Herdecke. Viel Diskussionsbedarf gab es in der jüngsten Ratssitzung. Die Fraktionen zeigten dabei deutlich, dass es gen Wahlkampf geht.

In Corona-Zeiten rücken viele zusammen, um die Krise möglichst gut zu meistern. In der Herdecker Politik klappt solch ein Schulterschluss nur gelegentlich. In der jüngsten Ratssitzung gab es mit Blick auf Finanzhilfen von Bund oder Land zwar auch einstimmige Beschlüsse, doch argumentierten die Fraktionen meist eher im Sinne der jeweiligen Partei auf nordrhein-westfälischer Ebene. Zudem tauchten auch mal Vorwürfe wie „Wahlkampf-Antrag“ auf. Daher ein differenzierter Blick auf die einzelnen Themen.

Einig waren sich alle Fraktionen beim Tagesordnungspunkt zur Corona-bedingten Aussetzung der Beiträge in Kindertagesstätten und bei Betreuungsangeboten (OGS, Halbtag, Tagespflege). Wie berichtet, hatte die Stadt Herdecke darauf im April und Mai verzichtet. Der weitere Verzicht für Juni und Juli 2020 steht laut Dringlichkeitsbeschluss aber „unter dem Vorbehalt, dass weiterhin die Betreuungsangebote durch die Eltern bzw. Kinder nicht wahrgenommen werden können und dass das Land NRW sich mit mindestens 50 Prozent an den Beitragsausfällen beteiligt“. Jan Schaberick von der SPD ergänzte das mit dem Appell, dass die Landesregierung vollumfänglich die Kosten tragen und somit die gebeutelten Kommunen entlasten soll.

Diesen Aspekt hatten die Sozialdemokraten auch in einem weiteren Antrag aufgegriffen. SPD-Fraktionsvorsitzender Schaberick äußerte einleitend die Hoffnung, dass es angesichts der Not im städtischen Haushalt weitere Rettungsschirme gebe und sich alle Herdecker Politiker dem anschließen. Doch Harald Müller von der CDU kritisierte diesen Appell, zumal das Land Nordrhein-Westfalen doch nicht alle Corona-Kosten für die Kommunen übernehmen könne. Er wolle vielmehr ein Dankeschön nach Düsseldorf richten, da dort die schwarz-gelbe Koalition partnerschaftlich mit den Kommunen die Krise bekämpfe. In dem Sinne ergänzte das Wilhelm Huck von der FDP: „Ja, wir brauchen hier Unterstützung, aber doch nicht vollumfänglich. Auch wir stehen in der Verantwortung.“

Starker Widerspruch

Das rief nicht nur Widerspruch seitens der SPD hervor. Sowohl Andreas Disselnkötter von den Grünen, Dieter Kempka von den Linken als auch Jens Plümpe von der Unabhängigen Wählergemeinschaft betonten die Not der Städte. „Offensichtlich ist doch auf einmal Geld da, wo vorher keines war. Und wer am lautesten schreit wie jetzt zum Beispiel die Automobilindustrie, bekommt wohl auch etwas. Daher sollten wir das auch für die Kommunen fordern“, so Plümpe. Mit den Gegenstimmen aus den Reihen der CDU und FDP fand der Appell zur hundertprozentigen Kostenerstattung (OGS, Halbtag, KiTa, Tagespflege, etc.) durch das Land NRW mit einem Votum von 19:11 bei einer Enthaltung schließlich eine Mehrheit.

Ähnlich kontrovers diskutierten die hiesigen Politiker über den SPD-Antrag zur Verabschiedung einer „Herdecker Erklärung“ in Richtung Bund und Land. In Anlehnung an den kürzlich verabschiedeten „Gevelsberger Appell“ wolle seine Fraktion die heimische Gastronomie stärken und fordere daher einen zweiten wirkungsvollen Rettungsschirm („inklusive bundesweiter Solidarität“) speziell für dieses Gewerbe, erklärte Jan Schaberick und hoffte erneut auf ein gemeinsames Vorgehen aller Politiker. Während Sarah Rosa Gerigk von den Grünen die Bedeutung dieser mitunter kleinen Betriebe in der Ruhrstadt hervorhob, signalisierte auch die FDP grünes Licht zum SPD-Papier im Sinne der gebeutelten Wirte. Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster wolle dem ebenfalls zustimmen, falls aus der Gaststätten-Bezeichnung „systemrelevant“ die Einstufung „wichtig“ wird.

Keinen einzelnen Gewerbezweig hervorheben

Nur die CDU warnte zunächst, angesichts der allgemeinen und vielfältigen Corona-Not jetzt einen Gewerbezweig hervorzuheben. „Wir sollten lieber abwarten, was durch die zahlreich in Aussicht gestellte Hilfe von Bund und Land fruchtet. Wenn das nicht reicht, können wir immer noch aktiv werden“, sagte Fraktionsvorsitzender Heinz Rohleder. Und erntete von allen Seiten Widerspruch. Nadja Büteführ von der SPD meinte, dass „wir nicht abwarten können. Es geht schließlich um Existenzen.“ Dem pflichtete Iris Stalzer von der Wählergemeinschaft bei, da die Gastronomen im Gegensatz zu anderen Branchen die entgangenen Einnahmen nicht mehr nachträglich ‘reinholen können. Nach einer Sitzungsunterbrechung sowie interner Beratung änderte die CDU ihre ablehnende Haltung und stimmte mit allen anderen Fraktionen doch der „Herdecker Erklärung“ zu. Zugleich ließen die Christdemokraten im Protokoll vermerken, dass „man weitere Kleinunternehmen hier vor Ort nicht aus den Augen verlieren darf“.