Herdecke/Wuppertal. Intensiver Drogenhandel und ein gescheiterter Fluchtversuch – ein Herdecker muss sich wegen schwerer Vorwürfe vor Gericht verantworten.

Ein 31 Jahre alter Angeklagter aus Herdecke soll intensiven Drogenhandel aus seiner Wohnung heraus betrieben haben. Ins Visier der Fahnder gelangte er nach einer folgenschweren Flucht mit einem BMW, bei dem das Auto mit vier geplatzten Reifen und Totalschaden liegen blieb. Am Steuer saß laut Anklage eine 20 Jahre alte Mitbeschuldigte, gegen die ein eigenes Verfahren läuft und die er beim Rasen angefeuert haben soll.

Seit Donnerstag, 6. Oktober, muss sich der Mann vor dem Landgericht Wuppertal verantworten. Er bestätigt einen Teil der Vorwürfe: Geschäfte mit Kokain und Marihuana im Kilogrammbereich, über mindestens vier Monate. Drehpunkt des Verfahrens sind Geschehnisse in der Wohnung des 31-Jährigen in Herdecke. Fotos aus seinem Handy zeigen Kokain auf einer Arbeitsplatte in der modern eingerichteten Küche und Frischhaltebeutel voller Marihuana.

Die Anklage beleuchtet wie ein Spotlicht einzelne Tage zwischen November 2021 und der Festnahme im März. Dabei sollen sich jeweils große Mengen unterschiedlicher Drogen in den Räumen befunden haben. Nach der Fluchtfahrt vom Abend des 19. März 2022 fanden Ermittler ein Kilogramm Kokain in hochreiner Großhandels-Qualität im Auto: Genug für 30.000 Portionen, bei Straßenpreisen ein Wert von mehr als 100.000 Euro.

Das Auto mit dem Angeklagten war der Polizei an einem Autobahnrastplatz zwischen Düsseldorf und Wuppertal aufgefallen, weil die Person am Steuer drängelte. Als am Polizeiwagen das Schild „Bitte folgen“ aufleuchtete, begann der BMW eine waghalsige Flucht - mit Tempo 120 durch eine Baustelle, dass eine Staubwolke aufwirbelte, mit 180 über eine Wuppertaler Stadtautobahn und dann auf innerstädtische Straßen, teils bei Rot über Kreuzungen. Auf einer geraden, abschüssigen Strecke soll das Auto erneut beschleunigt haben um dann mit voller Wucht einen begrünten Kreisverkehr zu überfahren. Die Reifen rissen auf, der Wagen schlug auf der Gegenseite des Kreisels in die Gehwegkante ein. Die Frau, die gefahren sein soll, wurde leicht verletzt festgenommen. Sie soll Drogenkundin des Angeklagten gewesen sein.

Im Auto fanden sich Hinweise auf die Identität des 31-Jährigen. Der war zunächst zu Fuß entkommen, stellte sich aber kurz darauf der Polizei. Er kam in Untersuchungshaft, seine Wohnung wurde am selben Tag durchsucht. Einer Aussage zufolge soll er die Frau im Auto aufgefordert haben, Gas zu geben: Eine Kontrolle „könnte Probleme geben“. Im Landgericht muss der Mann mit Freiheitsstrafe von fünf bis sechs Jahren rechnen. Das hat die Staatsanwaltschaft als ihr Ziel benannt. Bewährung wäre bei dieser Höhe ausgeschlossen.

Zum Verhandlungsbeginn bestritt der Angeklagte einzelne Punkte. Ein Geschäft von Ende November 2021 habe sich nicht um zwei Kilogramm Marihuana gedreht, sondern um zwei Gramm: Ein „Freundschaftsdienst“ für einen Bekannten in Hagen. Die Ermittler hätten eine Handy-Nachricht falsch verstanden, worin als Bestellung „volle zwei“ genannt sind. Das beziehe sich in diesem Fall darauf, dass Händler bei kleinen Mengen üblicherweise weniger liefern, als sie behaupten und berechnen. Gegenüber dem Gericht fügte der Anwalt des Mannes hinzu: „Ihm ist klar, dass es bei der Menge Kokain nicht auf ein oder zwei Kilogramm Marihuana mehr oder weniger ankommt.“ Sein Mandant sehe einzelne Vorwürfe als falsch an.

Das Landgericht muss unabhängig urteilen. Neben den Nachrichten und Fotos aus dem Handy des Angeklagten haben die Richterinnen und Richter Zeugenaussagen und Gutachten über die Drogenqualität zur Verfügung. In zwei Fällen soll eine Adresse für Marihuana-Übergaben in Dortmund bekannt sein und das Geschäft auf die Minute genau feststellbar sein. Die 20 Jahre alte Mitbeschuldigte als mutmaßliche Fahrerin braucht nicht auszusagen: Die Ermittlungen gegen sie laufen noch; damit darf sie schweigen um sich nicht zu belasten. Für den Prozess sind zunächst drei weitere Termine bis 9. November 2022 vorgesehen.