Herdecke. Obwohl die Busse in der Pandemie öfter fahren, hat auch die Zahl der Elterntaxis zugenommen. Die Folge: Verkehrschaos nach Unterrichtsende.

Nach dem morgendlichen Andrang herrscht eine idyllische Ruhe an der Haltestelle des Schulzentrums Bleichstein. Nur vereinzelt sind dann noch Fahrgäste zu sehen. Ab etwa 13.20 Uhr ändert sich dieses Bild dann kurzzeitig, dafür aber enorm. Für etwa zehn Minuten tummeln sich mehrere hundert Schüler vor den Einsatzwagen, die sie in verschiedene Stadtteile und Städte bringen werden. Zusätzliches Verkehrschaos: Auf den umliegenden Parkplätzen warten etliche Eltern in ihren Pkw auf ihre Kinder. Die Bogestra und die Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr (VER) haben im Zuge der Pandemie die Einsatzwagen-Fahrten sogar noch verstärkt.

Trauben vor den Einsatzwagen

Ab etwa 13.15 Uhr kommen die Schulkinder aus ihren Klassen und bewegen sich langsam, aber zielsicher in Richtung Bushaltestelle. Vor den bereits wartenden Bussen bilden sich Wartezonen, die mehr an Trauben, als an eine Schlange erinnern. Dicht an dicht und leicht aufgeregt warten die Schüler vor den noch verschlossenen Türen der Einsatzwagen – jeder von ihnen will einen der begehrten Sitze in der letzten Reihe bekommen. Plötzlich ertönt ein lautes Zischen: Die Türen öffnen sich, und die Kinder sprinten ins warme Innere. Hier entscheidet neben einer Art festgelegten Rangordnung auch ein Stück weit die körperliche Physis, wer einen Sitzplatz auf den „coolen“ Plätzen in den hinteren Reihen bekommt und wer nicht. Bei teilweise langen Fahrzeiten ist aber auch der Platz hinter dem Busfahrer besser als ein Stehplatz. Im Bus herrscht strickte Maskenpflicht, viele tragen sie bereits an der Haltestelle.

Thema beim Elternabend

Die Busse sind voll. Nicht überfüllt, aber häufig zumindest bis auf den letzten Sitzplatz ausgelastet. In den Einsatzwagen, die in die bevölkerungsreichen Stadtteile fahren, müssen einige Schüler stehen. An die eigene Kindheit zurückerinnert, kommt jedoch tatsächlich das Gefühl auf, dass die Busse damals deutlich ausgelasteter waren. Der Herdecker Lennard Brauner bestätigt diesen Eindruck: „Ich habe das Gefühl, dass wegen der Coronapandemie mehr Kinder von ihren Eltern in die Schulen gebracht werden und nicht mehr den Bus benutzen“, so der Familienvater. Seine Kinder fahren aus Herdecke mit dem öffentlichen Nahverkehr und auch mit einem Einsatzwagen der Bogestra in eine Schule nach Witten. „Vor den Schulen ist das Verkehrsaufkommen mit privaten Pkw jedenfalls deutlich größer als vor der Pandemie. Das Verkehrschaos ist Thema auf jedem Elternabend“, sagt Brauner.

Extra-Geld vom Land

Im Zuge der Pandemie wurden zum Schulzentrum Bleichstein drei zusätzliche Fahrten von der VER etabliert. Die Bogestra hat eine zusätzliche Fahrt zur Holzkamp-Gesamtschule nach Witten ermöglicht. „Einsatzwagen haben schon immer eine hohe Priorität. Schüler sind ja auch Kunden von uns, die wir ans Ziel bringen wollen“, erklärt Kollmann. Solche Kapazitätsausweitungen werden, wie auch der gesamte Nahverkehr, immer in enger Abstimmung mit dem Kreis und den Kommunen beschlossen. Bezahlt werden die Extrabusse, die meist von privaten Unternehmen gefahren werden, vom Land NRW. Die Regierung hat für die Pandemiezeit einen Sondertopf zur Verfügung gestellt.

Appell an Selbstverantwortung

In den Bussen kann der Abstand natürlich nicht eingehalten werden. Unter anderem deswegen herrscht Maskenpflicht und für Nichtschüler sogar 3G. Doch auch die Fahrgäste und Schüler können helfen, die Busse nicht zu überfüllen. Neben der Erweiterung der Bus-Kapazitäten verweist Kollmann auch auf die bisher bestehenden „normalen“ Buslinien, die häufig ähnliche oder die selben Strecken der Einsatzbusse ansteuern. „Da ist auch eine gewisse Selbstverantwortung der Schüler wichtig“, sagt Kollman und bittet bei zu vollen Bussen die Alternativen zu prüfen. So könnten auch die Schulen, die Schüler und die Eltern zum Erfolg des Schul-Nahverkehrs beitragen. Die Schulen müssten beispielsweise mitteilen, wenn sich zeitliche Änderungen im Unterricht ergeben, die Auswirkungen auf die Stoßzeiten haben: „Es ist wichtig, dass alle Beteiligten zusammenarbeiten und Informationen weitertragen. Das war auch schon vor der Pandemie so“, erklärt Kollmann.

In der Pandemie besonders gefordert

Die Bogestra und die VER – die beide in Herdecke und Wetter vertreten sind – waren und sind während der Pandemie besonders gefordert. Einen deutlichen Rückgang der Schüler, die die Einsatzwagen nutzen, kann Bogestra-Sprecher Christoph Kollmann jedoch nicht bestätigen: „Wir sehen, dass die Kapazitäten genutzt werden.“ Damit meint er unter anderem auch die Ausweitungen der Einsatzwagen-Kapazitäten.