Herdecke. Sänger Helmut Wockelmann von der Oldieband „Die Grafen“ hat eine ganze besondere Beziehung zu Herdecke. Das verrät er im Interview der Woche.
Fast sechs Jahrzehnte ist es her, dass „Die Grafen“ erstmals auf die Bühne kletterten. Anfangs standen die Songs, die sie nachgespielt haben, noch in der Hit-Parade. Heute sind Oldies daraus geworden. Und obwohl die Bandmitglieder meist aus Iserlohn oder Hagen kamen, gibt es ganz viele Bezüge zu Herdecke. Nicht nur, dass der Vater des jetzigen Ober-Grafen Helmut Wockelmann bei Habig in der Stoffveredelung beschäftigt war -- Wockelmanns musikalische Anfänge fanden im Keller eines Herdecker Privathauses statt.
Was steht eigentlich höher in der adeligen Hierarchie - ein Lord oder ein Graf?
Helmut Wockelmann: Ich glaube, der Lord war eine Nummer größer.
Haben die Lords, die deutsche Beatband der sechziger Jahre, etwas mit dem Namen der Grafen zu tun?
Das war die gleiche Zeit, und wir haben damals sehr häufig mit den Lords zusammen gespielt, für manche als „die Sauerländer Antwort auf die Lords“.
Warum ist auch heute noch ein Auftritt der Grafen, die ja überwiegend aus dem Raum Iserlohn kommen, in Herdecke immer noch eine Art Heimspiel?
Das kommt aus meiner Schulzeit. Lothar Scheffler hier aus Herdecke war in meiner Parallelklasse der Privatschule Dr. Hamecke in Hagen. In den Pausen kamen wir ins Gespräch, über Musik, die Beatles. Die Frage war: Wollen wir nicht auch eine Beatband gründen? Mit der Gitarre bin ich dann nach Herdecke gekommen. Meinen alten Schulfreund Claus Brune, damals noch Haspe, heute Herdecke, haben wir dann auch noch dazu genommen. Im Keller von Schefflers am Gerhart-Hauptmann-Weg haben wir dann geprobt. Die Eltern haben uns den Keller frei gemacht. Die waren froh, dass wir von der Straße waren, dass wir zuhause waren. Da hatten sie den Jungen im Blick. Ich kann heute noch nicht begreifen, dass sie dafür den Krach ausgehalten haben. Die ersten Auftrittsorte waren dann der Ruderclub oder in der „Veste“ an der Vestestraße, auch im Schiffswinkel oder für die Stadt.
Die Grafen waren da vor vielen Beatbands, und es gibt sie noch nach vielen Bands, die längst schon wieder auseinander gegangen sind. Warum haben sich die Grafen halten können?
Sie wurden 1963 in Letmathe gegründet. Nach zwei Jahren ist das erst mal eingeschlafen. Die Grafen hatten sich aber schnell einen guten Namen gemacht. 1986 wurden sie dann von der Beat-Oldie-Welle erfasst, und sie sind wieder neu zusammen gekommen. Plötzlich war eine Nachfrage da, auch die Engländer wie die Tremeloes oder Dave, Dee & Marmalade kamen wieder rüber. 1986 gab’s in Iserlohn auch erstmals eine große Veranstaltung mit dem Namen „Als Papa noch ein Beatle war“. Als der eigentliche Bandgründer der Grafen ausgestiegen ist, habe ich das dann übernommen.
Es gab jetzt gerade einen Auftritt im Zweibrücker Hof...
Das war jetzt das dritte Mal. Es ist verblüffend, wie viele Erinnerungen dabei aufgewärmt werden. Dieses Jahr was das extrem, aber auch mit einem neuen Publikum aus der ganzen Region. Und wir merken: Es gibt Bedarf. Viele wollen nicht nur auf den Tod warten zuhause, sondern die wollen mal wieder raus. Musikalisch sind wir dabei bewusst in den Sechzigern geblieben. Und die Devise der letzten Jahre ist ganz klar: Zurück in die alte Beat-Zeit.
Zeigt die Rückkehr zu den Wurzeln, dass Sie mit den aktuellen Hits nicht mehr warm werden?
Das ist es ganz bestimmt nicht. Die Leute erwarten von uns einfach diese Musik der Sechziger. Gewünscht sind die alten Nummern. Unser Publikum will nichts Modernes. Und wenn ich mir vorstelle, ich sollte Hip-Hop machen, käme ich mir auch ein wenig dösig vor.
Und Ihr persönlicher Musikgeschmack?
Privat mag ich sehr viele verschiedene Musikrichtungen. In den Siebzigern waren Chicago oder die Little River Band oder die Eagles meine Musik. Und ich höre mir auch manche Schlager gerne an.
Wie viele Frauen haben bisher bei den Grafen mitgemischt? Gab es Gräfinnen auf der Bühne?
Nein, absolut nie. Ich habe so viele Bands erlebt, die Frauen dabei hatten. Und es ist immer nur im Streit geendet. Es gab immer nur Unruhe. Wir dagegen haben so viel Ruhe und Harmonie in der Band.
Seit vielen Jahren ist die Popmusik zu einem großen Teil weiblich. Ist es da nicht schade, wenn man Songs von Tina Turner oder Madonna nicht nachspielen kann?
In der Zeit, in der unsere Musik spielt, waren keine Frauen. Wir machen allerdings auch einige Soul-Stücke, die es auch von Aretha Franklin oder Diana Ross gibt. So können wir doch von jedem ein bisschen was machen. Aber mit Frauen so direkt hatten wir es eigentlich nie.