Wetter/Herdecke. Trotz voller Terminkalender sind heimische Zahnärzte bereit, gegen Corona zu impfen. Wenn die Voraussetzungen stimmen. Auch Apotheker ziehen mit.

„Ich möchte einfach wieder ein normales Leben haben. Dafür würde ich alles tun“, antwortet der Herdecker Zahnarzt Dr. Christian Hucke auf die Frage, ob er in seiner Praxis gegen Corona impfen würde. Und spricht damit offenbar vielen Kolleginnen und Kollegen aus der Seele. Ein Impfangebot beim Zahnarzt und in der Apotheke hatte jetzt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst ins Spiel gebracht, der bekanntlich im Kampf gegen die vierte Corona-Infektionswelle nicht mehr allein die Hausärzte impfen lassen will. „Warum sollen nicht Zahnärzte impfen können, die setzen die kompliziertesten Spritzen im Mund? Warum sollen die das nicht hinkriegen?“ hatte Wüst gefragt. Die Lokalredaktion hat die Frage an heimische Zahnärzte weitergegeben.

Volle Terminkalender

„Ich halte das auf jeden Fall für richtig“, sagt Dr. Michael Klein, Zahnarzt aus Wetter, obwohl er sich nicht darum reißen werde. „Aber wenn ich dazu beitragen kann, die Kuh vom Eis zu kriegen, dann bin ich der Letzte, der dazu nein sagt. Es gibt keinen vernünftigen Grund, der dagegen spricht“, so der Mediziner weiter. Kollege David Berger, der mit seinem Bruder Thomas eine Gemeinschaftspraxis in Volmarstein betreibt, verweist in diesem Zusammenhang auf einen bis Ende des Jahres vollen Terminkalender: „In der normalen Arbeitszeit geht das nicht, aber wir würden das dann an Wochenenden durchziehen. Außerdem haben wir zwischen Weihnachten und Neujahr zwei Wochen Urlaub. Auch in dieser Zeit wären wir bereit, das zu machen.“

100 Impfungen am Tag

Allerdings müssten die rechtlichen, organisatorischen und nicht zuletzt auch die finanziellen Voraussetzungen stimmen, sagt David Berger. Über die Zahnärztekammer müsse ein solches Vorgehen abgesegnet sein, auch für Organisatorisches wie Impfstoffbestellung und -lagerung sollte es Unterstützung geben. „Und man müsste, um das wirtschaftlich gestalten zu können, etwa 100 Impfungen am Tag verabre

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ichen. Da wir zu zweit sind, wären das 50 Impfungen pro Arzt am Tag. Die Patienten müssen ja auch noch eine halbe Stunde nach der Impfung überwacht werden“, so David Berger weiter. Machbar sei das durchaus, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden. „Es gibt 50.000 Zahnärzte in Deutschland. Wenn da jeder mitmacht, würde das schon helfen“, ist der Mediziner überzeugt.

Rahmenbedingungen müssen stimmen

Grundsätzlich sei das eine gute Sache, meint auch Christian Hucke, Zahnarzt aus Herdecke, der – wie eingangs erwähnt – einfach wieder ein normales Leben haben möchte. „Ich weiß zwar nicht, wie ich das stemmen soll und wie das in den Praxisalltag zu integrieren wäre, aber am liebsten möchte ich alle durchimpfen. Wenn das vernünftig finanziert wird, würde ich Überstunden machen und könnte dann auch meine Mitarbeiter dafür begeistern.“ Die Schnellschüsse aus der Politik seien oftmals wenig durchdacht, deswegen sei es in dieser Sache wichtig, „dass die Rahmenbedingungen stimmen. Dann bin ich dabei.“ Auf Zustimmung stößt der Vorstoß des NRW-Ministerpräsidenten auch in der Herdecker Zahnarztpraxis Nehm & Störmann. „Ich hätte kein Problem damit, gegen Corona zu impfen. Alles, was wir tun können, sollten wir tun“, meint Dr. Frank Störmann. Bereits letzte Woche habe er das im Kollegenkreis diskutiert, „und ich habe es letztens schon nicht verstanden, warum wir nicht impfen sollen. Wenn einer gut mit Spritzen umgehen kann, dann sind wir das. Wir sind keine Laien. Um der Sache Herr zu werden, würde ich das auf jeden Fall tun.“ Zwar sei Organisatorisches noch offen, „aber wer seinen Beitrag leisten kann, der sollte es tun.“ Auch seine Mitarbeiterinnen würden mitmachen. Und: „Die Bezahlung steht da nicht im Mittelpunkt.“ Zimmer, Stühle, ein sauberes Umfeld seien ohnehin vorhanden. „Wir sind zwar am Anschlag, aber das sind wir ja alle. Es ist viel Betrieb und hektisch in diesen Zeiten, aber dann muss man dann durch“, sagt der Zahnarzt und betont: „Wenn man was ändern will, muss man auch was dafür tun.“

Erst impfen, dann untersuchen

„Sofort“ wäre auch Zahnarzt Dr. Oliver Großmann aus Herdecke dabei: „Wir brauchen Impfstoff, aber das ist etwas rein Organisatorisches. Wenn das geklärt wäre, könnten wir das hier in der Praxis anbieten.“ Für sehr sinnvoll hält auch Georg Viedenz, Zahnarzt aus Wetter, das Impfen in Zahnarztpraxen: „Warum kommen die Politiker erst jetzt da drauf?“ Er empfehle, das Impfen in normale Untersuchungen zu integrieren: Wenn erst geimpft und dann untersucht würde, sei die Wartezeit schon rum und man sehe, ob der Patient eventuell eine Impfreaktion zeige.

Apotheker gibt positives Signal

Wenn die Politik das wünscht und die Arztpraxen an Grenzen stoßen, würden wir das machen“, sagt Ulrich Maaßen, Kreisvertrauensapotheker im Ennepe-Ruhr-Kreis (außer Witten).

In einem Seminar würden Apotheker dann vorab einen sogenannten Spritzenschein machen.

Apotheken in Dortmund und im Rheinischen impften in einem Modellprojekt bereits gegen Grippe. „Da spricht auch nichts dagegen, dass wir gegen Corona impfen“, so Ulrich Maaßen weiter.