Herdecke. Die Leser schätzen den Umgang in ihrer Stadt mit Corona mehr als das Management von Bund und Land. Eine Stadt kann besonders punkten.

Von oben kommen die Verschärfungen beim Lockdown und die Lockerungen. Ganz unten bleibt dann überall das Bekleidungsgeschäft geschlossen oder ein Eis zum Mitnehmen gerade noch erlaubt. Beim großen Corona-Check der Redaktion hat das Agieren der Städte deutlich besser abgeschnitten als das Krisenmanagement von Bund und Land. Und noch einmal besser als der Schnitt der Städte im Verbreitungsgebiet der WP ist Herdecke in der Krise bewertet worden. Gibt es also doch so etwas wie einen Spielraum im Lokalen? Eine Spurensuche.

Was kann eine Stadt anders machen als die anderen? Was können Städte und Gemeinden besser machen als Bund und Land? Die Vermutung: Die Bürger wollen gut über die Regelungen vor Ort informiert sein, sie wünschen Verlass auf die unvermeidlichen Kontrollen, und: Sie brauchen Herz. Gerade in Zeiten einer Pandemie, die als riesengroßer Sachzwang daher kommt. Also, wie sieht es aus in Wetter und in Herdecke?

Den Anfang macht das Herz. „Sehr großen Respekt und vielen Dank an unsere Bürgermeisterin, Frau Dr. Katja Strauss-Köster, dass sie sich in der Vorweihnachtszeit nach ihrem Dienst noch die viele Zeit für die Auktion genommen hat, mit der sie viele Menschen finanziell und vor allem moralisch unterstützt hat! Ganz, ganz toll!“ So steht es in einem der Felder für Bemerkungen beim Corona-Check. Und das ist nicht der einzige Hinweis in diese Richtung: „Die Informationen, die von meiner Bürgermeisterin kommen, sind VORBILDLICH“, heißt es auch im Original-Kommentar in Großbuchstaben.

Dreh- und Angelpunkt von Aktionen

Als Corona in mehreren Herdecker Heimen wütete und viele Heimbewohner lebensgefährlich erkrankten und starben, da war die Bürgermeisterin immer wieder Ansprechpartnerin für die Angehörigen. Und sie organisierte eine Auktion. „Mitmachen“ war das Motto, und die Herdecker haben das auch so verstanden: Bürger spendeten – und sei es ein Silvesterkarpfen. Und sie ersteigerten, alles für die Bewohner der über lange Zeit abgeriegelten Heime. Kindergartenkinder malten, Bürger zeigten Verbundenheit mit den Senioren in selbst gestalteten Karten, und immer wieder war die Bürgermeisterin Dreh- und Angelpunkt bei den Aktionen.

Das Herzige ist bis heute auf ihrem Facebook-Kanal geblieben: Die Menschen schütten ihr Herz aus, schreiben vom Gesundheitszustand ihrer Liebsten und bekommen eine Aufmunterung. Und zugleich ist das soziale Medium auch eine Plattform für nackte Informationen: Auch die Inzidenzwerte für Herdecke lassen sich hier schon mal nachlesen und die Erklärung, warum eine Sieben-Tage-Inzidenz in Herdecke von knapp über 20 nicht zu weiteren Lockerungen führt - gezählt werden die Inzidenzwerte im gesamten EN-Kreis.

Wetters Bürgermeister Fank Hasenberg postet aus Facebook zu Corona
Wetters Bürgermeister Fank Hasenberg postet aus Facebook zu Corona © Klaus Görzel

Die Bürgermeisterin habe „persönlich über ihren Facebook-Account wesentlich zur bürgernahen und transparenten Information der Öffentlichkeit über das aktuelle Infektionsgeschehen beigetragen“, bescheinigt seiner Chefin Dr. Lars Heismann, Leiter des Corona-Krisenstabes im Herdecker Rathaus. Dieses Verdienst kann auch Wetters Bürgermeister Frank Hasenberg für sich in Anspruch nehmen. „40 Personen sind infiziert, 883 gesundet und 63 in Quarantäne. Die Inzidenz des Kreises fällt auf 48,44 und in Wetter auf 58,41. Die Kurve zeigt nach unten. Gut so. Viele Grüße“, hat er beispielsweise am Donnerstag gepostet. Und gleich 14 Kommentare dazu eingefahren.

