Wetter. Mitte Juli 1931 fand auf dem Harkortsee eine Flugwoche statt. Damals startete und landete auch ein Wasserflugzeug auf dem See.

Von Freitag, dem 10. bis Mittwoch, den 15. Juli 1931, fand auf dem Harkortsee eine heute völlig vergessene Flugwoche statt. Es war das erste und bisher auch einzige Mal, dass auf dem erst in demselben Jahr aufgestauten See ein Wasserflugzeug startete und landete. Allerdings hatte es bereits drei Wochen vorher, am 22. Juni 1931, einen Probeflug gegeben, um festzustellen, ob sich der See zum Landen und Starten eines Wasserflugzeugs eigne.

Verschoben

Ursprünglich sollte die Flugwoche vom 3. bis 7. Juli 1931 stattfinden. Doch wegen eines Motorschadens des Wasserflugzeugs musste sie kurzfristig um eine Woche verschoben werden. Aber das sollte nicht das einzige Problem der Veranstaltung werden.

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Von wem die Anregung zu den Flugtagen auf dem Harkortsee ausging, lässt sich aus den im Stadtarchiv Wetter aufbewahrten Akten nicht ersehen. Möglicherweise hatte der Verkehrs- und Verschönerungsverein in Wetter, der darin eine ausgezeichnete Fremdenverkehrswerbung für Wetter sah, die Idee gehabt. Denkbar ist aber auch, dass der Veranstalter, die Flugdienst GmbH Berlin bzw. dessen Rhein-Flugdienst-Abteilung Köln, mit dem Vorschlag an die Stadt herangetreten ist.

Das Junkers Wasserflugzeug „Globetrotter“ mit  der Kennung D-833.
Das Junkers Wasserflugzeug „Globetrotter“ mit  der Kennung D-833. © Archiv Gerhard E. Sollbach

Die Fluggesellschaft führte nämlich seinerzeit vielerorts derartige Flugtage als Werbeveranstaltung für die Verkehrsluftfahrt durch, so z. B. in demselben Jahr und mit demselben Wasserflugzeug vom 11. bis 29. Oktober auf dem Neckar bei Neckargartach (heute ein Stadtteil von Heilbronn).

Junkers F 13

Das Wasserflugzeug, das am ersten Tag der Harkortsee-Flugwoche um 13.20 Uhr auf dem See landete und an dem Landungssteg festmachte, war eine Junkers F 13 mit der Kennung D-833 und dem Namen „Globetrotter“. Den Namen hatte sich die Maschine als Begleitflugzeug des Norddeutschen Lloyd Passagierdampfers „Columbus“ auf dessen Weltreise im Vorjahr erworben.

Zur Person

Der Gastautor Dr. Gerhard E. Sollbach aus Herdecke war bis zu seinem (Un-)Ruhestand Geschichtsprofessor am Historischen Institut der Technischen Universität Dortmund.

Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. die Sozial- und Kulturgeschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Sollbach ist Autor vieler Berichte zur Geschichte des heimischen Raums.

Die F 13 war das erfolgreichste und auf der ganzen Welt sowie in verschiedenen Ausführungen eingesetzte Flugzeug der Junkers Flugzeugwerke in Dessau. Als Passagierflugzeug bot es Platz für vier Passagiere und zwei Piloten. Bereits kurz nach der Landung des „Globetrotters“ begannen die Rundflüge, allerdings an diesem Tag nur für die zur Eröffnung der Harkortsee-Flugtage eingeladenen Behörden- und Pressevertreter auch aus den umliegenden Städten.

Eintrittsgeld

Kostenlos war die Flugwoche in Wetter aber nicht zu haben. Der Flugdienst Köln bestand darauf, dass ein Eintrittsgeld erhoben werde. Zu diesem Zweck zäunte man den Uferbereich in der Nähe des Landungsstegs großräumig ein und stellte an den drei Eingängen Kassenhäuschen auf. Dort hatte jeder, der das Wasserflugzeug und den Flugbetrieb aus der Nähe betrachten wollte, eine Eintrittskarte zu lösen, die auch nur für diesen Tag gültig war. Für Erwachsene kostete sie 50 Pfennige, für Kinder und Erwerbslose 20 Pfennige. Allerdings, ganz nahe kamen die Zuschauer nicht an das Flugzeug heran. Der vordere Bereich war gesondert abgezäunt und ausschließlich den Fluggästen vorbehalten. Rundflüge wurden täglich von 9 bis 19 Uhr angeboten und kosteten 9 Reichsmark zuzüglich einer Reichsmark an Steuern.

