Herdecke. Zweimal am Tag trifft sich der Krisenstab im Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke. So ist die Lage derzeit:

Die Berichte aus den Krankenhäusern in Sachsen ließen aufhorchen. Bei Inzidenzwerten weit über 500 sind die Kliniken schon lange an ihren Kapazitätsgrenzen, von Triage (Auswahl der Patienten) ist die Rede. Doch wie sieht es in den heimischen Krankenhäusern aus?

Im Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke beruhigt die Ärztliche Direktorin Dr. Anette Voigt. „Wir haben eine Infektionsstation mit 22 Betten. Dort liegen derzeit acht positiv getestete Menschen und sechs mit Verdacht auf Covid“, berichtet sie. Das klingt zunächst nach wenigen Betten, aber: „Wenn wir mehr Patienten bekommen, können wir Betten so umschieben, dass wir innerhalb von höchstens zwei Stunden 32 zusätzliche Betten zur Verfügung haben“, sagt Voigt.

Vier Covid-Patienten beatmet

Für die schweren Verläufe der Covid-Infektion gibt es derzeit auch auf der Intensivstation noch Platz. Dort stehen insgesamt 14 Betten zur Verfügung. Acht Patienten werden beatmet, vier davon wegen des Coronavirus. „Die Beatmungen wegen des Virus sind für uns wesentlich belastender“, so Dr. Voigt. Diese Patienten müssen immer wieder umgelagert werden, weil sie auf dem Bauch liegend beatmet werden. „Wenn die Lunge betroffen ist und beatmet wird, entlastet das Liegen auf dem Bauch das Organ“, erläutert Voigt. Das wiederum erfordere starken Einsatz der Pflegekräfte.

Es ist also noch Platz auf der Intensivstation. Zusätzlich werde das Gemeinschaftskrankenhaus am Montag noch zwei OP-Säle schließen, so dass das Personal dort freie Kapazitäten hat. Am Mittwoch hatte die Bezirksregierung Pläne bekannt gegeben, dass den stark betroffenen Bundesländern, wie beispielsweise Sachsen, Unterstützung gewährt werden soll. „Wir rechnen damit, dass wir noch aus anderen Kliniken Patienten bekommen“, meint Voigt. Das sei für sie in Ordnung. „Wir haben ja noch Glück. Auch bei unseren Mitarbeiter gibt es nur wenige Infizierte seit Beginn der Pandemie. Viele hatten im privaten Umfeld Kontakt mit positiv Getesteten und mussten deshalb in Quarantäne“, berichtet Dr. Voigt.

Einsamkeit quält die Patienten

Alles in allem sei man in Herdecke gut auf die Situation vorbereitet, dennoch mache sich die Ärztliche Direktorin Sorgen, nicht wegen der Versorgung im Krankenhaus, sondern wegen der Gesamtsituation. „Wenn wir mit schwerkranken Menschen sprechen, die uns dann erzählen, dass sie Weihnachten nicht zu ihren Familien können und wir dann unwillkürlich daran denken müssen, dass dies das letzte Weihnachtsfest für die Betroffenen sein kann, nimmt einen das schon mit. Die Einsamkeit quält die Patienten“, weiß Dr. Anette Voigt.

Doch bei all der Traurigkeit und bedrückenden Nachrichten, weiß die Ärztliche Direktorin auch Erfreuliches zu berichten. „Neun Monate nach dem ersten Lockdown haben wir viel mehr Geburten als sonst“, erzählt sie und lacht. Ob die wirklich mit dem Lockdown zu tun haben, weiß sie natürlich nicht. Bleibt abzuwarten, ob die Geburtenzahlen im September 2021 auch wieder ansteigen.