Herdecke/Wetter. Deutschkurse und Behördengänge: Das treibt Peter Postberg aus Herdecke auch nach vielen Jahren noch zur Arbeit für Geflüchtete

Als eines von sieben Kindern ist er in Bottrop groß geworden. Hier verortet Peter Postberg, dass ihm das Engagement für andere immer eine Selbstverständlichkeit war. Seine Pensionierung als Lehrer für Biologie und katholische Religion am Geschwister-Scholl-Gymnasium liegt schon lange zurück. Sein Einsatz für Menschen auf der Flucht hält an – trotz all des Frusts, den man wegstecken muss. Warum ist er trotzdem weiter gern dabei?

Wie sind Sie zur Flüchtlingsbetreuung gekommen?

Peter Postberg: 2015 gab es ein großes Treffen, zu dem die Stadt Wetter eingeladen hatte. 80 oder 90 Personen waren da. Hier wurde die Idee entwickelt, Flüchtlingspaten zu suchen, die von der Stadt betreut werden. Unter den Besuchern der Veranstaltung waren auch viele Migranten muslimischen Glaubens. Enttäuschend war für mich, dass die nachher unter den Paten nicht mehr aufgetaucht sind. 30 Paten waren es am Anfang.

Haben die Paten so etwas wie ein Netzwerk gebildet?

Ja. Das Netzwerk gibt es immer noch. Wir treffen uns einmal im Monat – um den Frust los zu werden, aber auch um Hilfe zu bekommen. Die Stadt Wetter hat das durchgängig begleitet. Im Moment sind wir noch acht oder zehn Paten bei den Treffen. Wir bräuchten an sich aber wieder mehr, weil die Situation derzeit kritisch ist. Wetter allein hat 430 Flüchtlinge zu betreuen, und es werden noch Plätze vorgehalten für weitere 70 Flüchtlinge.

Haben die Schutzsuchenden aus der Ukraine den gleichen Betreuungsbedarf wie die Menschen aus Syrien oder Afghanistan?

Die Menschen aus der Ukraine werden zunächst einmal ganz anders behandelt. Sie können sich frei bewegen, was in der Betreuung zu dem Problem führt, dass sie plötzlich auch wieder weg und zurück in der Heimat sein können. Ich helfe nicht nur bei der direkten Unterstützung von Familien, sondern mache auch Hausaufgabenbetreuung bei „Wetteraner helfen“. Es fällt auf, dass dahin keine Geflüchteten aus der Ukraine kommen. In den Quartieren gibt es Probleme wie vor sieben Jahren, beispielsweise, dass einfach nicht genügend Zugänge zu kostenlosem Internet da sind. Die Geflüchteten kommen alle mit Handy, aber ohne ausreichend Geld fürs enge Kontakthalten mit der Heimat. Gerade in den Gemeinschaftsunterkünften sind dann zu viele auf einmal im Netz.

Seit wann haben Sie einzelne Flüchtlinge verstärkt unter ihre Fittiche genommen?

Das war von Anfang an so. In Wohngemeinschaften in der Nähe des Gymnasiums habe ich mich zunächst um fünf Leute besonders gekümmert. Viele von denen sind sehr selbstständig geworden. Sie studieren, sind in andere Städte gezogen. Von diesem Stamm betreue ich aktuell nur noch zwei. Dass ich bei einer Familie weiter am Ball bleibe, liegt an deren ungerechten Behandlung.

Wie sieht diese aus?

Der Mann muss monatlich für seine Frau extra 210 Euro Krankenkassenbeitrag bezahlen. Das liegt daran, dass ihre Heirat nach islamischem Recht zwar gelten mag, nicht aber nach deutschem. Weil ihr Zusammenleben von den Behörden dennoch als Bedarfsgemeinschaft gewertet wird, muss er den Krankenkassenbeitrag für sie entrichten. Im Falle einer Eheschließung nach deutschem Recht wäre das aber nicht nötig. Mir fällt es schwer zu verstehen, dass jemand, der seit 2015 in Deutschland lebt, nun unter Druck gesetzt wird, in dem Land, aus dem er geflohen ist, neue Dokumente beizubringen, damit er heiraten kann - von den Kosten, zu Dritt mit Kind nach Berlin zur syrischen Botschaft zu fahren, ganz zu schweigen. Und: Angst schwingt mit. Der Mann ist vor dem Militär- und Milizdienst nach Deutschland geflohen und fürchtet Repressalien, wenn er Botschaftsboden betritt.

Was ist noch ungerecht?

Ich verstehe die Behörden nicht. Durch die neue Flüchtlingswelle ist es noch schwieriger geworden, zu den Behörden Kontakt aufzunehmen. Beispiel: Am 16. Dezember letzten Jahres ist ein Brief an die Ausländerbehörde gegangen für eine Reisegenehmigung innerhalb von Europa. Bis heute ist keine Antwort eingegangen. Telefonisch lässt sich nichts erreichen, auf Emails kommen Antworten erst nach Monaten. Für mich zeigt das die Überlastung.

Was lässt Sie trotzdem durchhalten?

Schön ist natürlich, wenn man aushilft beim Deutschunterricht für die Geflüchteten und ihre Freundlichkeit und die Dankbarkeit erfährt. Da kommt etwas rüber. Und es macht Spaß zu sehen, wie die Kinder Erfolge haben. Ich habe fast nur Vorzeigeflüchtlinge gehabt, die jetzt studieren, sich hier wohl fühlen und auch selbstständig sind. Einer von ihnen bemüht sich gerade um die deutsche Staatsbürgerschaft.

Wie nahe kommt man den Betreuten - und wie nahe vielleicht auch nicht?

Nicht zu nahe. Es bleibt eine gewisse Distanz, selbst wenn wir sicherlich ein gutes Verhältnis haben. Aber es gibt schon mal Reibereien. Das Kind einer Familie ist jetzt drei Jahre alt und geht trotz Platzangebot nicht zur Kita, und es spricht nur wenige Worte Deutsch. So etwas stört mich dann schon.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge?

Es gibt ja die Befürchtung, dass es zu einer neuerlichen Flüchtlingswelle kommt, wenn der Winter in der Ukraine hart wird und die Städte in Deutschland dann bei der Aufnahme überfordert sein könnten. Das war auch Thema beim letzten Treffen der Flüchtlingspaten in Wetter. Einer der Paten hat die Frage aufgeworfen, wie die Stadt sich verhält und was mit den vielen freien Wohnungen ist, von denen er weiß, dass sie seit Jahren nicht vermietet sind. Wir wollen aber auch nach weiteren Paten suchen, damit die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt wird. Der Anfang der Ansprache soll bei den Kirchengemeinden gemacht werden.

Zur Person

Peter Postberg wurde 1944 in Bottrop in eine Großfamilie geboren.

Nach dem Abitur auf einem Jungengymnasium studierte er Biologie.


Später wurde er zunächst angestellter Lehrer an einem Reformgymnasium. Später war er dann beamteter Lehrer für die Fächer Biologie und katholische Religion am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Wetter.


Von Wetter ist er 2018 nach Herdecke gezogen.

Er war Mitbegründer der AIDS- Hilfe EN e.V. und ist in der Flüchtlingsbetreuung aktiv.


Peter Postberg ist verheiratet, hat zwei Kinder und vier Enkel.

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