Wetter/Herdecke/Ennepe-Ruhr. Der Ruf nach Sonderlösungen und Rettungsschirme für die Kommunen wird lauter. Bürgermeister aus dem EN-Kreis konferierten.
Die enormen Gas- und Strompreissteigerungen bereiten nicht nur den Privathaushalten Sorgenfalten. Auch in den Städten äußern Bürgermeister und Kämmerer Besorgnis. Das machten sich bei einem Treffen im Kreishaus in Richtung der Vertreter des Bundes- und Landtags deutlich.
Gas- und Strompreissteigerungen, die Gasumlage, die Inflation und ihre Folgen bringen die kommunalen Haushalte in Schieflage. Daher werde dringend Unterstützung von Land und Bund benötigt, erklärten die Bürgermeister unisono. „Die Energiekrise führt zu einer Finanzkrise der Kommunen ungeahnten Ausmaßes“, machte der Gevelsberger Bürgermeister Claus Jacobi den Anfang. Er rechne im städtischen Haushalt für das Jahr 2023 mit einer Finanzierungslücke im zweistelligen Millionenbereich. Es sei unmöglich, diese Lücke durch Einsparungen zu schließen, extreme Steuererhöhungen seien den ohnehin schon stark belasteten Bürgerinnen und Bürgern nicht zuzumuten. „Diese Situation trifft auf den überwiegenden Teil der Städte in NRW zu“, ergänzte Sabine Noll, Sprockhövels Bürgermeisterin. „Wir haben alle nichts auf der hohen Kante.“
Deshalb sei ein milliardenschweres Sofortprogramm für die Kommunen vonnöten. „Wir sind ein wichtiger Teil des Staates, erbringen systemrelevante Leistungen und sind vor Ort mit den Leuten im Gespräch. Aber wir können unsere Aufgaben nur erfüllen, wenn wir finanziell vernünftig ausgestattet sind“, legte Hattingens Bürgermeister Dirk Glaser nach. Auch die vielen verschiedenen Fördertöpfe seien wenig hilfreich, weil es sehr aufwendig sei, die passende Förderung zu finden, sie zu beantragen und die korrekte Verwendung nachzuweisen: „Das erfordert enorme Ressourcen, dafür fehlt uns das Personal.“ Sein Wittener Amtskollege Lars König regte zudem umfassendere verbindliche Vorgaben aus Berlin an, um den gesamtgesellschaftlichen Gasverbrauch zu reduzieren und damit einem akuten Gasmangel vorzubeugen. „Es wäre hilfreich, wenn von der Regierung nicht nur Appelle, sondern konkrete Vorgaben kämen, die überall gleichermaßen gälten.“
Doch wie sieht es denn beispielsweise in Wetter konkret aus? Wo drückt dem Kämmerer der Schuh auch in Bezug auf die kommenden Haushaltsplanungen. In Wetter sieht es nicht anders aus als in den anderen Städten des Kreises, lautet die Antwort der Stadt Wetter auf Nachfrage der Redaktion. Die finanzielle Situation der Stadt sei besorgniserregend und werde sich ohne deutliche Unterstützung massiv verschlechtern. Die Stadt sei sehr froh, dass sie einen ausgeglichenen Haushalt 2022 vorlegen konnte. Bürgermeister Frank Hasenberg fügt hinzu: „Aber die aktuellen globalen Entwicklungen wie die Vervielfachung der Energiekosten, die Inflation und weitere allgemeine Preissteigerungen haben auch eine dramatische Auswirkung auf unsere Situation in Wetter.“
Konkret weist er auf deutliche Mehraufwendungen im Millionenbereich bei Strom und Gas hin. Noch unklar seien die Auswirkungen der Energiekostenerhöhungen auf die Kreisumlage. Ebenso sei mit steigenden Zinsen zu rechnen. Schließlich sind auch Mehraufwendungen im Sozialetat zu verzeichnen. Auf der Ertragsseite sei es unklar, wie sich die Gewerbesteuer entwickeln wird, da auch die Unternehmen durch massive Energiekostenerhöhungen und die gesamtwirtschaftliche Lage – Lieferkettenproblematik, Ukraine-Krieg – belastet seien, heißt es aus dem Rathaus. Kämmerer Andreas Wagener fügt hinzu: „Aus finanzwirtschaftlicher Sicht muss eine Sonderlösung geschaffen werden, die sich nicht an den normalen Maßstäben der Gemeindefinanzierung orientiert.“
Vielmehr müsse eine Art kommunaler Rettungsschirm aufgelegt werden. Hierzu gehöre auch, so Wagener, die Isolation der Coronaschäden fortschreiben zu können. „Es kann nicht sein, dass die drohenden Finanzlücken durch Steuererhöhungen auf die Wetteraner Grund- und Gewerbesteuerzahler abgewälzt werden, die ohnehin zusätzlich belastet werden“, so Frank Hasenberg. Deutlich sinnvoller als bisherige haushaltsrechtliche Gestaltungen sind nach Ansicht von Bürgermeister Hasenberg und Kämmerer Wagener also echte Geldzuweisungen an die Kommunen, die die drohende Haushaltsnotlage mindestens teilweise kompensieren.
„Sie sind unsere Verbündeten und unsere Stimme bei Land und Bund. Wir zählen darauf, dass Sie die Botschaften weitertransportieren. Wir brauchen pragmatische Lösungen, damit unsere Kommunen handlungsfähig bleiben“, wandte sich auch Landrat Olaf Schade bei der Konferenz gegen Ende direkt an die anwesenden und zugeschalteten Abgeordneten. Diese zeigten Verständnis für Sorgen und Unmut der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, teilten in vielen Punkten deren Einschätzung und sagten zu, das Gehörte mit nach Berlin und Düsseldorf zu nehmen. Außerdem schlugen sie vor, die Gesprächsrunde im Kreishaus künftig häufiger stattfinden zu lassen. So ist der nächste Austausch in rund sechs Monaten geplant.