Herdecke. Online-Tasting: So greift die Liebbar in Herdecke den Trend in Corona-Zeiten mit ihrer virtuellen Whisky-Verkostung auf.

Licht dimmen, Laptop aufklappen – der Versuch ein wenig Bar-Atmosphäre zuhause zu schaffen: Eine Hand greift zu den Käsewürfeln und Kräutermandeln. Die andere wählt sich in die Online-Konferenz ein. Neben dem Computer: sieben kleine Fläschchen schottischer Whisky in goldenen Farbtönen.

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„Unser Whisky-Tasting ist als Schottlandreise angelegt“, erklärt Matthias Blau. Wegen Corona könne man ja sonst kaum reisen. Mit Cousin Richard Blaume führt er an diesem Abend die Teilnehmer geschmacklich durch die Low- und Highlands. Der Erlös geht an die Herdecker „Liebbar“, dessen Besitzer am liebsten nur „Johnny“ genannt wird.

Ihr Schicksal geschlossen zu bleiben, teilt die Liebbar mit anderen Gastronomen – längst hat sich so das Konzept von Online-Verkostungen und virtuellen Kneipenabenden als Corona-Trend etabliert. Dementsprechend heiß begehrt war auch das Tasting der Liebbar: In nur sechs Tagen waren alle 27 Plätze ausverkauft. Dabei hatte Johnny nicht lange Zeit, sich in Herdecke eine Stammkundschaft aufzubauen.

Corona: Zeit für neue Projekte in Herdecke

16 Jahre lang besaß er in Schwelm eine Rock-Kneipe und war dort bekannt wie ein bunter Hund. Erst 2019 öffnete er in der Alten Stiftsstraße 4A seine Herdecker Liebbar. Dann kam die Pandemie: „Die Corona-Zeit hat aber auch ihre guten Seiten“, will Johnny nicht klagen. Er finde nun Raum, um neue Projekte auszubauen. „Liebbar – die Welt verändern“ heißt eins davon, bei dem es ihm um die Unterstützung regionaler Produktmanufakturen geht.

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„Finanziell ist die Corona-Situation aber natürlich erstmal scheiße, klar“, so Johnny. Weil der Lockdown weiter andauere, sind Richard Blaume und Matthias Blau deshalb Feuer und Flamme Johnny und seiner Bar mit dem Online-Tasting unter die Arme zu greifen: „Damit man seine Lieblingsbar nicht aus dem Auge verliert“ sagt Blau, zu Beginn der Verkostung.

Mittlerweile sind auf dem Bildschirm alle Teilnehmer-Fensterchen erschienen: Mit Freundin, Partner oder Familie hat man es sich gemütlich eingerichtet: Hier läuft eine Katze durch ein Bild, dort legt jemand die Füße hoch. Nun kann das erste Fläschchen aufgeschraubt werden.

Tage zuvor hatten die Teilnehmenden einen liebevoll gestalteten Karton im Pizza-Verpackungsformat erhalten. Darin fanden sie mehr als nur Whisky: Neben Sacks vom Käseladen „Say Cheese“, an der Hauptstraße 30 in Herdecke, gibt es auch noch ein Whisky-Glas und einen Kühlstein.

Live-Schalten von Herdecke nach Schottland

„Slàinte mhath“, lautet der schottische Trinkspruch, „übersetzt so viel wie ‘Gesundheit’“, erklärt Blau. Seinen Enthusiasmus nimmt man ihm voll und ganz ab: „Whisky ist mehr als ein Getränk, man kommt mit Leuten aus der ganzen Welt ins Gespräch“, begeistert sich Blau. An diesem Abend gibt es deswegen gleich zwei Live-Schalten – von Herdecke nach Schottland.

Als erstes wird Juliette Buschman dazu geschaltet. Sie arbeitet für eine Destillerie namens „Glenallachie“ und ist laut Blau „eine unfassbar nette Person“. Fragen werden bei ihr noch zögerlich gestellt, noch seien die Teilnehmer „zu schüchtern“, lacht Blau, aber das lege sich nach drei bis vier Whisky von alleine.

Teilnehmende tauen nach ein paar Whisky auf

Tatsächlich: bei der zweiten Live-Schalte, diesmal nach Campbel-Town scheinen die Zungen gelockert. Ian McAllister, Chef der Destillerie „Glen Scotia“ beantwortet sämtliche Fragen, rund um Farbe, Geschmack und Destillierung. Auch beobachtet er über die Jahre eine Veränderung: Es gäbe immer mehr Frauen, die sich für Whisky interessierten.

Blau schwärmt: „Der Mann ist ein echter Gentleman – unfassbar höflich, und das ist nicht aufgesetzt, der ist echt so“. Blau muss es wissen: Seit 9 Jahren fährt er regelmäßig nach Campbel-Town und hat sogar dort geheiratet.

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Den Leitsatz eines Whiskys namens „Epicurean“, der sich ebenfalls grob mit „Edelmann“ übersetzen lasse, hat Blau auch noch parat. Er lautet sinngemäß: „Nicht was wir besitzen, sondern was Spaß macht, sorgt für Wohlbefinden. Das passt, findet Blau: „Ich kann noch so viele Flaschen im Schrank haben, ich muss sie auch trinken: Zum Beispiel mit 27 Fremden bei Zoom bei mir im Wohnzimmer.“ Wer selbst ein Whisky-Tasting buchen möchte, kann sich unter whisky@bluedram.de informieren.