Herdecke. Wenn ausgebüxte Rinder zurück gelotst werden oder ganze Herden umgeweidet werden müssen, haben die Rinderhirten ihren Einsatz.

Er ist der Mann, dem die Landwirte vertrauen. Frank Kemper ist keineswegs Tierarzt, sondern ehrenamtlicher Rinderreiter. Er hilft, wenn die massigen Tiere umgeweidet, in den Stall oder zurückgebracht werden sollen. Auch ausgebüxte Rinder, wie im vergangenen Jahr nach der Flut, werden von ihm und seinen Mitstreitern wieder nach Hause gelotst. Was sich zunächst einfach anhört, ist harte Arbeit und erfordert eine gute Ausbildung.

Über Hunde zum Arbeitsreiten

Frank Kemper ist über Umwege zum Rinderhirten geworden - er würde es wohl eher eine logische Folge nennen. „Wir hatten früher Schlittenhunde. Als die uns verlassen haben, wollte meine Frau einen Border Collie“, erinnert er sich an die Anfänge. So ein Hund muss beschäftigt werden. Insbesondere diese Rasse ist für die Arbeit mit Tieren gemacht. „Also kamen dann auch Schafe hinzu“, erklärt Kemper wie selbstverständlich. Schafe und Rinder agieren als Herdentiere ähnlich. Und so zeigt Kemper auf der angrenzenden Weide, gemeinsam mit seinem Hund Bajou, dem jüngsten Vierbeiner in der Gruppe und zur Zeit noch in Ausbildung, das Prinzip des Rinder-, beziehungsweise Arbeitsreitens.

Wissen ist wichtig

„Bajou geht von hinten an die Schafe, die in der Gruppe stehen, heran und läuft sie langsam von hinten an. Genauso machen wir das mit unseren Pferden bei den Rindern“, erläutert Kemper. Die Herdentiere, egal ob Schaf oder Rind, setzen sich dann gemeinsam in Bewegung. Das ist jedoch kein Zufall, wie Kemper weiß. „Jede Herde hat eine Leitkuh – und das ist nicht der Bulle.

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Geht die Leitkuh voraus, folgen die anderen“, so der Rinderhirte. Um die Charaktereigenschaften der Tiere ausmachen zu können, müssen sich die Rinderhirten natürlich auch mit den Herden auskennen. Sie müssen wissen, wie die Ordnung funktioniert und die für sie wichtigsten Tiere, wie in diesem Fall die Leitkuh, ausfindig machen. Darum heißt es bei einem Einsatz: erstmal ankommen, stehenbleiben und beobachten. Oder wie es im Fachjargon heißt: die Herde lesen.

Tiere stressfrei ins Ziel bringen

Anschließend geht es an den praktischen und sichtbaren Teil der Arbeit. „Wir reiten hinter die Herde und drücken, damit sich die Tiere in eine Richtung bewegen“, erklärt Kemper. Um zu verhindern, dass Rinder ausbüxen, wird eine V-Formation eingenommen, sobald alle in Gang gekommen sind. Aber wichtig dabei ist, dass die Tiere nicht das Gefühl haben, bedrängt zu werden. Dann würde es „ungemütlich“ werden. Deshalb seien Rinderhirten stets darauf bedacht, die Tiere stressfrei ins Ziel zu bringen. Um das zu gewährleisten, gehen alle ehrenamtlichen Rinderhirten, die sich inzwischen zu einem Verein und einer Unternehmergesellschaft (UG) zusammengeschlossen haben, in eine Ausbildung.

Theorie und Praxis

„Der Einsteigerkurs geht erstmal über zwei Tage und besteht aus Theorie und ein bisschen Praxis. Erst am zweiten Tag sitzt man überhaupt im Sattel“, so der 57-Jährige. Dabei lernen die Teilnehmer viel über die Wiederkäuer. „Wir haben uns beispielsweise mit der Frage beschäftigt, wie sieht eigentlich so eine Kuh“, erinnert sich der Her­decker. Das sei wichtig, denn die Wahrnehmung der Tiere kann auch das Verhalten beeinflussen und so Reaktionen hervorrufen, die die Rinderhirten entweder für sich nutzen oder auch verhindern können. Wer einen solchen Kurs absolviert hat, wird aber noch lange nicht direkt auf die Rinder losgelassen, denn auch bei Rindviechern gibt es große Unterschiede - auch in den Gewichtsklassen.

Von der Milchkuh zum Heckrind

„Man beginnt mit Milchkühen, geht dann über Fleischkühe bis hin zur Königsklasse, den Heckrindern“, sagt Kemper. Letztere haben enorme Hörner und können schon mal 700 Kilogramm wiegen. Da sollte jeder Rinderhirte genau wissen, worauf er sich einlässt. Und dann wäre da auch noch die Schutzkleidung. Die ist zwar keine Vorschrift, aber durchaus praktisch, wie Kemper berichtet. „Bei Heckrindern trage ich auch schon mal Chaps“, gibt er zu. Dieser lederne Beinüberzug schützt sowohl die Kleidung als auch den Körper. „Das hat aber nichts mit den Cowboys aus den Western zu tun“, sagt Kemper. Für ihn und seine Mitstreiter bei den Rinderhirten gehöre das mit zur Arbeitsbekleidung.

Landwirte als Auftraggeber

Doch wie kommt der Herdecker eigentlich an die Aufträge? „Meistens rufen uns die Landwirte an, beispielsweise wenn die Tiere in den Stall sollen, aber auf einer zwei Hektar großen Weide vier ausgebüxt sind und der Landwirt irgendwann keine Lust mehr hat, die Tiere selbst dazu zu bewegen, in den Stall zu gehen“, sagt Kemper und grinst dabei ein wenig. Doch nicht nur Landwirte gehören zu den Kunden, auch Naturschutzbehörden rufen inzwischen gerne Rinderhirten zur Hilfe, denn es gibt viele wilde Rinderherden, die ebenfalls hin und wieder umgeweidet werden müssen.

Hirten zu Pferd

Der Slogan der Rinderhirten lautet „Professionell Rinder managen zu Pferd, denn das Tierwohl ist unsere Passion“.

Wer mehr über die Rinderhirten erfahren möchte, kann sich im Internet über die Seite www.rinderhirten-verein.eu informieren. Dort gibt es auch einen Link zur Facebook-Seite.