Wetter. Gudrun Schäpers ist die erste Präsidentin des Oberlandesgerichts Hamm und mag ihre Wahlheimat Wetter. Ein Gespräch mit einer interessanten Frau.

Wertschätzung als Leitmotiv: Gudrun Schäpers ist seit einigen Monaten Präsidentin des Oberlandesgerichts (OLG) in Hamm. Die 54-Jährige lebt in Wetter – ihrer Wahlheimat. Im Gespräch äußert sie sich zu dem Amt und ihrer Herangehensweise an die Aufgaben, sie spricht über den Ruhrpott, ihren Wohnort und erlaubt einen Blick, der eine ganz und gar menschliche Seite offenbart.

Den meisten Menschen, die Gudrun Schäpers begegnen, dürfte zuerst ihr Lächeln auffallen. Es ist herzlich und einnehmend, frei von Höflichkeit oder Zwang. Es lässt erahnen, dass diese Frau nicht nur ein hohes Amt bekleidet. Im Gegenteil: Wenn die 54-Jährige redet, hat sie tatsächlich etwas zu sagen. Und sie hört zu. Ein Beleg dafür, dass sie ein echtes Interesse an Menschen hat. Hofieren oder Szenenapplaus erwartet sie nicht. Es ist ihr anzumerken, dass ihr das unangenehm wäre. Allüren? Fehlanzeige.

Besuch im Amtsgericht

Ihre unkomplizierte Art beweist die Juristin gleich zu Beginn des Interviews, das mit einer kurzen Stippvisite im Amtsgericht an der Gustav-Vorsteher-Straße, dem Gericht in ihrem Wohnort, startet. Kaum im Innern, führt sie schon ein lebhaftes Gespräch mit Thomas Constantin, Leiter der Wachtmeisterei, mit dem sie sich über Schlangen und Reptilien austauscht. Als Wachtmeister- Kollege Olaf Brack an ihnen vorbeigeht, tauscht sie ein paar Worte mit ihm aus. Und trotz Maske ist besagtes Lächeln zumindest zu erahnen.

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Kurz darauf finden sich im Büro von Direktor Till Deipenwisch neue Themen – von der betagten Schreibmaschine als Dekoration im Regal über Fußball bis hin zur Arrestanstalt und den jungen Insassinnen. Der Blick in den über 100 Jahre alten Gerichtssaal nebenan löst bei Schäpers Bewunderung aus, wobei es ihr insbesondere die schöne Decken-Vertäfelung angetan hat. Das Interview verlagert sich in das Café „Friedrichs am See“ – ein Ort, den Schäpers bislang nicht kannte und der ihr auf Anhieb gefällt. Insgesamt lässt sie keine Zweifel daran, dass sie sich in Wetter wohlfühlt und begründet das unter anderem mit der Lage, der Natur und ihrer Sympathie für den Ruhrpott. Besonders angetan hat es ihr der Wald in Wengern. Etwaige Umzugspläne nach dem Amtsantritt hat sie nicht. Die erforderliche Nähe zur Stadtgesellschaft in Hamm lasse sich auch auf andere Weise sicherstellen.

Steckbrief

Name: Gudrun Schäpers

Alter: 54 Jahre

Sternzeichen: Schütze

Wohnort: Wetter

Familienstand: verheiratet

Beruf: Richterin

Vorbild: Niemand spezielles. Allerdings sind ihr im Leben einige Menschen begegnet, deren Verhalten vorbildhaft und für sie lehrreich war.

Die Entscheidung für das Jurastudium traf sie vor vielen Jahren recht schnell. Dass sich daraus der Herzenswunsch, Richterin zu werden, ergab, begründet sie so: „Weil man da die größte Möglichkeit hat, Menschen vor allem bei Konflikten zu helfen.“ Und dabei sei es anfangs ganz sicher nicht ihr Ziel gewesen, später Präsidentin zu werden. „Für mich stand die Rechtsprechung im Vordergrund. Nach und nach habe ich erkannt, dass mir auch die Organisation der Justiz Spaß macht. Das hat sich entwickelt.“

Geschlechterfrage zweitrangig

Zur Tatsache, dass sie in Hamm die erste Frau ist, die dieses Amt bekleidet, sagt sie: „Das sollte in der heutigen Gesellschaft eigentlich selbstverständlich sein.“ Die Fähigkeiten und Eigenschaften seien das Entscheidende, was jeder mitbringe. Und es entspreche auch der Lebenswirklichkeit, wenn alle Geschlechter gleichermaßen Möglichkeiten hätten. Und die Reaktionen aus ihrem privaten Umfeld? Ihre neue Rolle sei dort kein Thema.

