augenmaß. Müller ist überzeugt: „Auch künftig wird es ein umfangreiches Angebot geben, mit dem Kinder in Herdecke ans Lesen heran geführt werden.“

Die Verwaltung hat die Zahlen noch einmal für die Politiker aufgeschrieben: 178 erwachsene Leser sind für das laufende Jahr verzeichnet, dazu 103 Kinder und Jugendliche. 2022 waren es noch weniger, 2021 etwas mehr. Der Zuschussbedarf: immer über 70.000 Euro in den letzten Jahren. Dieses Jahr kommt der Bedarf 100.000 Euro gefährlich nahe. Weil das alles nicht überraschend ist, hat die Verwaltung einen Politik-Auftrag abgearbeitet. Sie sollte schauen, ob das mit dem Leseangebot nicht auch kostengünstiger geht – und niederschwelliger dazu. Das Ergebnis wird gerade beraten.

Angebots-Abbau in Raten

Eine Zusammenarbeit mit Nachbarstädten mache keinen Sinn. Dann habe die Stadt anteilige Kosten etwa für einen Diplom-Bibliothekar zu begleichen, aber davon noch kein Angebot vor Ort. Die Ausleihe von eBooks wurde mittlerweile gekündigt, ab Anfang 2024 werden beim Personal zehn Arbeitsstunden in der Woche eingespart. Die Öffnungszeiten werden noch einmal verkürzt. Beim Kauf neuer Bücher wurde ebenfalls Zurückhaltung geübt. Außerdem wurden die Zeitschriften-Abos gekündigt. Was aber schwebt dem zuständigen Amt vor, wenn gar nichts mehr übrig ist vom jetzigen Bücherei-Standort?

Die Antwort fällt je nach Altersgruppe unterschiedlich aus. Für die Jüngsten gilt: Der aktuelle Bilderbuchbestand und die angeschafften Tonie-Figuren werden den Kindertagesstätten angeboten. Sie haben in der Regel kleine Bücherecken, und auch die Bücherei der Evangelischen Kirchengemeinde in der Fußgängerzone hat Kinder bis zu sechs Jahren im Blick.

Bücherschränke draußen rufen Vandalismus hervor

Auch für Kinder zwischen 6 und 10 Jahren wird die kirchliche Bücherei angeführt, zudem verfügen alle Herdecker Grundschulen über eine Schulbücherei. Die Altersklasse der 10- bis 19-Jährigen habe in den letzten Jahren so gut wie keine Rolle gespielt, heißt es in der Verwaltungsvorlage zur Stadtbücherei. Über das Medien- und Arbeitszentrum M@Z seien Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums aber bestens versorgt. Eine Kooperation mit der Realschule ist im Gespräch.

Bleiben die Erwachsenen: Hier werden Überlegungen in Richtung von öffentlichen Bücherschränken angestrebt. Im Eingangsbereich des Rathauses seien damit gute Erfahrungen gemacht worden. Nun sei vorstellbar, dass öffentliche Bücherschränke auch in Cafés, Restaurants oder Senioreneinrichtungen zum Zugreifen einladen. Stünden die Schränke draußen, sei Vandalismus zu fürchten. Geeigneter seien wohl Innenräume und damit soziale Kontrolle.

Eine andere Schwäche öffentlicher Bücherschränke sieht die Herdeckerin, die nun bis zur entscheidenden Ratssitzung Unterschriften sammeln will: Von Bücherschränken kann man sich nicht beraten lassen.