Herdecke. Der Ruhrverband saniert das Wehr am Hengsteysee. Zwischen Herdecke und Hagen bringt eine Firma die historische Nietentechnik auf modernen Stand.
Von 1926 bis 1933 errichtete der Ruhrverband mit dem Hengstey-, Harkort- und Baldeneysee drei Ruhrstauseen, die durch imposante Wehrwalzen aus Stahl eingestaut werden. Das Walzenwehr des 1929 eröffneten Hengsteysees war zur Bauzeit das europaweit größte seiner Art. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte ein Ingenieur der MAN Gustavsburg das Wehrwalzenprinzip entwickelt, das sich in den folgenden Jahrzehnten als gängige Bauweise für Absperrbauwerke von Staustufen durchsetzte. Entsprechend wird das fast 100-jährige Bauwerk jetzt für seine weitere Zukunft baulich fit gemacht.
Problem: Da die Schweißtechnik Ende der 1920er-Jahre noch nicht so ausgereift war, um Schweißverbindungen in der für Wehrverschlüsse erforderlichen Qualität herzustellen, wurden die Verbindungselemente genietet. Heutzutage wiederum beherrschen nur noch wenige Spezialfirmen diese Niettechnik und sind in der Lage, diese Stahlbauarbeiten auszuführen.
Unternehmen aus Sachsen-Anhalt
Die Arbeiten an der Walze III des Hengsteysees am Schiffswinkel in Herdecke gehen nun – nach rund einjähriger Bauzeit – dem Ende entgegen. Zunächst mussten Taucher einen so genannten Nadelverschluss setzen, um das Wehrfeld trockenzulegen. Anschließend wurde die rund 110 Tonnen schwere Walze auf einer Stahlkonstruktion abgelegt. Ein Unternehmen aus Sachsen-Anhalt hat den Auftrag zum Austausch schadhafter Stahlbauteile erhalten. Jedes einzelne Teil wird durch Abtrennen der vorhandenen Nieten von der Walzenkonstruktion gelöst, ein neues Teil eingepasst und mit der Walze vernietet. Insgesamt müssen auf diese Weise rund 4800 Nieten neu gesetzt werden.
Um die Stabilität der Walzenkonstruktion zu keinem Zeitpunkt zu gefährden, ist ein Austausch der Stahlbauteile im so genannten Pilgerschrittverfahren nötig, bei dem nur jedes zweite auszutauschende Tragelement herausgenommen und wieder eingesetzt wird. Erst danach erfolgt der Austausch der dazwischen liegenden Profile.
Da die Walzen schon bei kleineren Hochwasserereignissen von der Unterwasserseite her eingestaut werden, sind gerade die Innenprofile durch zurückbleibende Sedimente und Geschwemmsel permanenter Feuchtigkeit ausgesetzt. Daher wurden zur künftigen leichteren Reinigung zusätzlich zu den vergrößerten Mannlöchern Einstiegsöffnungen geschaffen, durch die das Betriebspersonal auch größere Materialmengen aus den Walzen entfernen kann.
Neue Kette aus Schmallenberg
Die Hub- und Rückhaltekette, mit der die Wehrwalze im Hochwasserfall zur Regelung der Abflussmengen aufgezogen und abgelassen werden kann, war nach mehr als 90 Betriebsjahren ebenfalls verschlissen. Die neue Kette wurde von einem Unternehmen aus Schmallenberg gefertigt und wird in den nächsten Tagen angeliefert.
Parallel zu den Stahlbauarbeiten wird der Beton in den Nischen der Wehrwalzen saniert. Mit dem Abschluss der Stahl- und Betonarbeiten rechnet der Ruhrverband im September 2020. Die Altbeschichtung war zu Beginn der Sanierung im Strahlverfahren entfernt worden. Nach Fertigstellung aller Stahlwasserbauarbeiten erhält die Walze III noch einen neuen Korrosionsschutz. Die Einhausung wird im Spätherbst 2020 abgebaut und die Walze dann in der neuen Farbe zu bestaunen sein.
Für das Frühjahr 2021 ist der Beginn der Sanierungsarbeiten an Walze II – also der zweiten Walze von der Hagener Seite aus gesehen – geplant. Die der Herdecker Seite des Hengsteysees nächstgelegene Walze IV war bereits in den Jahren 2017 und 2018 in gleicher Weise umfassend saniert worden.