Herdecke. Die Johanniter Herdecke haben neue Standortleiter. Im Interview berichten die nun von schweren Einsätzen und einem optimistischen Zukunftsblick.

Gilda König und André Paudtke sind Johanniter durch und durch. Kein Wunder also, dass sie nun auch offiziell die Standortleitung des Herdecker Ortsverbands übernommen haben. Im Interview sprechen die Beiden über Einsätze, Sichtbarkeit, das Ehrenamt und die Herausforderungen der Zukunft.

Beim Neujahrsempfang der Johanniter hat Ihnen der ehemalige Ortsbeauftragte Jörg Bombien den Staffelstab überreicht. Sie beide sind seitdem offiziell die neuen Standortleiter. Wie kam es dazu?

Gilda König: Jörg hat schon lange nach einem Nachfolger gesucht, da die erforderliche Nähe zu den Mitgliedern nicht mehr so gegeben war, wie es eigentlich wünschenswert ist. Eigentlich haben André und ich das Amt schon seit einem Jahr kommissarisch geführt, nun ist es auch offiziell.

Was tun die Johanniter in Herdecke?

André Paudtke: Was hier in Herdecke am meisten auffällt ist natürlich, dass wir an fünf Tagen in der Woche einen Krankenwagen besetzen. Ehrenamtlich besetzen die Johanniter jedes Wochenende den Rettungswagen in Herdecke. Wir stehen aber damit nicht so im Vordergrund. Während beispielsweise die Feuerwehr mit ihren Einsätzen sichtbarer ist, können wir unsere Arbeit nach außen nicht so kommunizieren. Zudem wird es nach der Novellierung des Rettungsdienstes auch immer schwieriger, diese Dienste mit Ehrenamtlichen zu besetzen, weil die Anforderungen immer größer werden. Notfallsanitäter ist inzwischen eine anerkannte Berufsausbildung, die drei Jahre in Vollzeit dauert. Deshalb wird es halt immer schwieriger, dort Ehrenamtliche einzusetzen.

Gilda König: Aber wir hier in Herdecke machen die Sanitätsdienste, beispielsweise beim City- oder Nikolauslauf oder auch wie letztes Jahr gemeinsam mit dem Roten Kreuz bei der Maiwoche. Ein weiteres Feld ist natürlich auch der Katastrophenschutz in Herdecke, im EN-Kreis und darüber hinaus. Beispielsweise beim Hochwasser. Da waren wir auch in Hagen-Dahl und im Kreis Euskirchen unterwegs. Da hat man wieder gemerkt, dass der Zusammenhalt immer weiter wächst, von Einsatz zu Einsatz. Hilfsgütertransporte für die Ukraine haben wir auch übernommen – und natürlich Aus- und Fortbildungen.

Sie haben das Thema Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit angesprochen. Wie schwer ist es eigentlich, neue Mitglieder zu generieren?

Gilda König: Wir haben festgestellt, dass es nicht nur darum geht, neue Mitglieder zu gewinnen, sondern insbesondere auch die bereits vorhandenen Mitglieder an uns zu binden. Sie zu betreuen, sie vollumfänglich aufzuklären, sie in die Gruppe zu integrieren und somit langfristig zu halten.

Das stelle ich mir während Corona nicht so einfach vor...

André Paudtke: Wir haben versucht, relativ viel online zu machen, aber auch da sind natürlich Grenzen gesetzt. Es war viel Theorie und wenig Übung. Auch die soziale Komponente, beispielsweise nach einem Übungsabend gemeinsam eine Pizza zu essen, fällt online natürlich weg. Da das Zwischenmenschliche abzudecken, das geht halt gar nicht. Das hat einfach gelitten und gefehlt. Das haben wir bei unserem Neujahrsempfang beispielsweise gemerkt. Da war ein riesengroßes Aufatmen, endlich mal wieder Menschen zu sehen.

Welchen Einfluss haben die Vorfälle beispielsweise in der Silvesternacht, wenn Rettungskräfte angegangen und bedroht werden? Haben Sie das schon mal erlebt?

André Paudtke: Da kann ich erstmal auf Holz klopfen. Im vergangenen Jahr gab es zwei Übergriffe hier in Herdecke, aber da haben wir noch relativ viel Glück. Wenn wir jetzt nach Hagen gehen, wie beispielsweise in der Silvesternacht, in der auch wir einen Wagen gestellt haben, sieht es schon ganz anders aus. Unser Wagen ist tatsächlich beschossen worden. Das sind für unsere Verhältnisse Kriegszustände gewesen. Die werden mit Raketen beschossen, da fliegen Steine auf das Auto. Da ist es hier in Herdecke noch vergleichsweise ruhig. Doch auch hier wurde im vergangenen Jahr ein Kollege mit einem EKG-Kabel stranguliert, in einem anderen Fall war ein Vater nicht damit einverstanden, wie sein Kind behandelt wurde. Und der stand dann mit einem Pflasterstein vor dem Auto. Ich bin jetzt seit 25 Jahren im Rettungsdienst. Das gab es früher nicht. Das, was aktuell so passiert, ist sehr erschreckend.

Gilda König: Wir sensibilisieren unsere Leute dafür und bereiten sie auch vor. Wir haben beispielsweise mit der Feuerwehr einen gemeinsamen Selbstverteidigungskurs gemacht.

Spielt das bei Interessenten auch eine Rolle?

Gilda König: Nein, eigentlich nicht. Die Menschen kommen aus unterschiedlichen Gründen zu uns. Die einen interessieren sich für Medizin, die anderen für die Technik oder den sozialen Bereich mit der Bereitschaft, etwas Gutes zu tun.

Worin liegen Ihrer Meinung nach die Herausforderungen der kommenden fünf Jahre?

Gilda König: In der Mitgliedergewinnung und natürlich auch darin, die neuen Anforderungen an das Ehrenamt umzusetzen.

Die wären...?

Gilda König: Früher brauchten die Ehrenamtlichen ein Zuhause-Gefühl, einen Ort, heute sind Flexibilität und erfüllte Erwartungen viel wichtiger für die Mitglieder. Retten muss einfach cool sein.