Noch ist Gudrun Schäpers dabei, sich einen generellen Überblick über den großen Gerichtsbezirk zu verschaffen, weil es ihr wichtig sei, zu wissen, worüber sie redet. Zwei Dinge, die ihr inhaltlich besonders am Herzen liegen, sind die Digitalisierung der Justiz und die Nachwuchsgewinnung. Darüber hinaus habe der Kontakt zu den Menschen, mit denen sie zu tun hat und arbeitet, Priorität. Deshalb hat sie am OLG Hamm „Walk & Talk“ in der Mittagspause eingeführt. Das heißt konkret: Bei dieser Gelegenheit lernt sie die Menschen und auch ein Stück weit Hamm kennen. Dabei gebe es gute Gespräche – dienstlich, persönlich, ungestört. Speziell in Corona-Zeiten eine gute Möglichkeit, Kontakt herzustellen.

In ihrem Wohnort Wetter zeigte ihr nun Till Deipenwisch als Amtsgericht-Leiter den großen Sitzungssaal, ehe es zum Seeplatz ging
In ihrem Wohnort Wetter zeigte ihr nun Till Deipenwisch als Amtsgericht-Leiter den großen Sitzungssaal, ehe es zum Seeplatz ging © Steffen Gerber

Gerade weil sie als Richterin und Gerichtspräsidentin mitunter weitreichende Entscheidungen trifft, ist es für die 54-Jährige entscheidend, auf Menschen zuzugehen: „Mir ist es wichtig, dass man wertschätzend miteinander umgeht. Wir sind aufeinander angewiesen. Dafür brauchen wir alle.“ Und nicht zuletzt deshalb wird sie auch alle 77 Amtsgerichte und zehn Landgerichte in ihrem Bezirk besuchen – um Themen zu erfahren, Fragen zu beantworten und die Menschen kennenzulernen. Dafür hätte sie gerne noch mehr Zeit. Langeweile habe sie ganz bestimmt nicht. „Jeden Tag ergibt sich etwas Neues.“

Die Frage, ob sie morgens gerne zur Arbeit fährt, beantwortet sie mit einem klaren Ja. Glücklich mache es sie, wenn etwas gelinge, Probleme gelöst werden könnten, jemandem geholfen werde und „wenn man in einer stressigen Situation auch mal zusammen lachen kann“. Es seien die kleinen Begegnungen und die tollen Menschen, mit denen sie arbeite. „Das macht mich stolz.“

Zur Person

Gudrun Schäpers ist eine Frau mit vielen Facetten. Und so gibt es bei den persönlichen Fragen auch den ein oder anderen Aha-Moment, wenn es um Hobbies, Geschmack und Sichtweisen geht.

Zu ihrem Lieblingsessen befragt, verweist sie auf Pasta und Gemüse. Bei ihren Urlaubszielen beweist sie, die bereits in der Wüste übernachtet hat, Spontanität. Sie erkunde eher abgelegene Gegenden mit ihrem Mann – gerne auf eigene Faust. Sie sei aber auch gerne am Meer und in den Bergen. Was Musik betrifft, mag die Juristin Rock beispielsweise von Queen oder Metallica besonders, schätzt aber auch die Stilrichtung Elektro-Funk. Thema Fußball: Dortmund oder Schalke? Die gebürtige Gelsenkirchenerin offenbart, dass ihr Herz für den VfL Bochum schlägt – das habe sich so ergeben. Beim Thema Literatur gibt es kein favorisiertes Gebiet. „Ich lese gerne, ich lese viel.“ Derzeit, so gibt sie gleich noch einen Tipp, lese sie das Buch „Eine Frage der Chemie“. Das, so betont sie, könne tatsächlich ihr Lieblingsbuch werden.

Suche nach schönen Fotomotiven

Auf Tiere angesprochen, erklärt sie, dass sie (wenn überhaupt) zu einem Hund tendieren würde. Doch das sei unter anderem aus zeitlichen Gründen nicht möglich. Entspannen könne sie sich bei einem Spaziergang mit dem Fotoapparat auf der Suche nach interessanten Motiven, beim Lesen und mit Musik. Auf den für sie perfekten Tag angesprochen, spricht sie lächelnd von Ausschlafen, Zeit in der Natur und mit netten Menschen sowie einem Sonnenuntergang am Meer oder in den Bergen. Zum Thema Ängste erklärt sie: „Ich glaube, ich bin grundsätzlich ein eher unerschrockener Mensch.“ Beim Anblick von Schlangen freue sie sich. Und als sie im Urlaub einmal unerwartet einem Leoparden in freier Wildbahn gegenüberstand, habe sie sich geärgert, keine Kamera dabei zu haben.

Dann wird sie etwas ernster: „Ich habe – wie viele andere Menschen auch – Angst davor, dass Menschen, die mir wichtig sind, etwas passiert.“ Zur Bedeutung ihrer Familie erklärt sie kurz und knapp: „viel“. Freunde bezeichnet sie als „Vertraute, Berater, sehr wertvoll“.