Volmarstein. Vor 90 Jahren wurde die Orthopädische Klinik Volmarstein offiziell eingeweiht. Seitdem ist viel passiert.

Am 26. Juni 1931 wurde die Orthopädische Klinik Volmarstein feierlich eröffnet. Dieser Tag vor 90 Jahren war ein Meilenstein in der Entwicklung der Evangelischen Stiftung. Viele hoch spezialisierte medizinische und therapeutische Angebote, die die Klinik heute bietet, gehen auf diese Zeit zurück.

Damals war der Begriff „Krüppel“ die amtliche und gängige Bezeichnung für Menschen mit Behinderung. Dementsprechend hieß die heutige Stiftung „Krüppelanstalt“. Vor allem für die Menschen mit Behinderung, die in Volmarstein lebten, waren die Klinik-Pläne ursprünglich geschmiedet worden.

„In herrlicher Lage, unmittelbar an einen Wald angelehnt, beherrscht der schmucke Bau die ganze Gegend und enthält mit seinen 150 Betten alle modernen Einrichtungen, die eine orthopädische Klinik haben muss“ – so blumig wurde die neue Klinik im Stiftungs-Jahresbericht 1931 beschrieben. Heute ist sie weit über die Region hinaus bekannt.

Offene Liegehalle auf der Tuberkulose-Station 30er Jahre.
Offene Liegehalle auf der Tuberkulose-Station 30er Jahre. © ESV

Der Ortsname „Volmarstein“ hat sich wegen der Klinik zur Marke entwickelt. Teilweise kommen Patienten sogar aus dem Ausland. In den 30er Jahren sorgte der Klinik-Bau für einen Quantensprung in der medizinischen Versorgung. Bis dato hatte es für Menschen mit Behinderung in Volmarstein nur eine Krankenabteilung im Johanna-Helenen-Heim (heute Oberlinschule) gegeben.

Das Haus hatte Dorfpfarrer Franz Arndt 1904 eröffnet. Es gilt als erste Einrichtung der späteren Stiftung und bot Menschen mit Behinderung Unterkunft, Beschäftigung und ärztliche Versorgung – alles unter einem Dach. Als Franz Arndt weitere Wohnhäuser für Bedürftige eröffnete, stieß die Krankenabteilung an ihre Grenzen – zumal auch Volmarsteiner Bürger, sogenannte „Ortskranke“, behandelt wurden und es sogar eine Geburtshilfe gab.

Ein OP-Team aus den vermutlich 40er-Jahren bei der Arbeit. 
Ein OP-Team aus den vermutlich 40er-Jahren bei der Arbeit.  © WP | ESV

Der Grundstein für die neue Klinik wurde am 2. August 1929 gelegt. Die Zeremonie war Höhepunkt der 25-Jahr-Feier der Stiftung – ein Beleg für die enorme Bedeutung des Bauvorhabens. Passend dazu wurde im Jahresbericht mit viel Pathos festgehalten: „Es war ein Tag, an dem wir gleichsam auf einer Höhe standen, um dankbar rückwärts, mutig vorwärts und gläubig aufwärts zu schauen.“ Bei der Planung wurde auf modernste Standards der damaligen Zeit geachtet: Es gab sogar zwei „Betten-Schulklassen“, in denen bettlägerige Kinder unterrichtet wurden. Zum Therapieangebot gehörte ein Turnsaal, 1939 wurde ein Masseur bzw. Badewärter eingestellt. Um den Patienten Unterhaltung zu bieten, wurden Spenden für eine Radioanlage gesammelt. Außerdem wurde als Besonderheit der Ausstattung erwähnt: „Da ein großer Teil der Betten mit Rollen versehen ist, können auch viele unserer bettlägerigen Kranken sonntags in die Kapelle geschoben werden.“

Bis heute herrscht rund um die Klink, die im Laufe der Jahrzehnte mehrmals saniert und erweitert wurde, eine besondere Atmosphäre: Wenn Patienten an der frischen Luft spazieren gehen, treffen sie immer wieder Menschen mit Behinderung, die in umliegenden Stiftungs-Häusern wohnen und arbeiten. Es sind Begegnungen, die Erinnerungen an Volmarsteiner Ursprünge wecken. In den vergangenen Jahren wurde die Klinik Volmarstein umfangreich modernisiert, so dass allen Patienten komfortable Zimmer zur Verfügung stehen, die neuesten Standards entsprechen: Auf zwei Etagen entstanden Komfortstationen, die stilvolles Ambiente und exklusive Unterbringung bieten. Auch alle weiteren Stationen mit Zwei- und Drei-Bett-Zimmern wurden in ansprechendem Design modernisiert.

Aktuell werden jährlich 5000 Patienten stationär aufgenommen und 15.000 Patienten ambulant versorgt.

Der Orthopädische Turnsaal aus den 30er-Jahren war für die Rehabilitation der Patienten wichtig. 
Der Orthopädische Turnsaal aus den 30er-Jahren war für die Rehabilitation der Patienten wichtig.  © WP | ESV

Im Jahr 2019 wurden 1786 endoprothetische Eingriffe vorgenommen – konkret Hüft-, Knie-, Schulter-, Wechsel- und Sprunggelenksprothesen. Mediziner der Klinik belegen bei Befragungen zur Patienten-Zufriedenheit regelmäßig Top-Plätze. Ein Aufenthalt dauert im Durchschnitt sechs Tage. Hinter den Zahlen verbirgt sich ein enormer medizinischer Fortschritt: Denn 1931, im ersten Jahr ihres Bestehens, wurden in der Klinik 551 Patienten aufgenommen. Jeder blieb durchschnittlich 113 Tage.

Anlässlich des 90-jährigen Bestehens ist im Klinik-Foyer eine Ausstellung mit Fotos und OP-Instrumente aus früheren Zeiten zu sehen.