Volmarstein/Ennepe-Ruhr. Kann man sein behindertes Kind als Erben einsetzen? Diese Frage treibt viele betroffene Eltern um. Eine Beratungsstelle des Kreises hilft.
Was passiert mit meinem Kind, wenn ich einmal nicht mehr da bin? Können wir unserem behinderten Kind etwas vererben? Das sind Fragen, die viele Eltern umtreiben, deren Kind eine Behinderung hat. Das weiß auch Pfarrer Jürgen Dittrich, Theologischer Vorstand der Evangelischen Stiftung Volmarstein.
„Das Vererben zugunsten von Menschen mit Behinderung ist auch in der Evangelischen Stiftung Volmarstein ein Thema“, so Jürgen Dittrich. „Eltern von Kindern mit Behinderung, insbesondere dann, wenn sie auch sehr alt sind, fragen uns und bitten zum Teil um Unterstützung. Wir haben in der Stiftung in der Vergangenheit bereits Informationsabende zu dem Thema durchgeführt und planen eine solche Veranstaltung auch in diesem Jahr.“
Viele Vorbehalte
Der ESV-Vorstand kennt auch die Vorbehalte bzw. Befürchtungen mancher Eltern, dass möglicherweise das Amt das ganze Vermögen bekommt. Und auch die Frage, ob genau das verhindert werden kann. Jürgen Dittrich erklärt: „Ein behindertes Kind hat – wie nichtbehinderte Kinder auch – einen gesetzlichen Erbanspruch. Die gesetzlichen Regelungen sehen dabei zumindest den Pflichtteilsanspruch des Kindes mit Behinderung vor, sofern hier durch die Eltern keine Regelung getroffen worden ist.“
Sozialleistungen aus Erbe bezahlen
Eine fehlende Regelung der Eltern könne immer dann zu Ergebnissen führen, die von den Beteiligten als nicht gerecht empfunden werden, wenn ein Kind mit Behinderung Sozialleistungen erhalte. Dittrich: „Da diese Leistungen – in der Regel – einkommens- und vermögensabhängig sind, führt die Erbschaft zu der Verpflichtung, die Sozialleistungen zunächst aus dem Erbe bezahlen. Diese gesetzlichen Vorgaben lassen den Eltern des behinderten Kindes den Eindruck vermitteln, dass das Erbe nicht ihrem Kind, sondern dem Sozialhilfeträger zugute kommt.“
„Behindertentestament“
Im Hinblick auf diese Problematik verweise die Evangelische Stiftung auf eine notarielle Beratung, so dass durch ein sogenanntes „Behindertentestament“ eine interessengerechte Regelung gefunden werden könne. Zudem weise die Stiftung im Rahmen der Errichtung des „Behindertentestaments“ darauf hin, dass sowohl für den Tod des ersten als auch für den Tod des zweiten Elternteils eine Regelung zugunsten des Kindes mit Behinderung getroffen werden müsse. Pfarrer Dittrich: „Dabei ist zu beachten, dass das Kind mit Behinderung auf keinen Fall enterbt oder mit einer Erbquote bedacht werden darf, die Pflichtteilsansprüche entstehen lassen würde, da hierdurch der bereits geschilderte Fall der Erlangung von Vermögen eintreten würde. Dieses Vermögen müsste dann zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet werden.“
Die Ausgestaltung des „Behindertentestaments“ muss eine individuelle Beratung als Grundlage haben, so Dittrich. Aus diesem Grund finde nun eine Veranstaltung der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (kurz EUTB) des Ennepe-Ruhr-Kreises in Witten am 30. Januar in Form eines Infoabends statt.
Zur Erklärung: Die EUTB ist ein Beratungsangebot, das ab Januar 2018 in Deutschland bundesweit eingeführt wurde. Entstanden ist es aus dem Rechtsanspruch, der sich aus dem Bundesteilhabegesetz (kurz BTHG) ergibt. Im EN-Kreis gibt es das Beratungsangebot seit April 2018. Die drei Beraterinnen haben ihren Dienstsitz in Witten; sie sind kreisweit zuständig.
Drei Beraterinnen
„Wir als EUTB möchten neben der alltäglichen Beratungstätigkeit auch über verschiedene Themen rund um Behinderung interessierte Bürger im Kreis informieren“, sagt Petra Schlicht, eine der drei Beraterinnen. „Es ist wichtig, dass Menschen mit Beeinträchtigung und ihre Angehörigen über ihre Rechte und Ansprüche aufgeklärt werden.“ Denn: „Nur wer gut informiert ist, kann eine für sich gute Entscheidung treffen,“ ergänzt sie. Ziel der EUTB ist es, Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen zu erfassen und individuell passende Unterstützungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Über Rechte, Leistungen, Ansprechpersonen und Verfahrensprozesse werden Betroffene umfangreich aufgeklärt. Ratsuchende können sich bereits vor der Beantragung von Leistungen beraten lassen – kostenlos übrigens.
Neben der Unabhängigkeit gibt es eine weitere Besonderheit der Beratungsstelle: „Wir bieten Peer-Beratung, also Beratung von Betroffene für Betroffene an“, sagt Fachkraft Patricia Augustin. Sie und die beiden weiteren Mitarbeiterinnen sind entweder selber von einer Behinderung betroffen oder haben Angehörige mit einer Behinderung. Dadurch können sie eigene Erfahrungen in ihre Arbeit einfließen lassen.
In Kürze
Die EUTB im Ennepe-Ruhr-Kreis hat ihren Sitz an der Dortmunder Str. 13 in Witten. Kontakt: Tel: 02302- 27 85 520 und 02302- 42 15 23 oder per Mail an teilhabeberatung-enneperuhr@paritaet-nrw.org
Mehr Infos unter www.teilhabeberatung-enneperuhr.de
Sprechzeiten: montags 10-12 Uhr, mittwochs 15-18 Uhr, donnerstags 10-14 Uhr und nach Vereinbarung sowie jeden 2. Montag im Monat in Hattingen (KISS), Kirchplatz 19, und jeden 2. Dienstag im Monat in Gevelsberg (KISS), Kölner Str. 25.
Die Mitarbeiterin in der Außensprechstunde kann per Handy kontaktiert werden: 0173-4602980.
Der Informationsabend der EUTB findet am Donnerstag, 30. Januar, um 19 Uhr in der Kreisgruppe des Paritätischen NRW, Annenstraße 137, in Witten statt. Anmeldungen per E-Mail an teilhabeberatung-enneperuhr@paritaet-nrw.org oder unter Telefon 02302-27 85 520. Referent des Abends ist Dr. Dieter König, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Vereins Lebenshilfe Witten e.V..