Eng verbunden mit Gastro und Handel

Die sozialen Medien sind wichtig bei den Informationen über die Pandemie, weil sie quasi automatisch ins Haus kommen. Aber auch die klassischen Wege sind bedeutsam. Über die städtische Homepage hat die Stadt Wetter informiert, über Pressemeldungen sowie nach Bürgerfragen, listet die städtische Pressestelle auf. „Zudem hat der städtische Seniorenbeauftragte ältere Menschen telefonisch rund um die Impfung beraten.“

Was die Bürger als Kunden wissen wollen, bestimmt auch das Tun von Händlern und Gastronomen. Durch vielfältige Aktionen sieht sich die Stadt Wetter mit ihnen und ihren Interessen verbunden und verweist etwa auf die Kampagne „Wetter tischt auf“ mit Liefermöglichkeiten nach Hause als Rettungsanker im Lockdown. Und Dennis Osberg, im Herdecker Rathaus unter anderem für die Wirtschaftsförderung zuständig, sieht einen kurzen Draht zwischen Verwaltung und Geschäftswelt: „Mehr als 150 Adressen sind mittlerweile im Verteiler. Fragen der Gewerbetreibenden werden von Wirtschaftsförderung und Ordnungsamt gleichermaßen beantwortet.“

Bei der Bewertung durch die Leser des Lokalteils steht Wetter mit dem Agieren der Kommune ziemlich in der Mitte des Stroms, Herdecke aber bei Männern und Frauen und in allen Altersgruppen ein bisschen besser da. Spätestens bei den Noten für das Krisenmanagement von Land und Bund folgen beide Städte aber dem gleichen Trend. Die Herdecker sind hier höchstens noch etwas kritischer.

>>>Erinnern, ermahnen – und nicht überziehen

Verwarngelder können Empörung auslösen, aber auch Genugtuung. Mit welcher Strategie nähern sich die Ordnungsämter Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung? Setzen sie lieber auf nachdrückliche Ermahnungen oder auf kostenpflichtige Belehrungen? Wie ist es mit der Verhältnismäßigkeit? Und: Wie sind die Zahlen?

Die Antworten auf diese Fragen haben etwas mit der Entwicklung der Pandemie zu tun. „Im Jahr 2020 konnte die Einhaltung der Coronaregeln noch weitgehend durch Aufklärung und Beratung erreicht werden“, so Herdeckes Krisenstableiter Dr. Lars Heismann. Weil auch unter freiem Himmel die Regeln strenger geworden sind, wurden die Kontrollen ab März 2021 auch auf die Wochenenden ausgedehnt und verschärft.

In Herdecke wurden bislang 171 Bußgeldverfahren auf Grundlage der Corona-Schutzverordnung eingeleitet. 95 Prozent der Verstöße wurden auf dem Bleichstein festgestellt. Wetter kommt auf 260 Bußgeldverfahren nach der Corona-Schutzverordnung. Die Strategie sei klar, heißt es im Rathaus: „Es wird in der Regel zunächst erinnert, belehrt, ermahnt. Im Wiederholungsfall, bei Uneinsichtigkeit oder bei offensichtlich vorsätzlichen Verstößen wird ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet.“

Und wie steht es um den Spielraum? Das Gesetz verpflichtet, die Bestimmungen „energisch und konsequent“ durchzusetzen, heißt es in Wetter. So habe das Land angewiesen, Verstöße auch ohne vorherige Belehrung zu ahnden: „Wir bemühen uns aber trotzdem, bei unserer städtischen Linie zu bleiben - also immer nah am Bürger.“

Alle Folgen unserer Corona-Serie gibt’s unter www.wp.de/wetter-ruhr und: Wo steht Ihre Stadt im Vergleich mit anderen: Stöbern Sie im Datencenter: wp.de/datencenter