Wetter/Herdecke. Laut Statistik sind die Straftaten in den beiden Ruhrstädten 2020 zurückgegangen. Das hat auch mit Corona zu tun.

Die gute Nachricht vorweg: Zwar sind die Fallzahlen in der Kriminalitätsstatistik des EN-Kreises leicht gestiegen, dennoch sind sie immer noch deutlich geringer als im Landesvergleich. Das gilt insbesondere auch für die Städte Wetter und Herdecke, denn dort gab es sogar einen zum Teil erheblichen Rückgang bei einzelnen Straftaten.

Deliktverlagerungen

Die Zahlen sprechen eigentlich für sich. In Wetter gab es 2020 im Vergleich zum Vorjahr 220 Straftaten weniger, in Herdecke 50. Diese erfreuliche Statistik jedoch nur auf die Pandemie zurückzuführen, ist etwas zu kurz gegriffen, wie Polizeisprecherin Sonja Wever im Nachgang der Pressekonferenz erläutert. „Lockdown-bedingt kam es in 2020 zu Deliktsverlagerungen von der Straße an den PC“, erläutert sie. So ist es eigentlich nur logisch, dass angesichts von Homeoffice beispielsweise die Zahl der Wohnungseinbrüche so niedrig war, wie seit Beginn der statistischen Aufzeichnungen im Kreis. In Wetter gingen sie um 15 auf insgesamt 18 zurück, in Herdecke waren es noch 33 (im Vorjahr 44). Zudem stieg die Aufklärungsquote in beiden Städten bei Wohnungseinbrüchen an.

Sexualdelikte

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Eine Zahl erschreckt jedoch auf den ersten Blick beim Zahlenkonvolut: Die Anzahl der Sexualdelikte ist 2020 um 42,4 Prozent gestiegen. Im Jahr 2018 waren es fünf Fälle von Kinderpornografie, im Jahr darauf 18, im vergangenen Jahr schließlich bereits 54. Ein Anstieg perverser Machenschaften? Das stimmt wohl nur zum Teil, denn unterm Strich ist es so, dass die Behörden immer besser darin werden, den Leuten, die Kinderpornografie verbreiten oder erstellen, auf die Schliche zu kommen. Das hängt mit dem Fokus zusammen, den die Kreispolizeibehörde selbst auf dieses Thema legt, aber auch damit, dass Gruppen in Kanada oder den USA intensiv weltweit gegen diese Leute ermitteln und ihre Ergebnisse teilen. „Wir haben unseren Fokus außerdem deutlich darauf ausgerichtet, sehr viel Personal und Zeit damit gebunden, und das wird auch so bleiben“, sagt Markus Rübsam, Erster Kriminalhauptkommissar und Leiter Führungsstelle Direktion Kriminalität, der das Zahlenwerk vorstellte.

Bessere Technik

Doch bei diesem Zahlenwerk gibt es noch weitere Aspekte, die berücksichtigt werden müssen. „Zwar hat sich die Technik und damit auch die Erfolgsquote beim Aufspüren von Kinderpornografie deutlich verbessert“, sagt Sprecherin Sonja Wever, aber auch die Täter hätten inzwischen bessere Technik. Wo früher beispielsweise ein einziges Bild mit einer solcher Darstellung war, gebe es inzwischen Speichermedien mit deutlich mehr Volumen. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass auch Chatgruppen ins Visier der Polizei geraten. „Und dann wird nicht nur derjenige belangt, der einen solchen Inhalt in die Gruppe stellt, sondern jeder, der in dieser Gruppe ist“, berichtet Wever.

Nicht deutsche Straftäter

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Derart in den Fokus wie aktuell hat die Polizei die nicht-deutschen Straftäter bislang nicht genommen. Grund: Bei einem Anteil von elf Prozent an der Gesamtbevölkerung haben 25,7 Prozent aller Verdächtigen keinen deutschen Pass. Dazu zählen einerseits die Holländer mit marokkanischer Abstammung, die in Schwelm Geldautomaten gesprengt haben, dazu zählen die Einbrecherbanden vom Balkan. Aber generell gilt, wie Rübsam mitteilt: „Die Delikte sind breitgefächert vom Ladendiebstahl über sexuelle Belästigung bis hin zu Gewaltdelikten.“ Der Ennepe-Ruhr-Kreis liegt dennoch deutlich unterhalb der Zahlen für das Land NRW, wo jeder dritte Verdächtige Ausländer ist.

Damit diese Zahl, deren Tendenz in den Städten zwischen Ennepe und Ruhr deutlich steigend ist, wieder sinkt, nimmt die Behörde vor allem arabische Clan-Strukturen ins Visier. „Wir sind davon zwar noch nahezu unberührt, beobachten allerdings ganz genau, was in Wuppertal, Bochum oder Essen passiert, damit diese Strukturen hier überhaupt nicht erst Fuß fassen können“, erläutert Rübsam, und weiter: „Vor allem dort, wo die Konzentration von Barbershops und Shisha-Bars steigt, entwickeln sich schnell beliebte Treffpunkte für diese Leute.“ Daher habe man ein genaues Auge auf die Innenstädte, denn: „Bevor sich solche Tätergruppen hier niederlassen, wollen wir ihnen schon deutlich zeigen, wer hier das Sagen hat.“

Taschendiebstähle

Die Anzahl der Taschendiebstähle ist rasant nach oben geschnellt – allerdings mit einer Einschränkung. „Das gilt im Wesentlichen für die Kommunen, deren Innenstädte auch belebt sind, wie Gevelsberg, Schwelm und Hattingen“, sagt der Kriminalitätsexperte. Vor allem nach dem ersten Lockdown sei es vermehrt zu Diebstählen von Handtaschen in Geschäften gekommen. Ob die Einkäufer weniger aufmerksam waren oder die Täter mutiger, weil – wie Innenminister Herbert Reul sagte – sie ohnehin teilmaskiert unterwegs seien – lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. „Hauptsächlich schlagen die Täter jedoch dort zu, wo es eine funktionierende und florierende Innenstadt gibt“, erläutert Wever.

Internetbetrug

„Das Verbrechen verlagert sich mehr und mehr von der Straße ins Internet“, macht Polizeidirektor Frank Kujau deutlich. Vor allem Waren- und Kreditkartenbetrug sind in der Pandemie auf dem Vormarsch, die Zahlen hoch wie nie zuvor.

Widerstand und Angriff

Eine weitere Zahl gibt es noch, die ebenfalls besorgniserregend ist: Während es 2019 noch 49 Fälle von Widerstand gegen und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen gab, erhöhte sich diese Zahl auf insgesamt 88.