Wetter. In den Heimen der ESV sind Bewohner und Beschäftigte geimpft. Überzeugungsarbeit hat Impfquote erhöht. Falsche Sicherheit als Gefahr
Andere Heime im Ennepe-Ruhr-Kreis warten noch auf die erste Impfaktion. Die Evangelische Stiftung ist so weit durch. Fast alle Bewohner wollten und konnten geimpft werden, und die Quote bei den Pflegern lag gar nicht so weit darunter. Ein Stück Sicherheit ist damit zurück gewonnen. Aber wirklich nur ein Stück: Die Masken bleiben weiter auf, die Tests der Beschäftigten werden fortgeführt. Und doch ist Erleichterung spürbar. „Ein Meilenstein ist geschafft“, sagt Christina Bösken, Geschäftsbereichsleiterin Spezialpflege bei der ESV, über die Impfungen.
Im Haus Bethanien leben etwa zur Hälfte Männer und Frauen mit Morbus Hunting, einer Erbkrankheit, die nach ein oder zwei Jahrzehnten unweigerlich zum Tod führt. Andere Bewohner leiden an den Folgen eines schweren Drogenkonsums. Und dann sind da noch die Älteren mit physischen oder psychischen Störungen. „Alles Menschen, die schwer absprachefähig sind“, sagt Christina Bösken. Zu Corona-Zeiten kann es besonders fatal werden, wenn Abstandsregeln nicht eingehalten oder Masken nicht ordentlich aufgesetzt werden. Daher ist Christina Bösken dankbar, dass das Haus Bethanien das erste im EN-Kreis war, in dem noch im alten Jahr geimpft wurde.
Die Erinnerung an den Tag gleich nach Weihnachten ist noch wach. Die Auslieferung des Impfstoffs wurde von der Polizei eskortiert. Vier Ärzte waren im Impf-Einsatz. Alles war neu. Mittlerweile ist der erste Durchlauf geschafft und die Auffrischungsrunde in Vorbereitung. Teils weit über 90 Prozent der Bewohner haben sich impfen lassen. Und bei den Mitarbeitenden im Haus Bethanien waren es fast 80 Prozent, im Haus Vietor sogar 85. Das ist viel viel mehr, als bundesweite Umfragen zur Impfbereitschaft unter den Pflegenden ermittelt hatten.
Dieser Erfolg hat einen Namen: Am Tag vor der Impfung war Dr. Stephan Schleyer durchs Haus gegangen und hatte insbesondere beim Personal für eine Beteiligung geworben. Offensichtlich auch bei der ersten Mitarbeiterin, die dann im Haus Bethanien den schützenden Pieks bekam. Im Frühjahr noch hatte sie zu den Impfskeptikern gezählt, wollte nicht zum Versuchskaninchen werden. Nun stellte sie den allgemeinen Schutz vor ihre eigene Angst. „Ich möchte mein Leben zurück“ sei das Motto der Mitarbeiterin, so Christina Bösken. Die Erkenntnis der Geimpften: mit Impfstoff geht das am Besten.
Impfung nicht um jeden Preis
Infektionsgefahr gemindert, ansonsten ein milderer Verlauf zu erwarten - „Das Risiko ist minimierbar, aber Sicherheit gibt es nicht“, sagt Nicolas Starck, Leiter des Geschäftsbereichs Seniorenhilfe bei der ESV. Aber zwei entscheidende Ziele rückten durch die Impfung ganz nahe: „Der Senior darf nicht sterben. Und: Die Kliniken sollen nicht überlastet sein.“ Starck versteht die Impfung nicht als eine Garantie gegen Ausbrüche von Corona. Aber selbst wenn es jetzt einen positiven Befund auf einer der Stationen geben würde: „Die Kollegen können nun etwas entspannter damit umgehen“, bestätigt Christina Bösken.
Dass nicht alle Bewohner und alle Beschäftigten gegen Corona geimpft worden sind, hat nicht unbedingt etwas mit Impf-Skepsis zu tun. Allergien oder bestimmte Vorerkrankungen haben die Ärzte abraten lassen, vor einem OP-Termin gab es auch keine Impfung. Drei Mitarbeitende waren deshalb trotz Impfbereitschaft am Ende nicht dabei. Für Christina Bösken ist das ein Zeichen, dass die Ärzte „nicht um jeden Preis“ aufs Impfen aus waren, und auch Nikolas Starck sieht Aufklärung und Abwägung in der Balance.
Die hohe Impfquote bei Bewohnern und Beschäftigten hat bei aller Freude für Nikolas Starck auch eine Kehrseite: Bei einem Betrieb 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche an 365 Tagen im Jahr „führt ein Gefühl falscher Sicherheit bei den Mitarbeitenden auch zu Nachlässigkeit.“ Die Überzeugungsarbeit geht also weiter.
Über 2000 Briefe
Begonnen haben die Impfungen im Ennepe-Ruhr-Kreis am 27. Dezember im Haus Bethanien der ESV in Wetter.
Bis Ende letzter Woche sollten laut Plan in 30 Heimen im Kreis Bewohner und Mitarbeiter geimpft sein.
14 Einrichtungen fehlen noch.
Am 18. Januar soll mit der zweiten Impfrunde in den Seniorenheimen begonnen werden.
Anfang Februar soll dann das Impfzentrum in Ennepetal zunächst seine Türen für ab 80-Jährige öffnen.
Die Betroffenen sollen ab 18. Januar per Brief informiert werden.
In Wetter und Herdecke werden es jeweils um die 2000 Briefe sein.