Große Erwartungen

Hinsichtlich der Finanzierung der Flugwoche hatte die Stadtverwaltung Wetter von Anfang an klargestellt, dass sie die Aktion zwar unterstützen wolle, jedoch keinen finanziellen Beitrag leisten und auch keinerlei Haftung für ein eventuell auftretendes Defizit übernehmen könne. Der Heimat- und Verschönerungsverein Wetter, der die Veranstaltung auch als ein Prestigeobjekt für sich betrachtete, erklärte sich bereit, die organisatorischen und praktischen Maßnahmen vor Ort und auch die Kosten dafür zu übernehmen.

Mit dem Rhein-Flugdienst war vereinbart worden, dass der Heimatverein dafür 20 Prozent der Eintrittsgelder erhalten sollte. Der Rhein-Flugdienst wie auch die Stadtverwaltung und der Verkehrsverein hatten große Erwartungen hinsichtlich des Besuchs der Flugtage, für die vor allem auswärts u. a. mit Zeitungsinseraten und großformatigen Plakaten geworben wurde. In einem Schreiben vom 24. Juni 1931 an den Bürgermeister der Stadt Wetter hatte der Leiter des Rhein-Flugdienstes Köln versichert, dass „auf Grund der langjährigen Erfahrung“ des von ihm geleiteten Unternehmens sowie der „idealen Lage“ des Harkortsees und der „äusserst guten“ Verkehrsverbindung nach Wetter an den beiden Spitzentagen der Flugwoche, nämlich am Samstag und Sonntag, sicher mit „mindestens 10.-15.000 Besuchern“ zu rechnen sei.

Schlecht besucht

Hinsichtlich der Rolle des Harkortsees als ein beliebtes Ausflugsziel und der guten Erreichbarkeit von Wetter mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Eisenbahn sowie Straßenbahn von Hagen über Herdecke) hatte der Leiter Recht, hinsichtlich der erwarteten Besucherzahl lag er aber völlig daneben. Wie die Wettersche Zeitung am Donnerstag, 16. Juli 1931, berichtete, waren die Flugtage mit Ausnahme des Sonntags „schlecht“ besucht gewesen. Lediglich etwa 100 Personen fanden sich an den übrigen Tagen jeweils ein. An Eintrittsgeldern wurden auch nur 804,55 Reichsmark eingenommen, obwohl man die Veranstaltung noch um einen Tag verlängert hatte. Demnach dürften sich schätzungsweise nur etwa 10-15 Prozent der von dem Leiter des Rhein-Flugdienstes vorhergesagten 10.-15.000 Besucher tatsächlich eingefunden haben.

Rundflug kostet Monatslohn

Nach der Feststellung des Reporters der Wetterschen Zeitung kehrten auch viele Besucher wieder um, als sie die Eintrittspreise sahen. Auch die Rundflüge wurden kaum in Anspruch genommen. Das ist nicht verwunderlich angesichts eines damaligen Monatslohns von etwa 200 Mark sowie der seinerzeit herrschenden Wirtschaftskrise und der immer mehr um sich greifenden Arbeitslosigkeit.

Für den Verkehrsverein waren die Flugtage dann auch ein Minusgeschäft, und er blieb auf einem Defizit sitzen. Der Reiz der „Gans mit Holzschuhen“, wie eine Schülerin aus Wetter das hellsilbrig glänzende Flugzeug mit den hölzernen Schwimmern genannt hatte, war für die vielen wirtschaftlich Schwachen nicht so groß gewesen, dass sie dafür einen Teil des dringend benötigten Familieneinkommens hergeben wollten.