Herdecke. Esther Bühmann aus Herdecke ist eine der wenigen Tätowiererinnen Deutschlands, die bei Krebspatientinnen Brustwarzen rekonstruieren.

Schockdiagnose Brustkrebs – für viele Frauen bedeutet es, dass eine Brust, schlimmstenfalls sogar beide Brüste amputiert werden müssen. Eine schwere Zeit für die Frauen, und selbst nach einer erfolgreich abgeschlossenen Therapie kann der Weg zurück in ein glückliches Leben lang und steinig sein. Denn auch wenn auf die Operation in einigen Fällen ein Wiederaufbau der Brust folgt, wird dabei oft auf die Rekonstruktion der Brustwarze verzichtet. Einige Frauen leiden besonders stark unter dieser Situation. Das weiß auch Esther Bühmann aus Herdecke. Seit fast einem Jahr rekonstruiert die Tätowiererin in ihrem Studio „Zum Buntspecht“ Brustwarzen. Bis zu fünf Anfragen im Monat habe sie bereits. Sie ist damit eine von elf Tätowierern im deutschsprachigen Raum, die der GmbH von Star-Tätowierer Andy Engel angehören.

Zwischen Schönheit und Emotionen

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Auch heute noch erinnert sich die 32-Jährige an den Tag, als sie einer Kundin einen Schmetterling auf die Stelle stach, an der sich einst die Brustwarze befand. „Das ist Jahre her. Sie hatte gerade den Krebs besiegt. Da habe ich zum ersten Mal gesehen, wie es ist, wenn eine Frau keine Brustwarze mehr hat“, sagt sie. Und auch sonst habe sie sich in der Vergangenheit des Öfteren Gedanken über ihren Beruf gemacht. „Es ist ein sehr ambivalenter Job. Es gibt Episoden, in denen wir Tätowierer im Sinne der Ästhetik und Schönheit arbeiten, und es gibt Momente, die emotional bedeutungsvoll sind. Gerade dann, wenn sich ein Kunde eine Erinnerung an einen geliebten Menschen oder an ein verstorbenes Haustier stechen lässt.“

Ausbildung bei Star-Tätowierer

Momente, in denen auch Esther Bühmann die Tränen kommen, wenn am Ende das Ergebnis im Spiegel betrachtet wird. „Doch leider ist es immer immer noch so, dass unserem Beruf nur selten Bedeutung geschenkt wird. Ich wollte ein Rädchen in der Gesellschaft sein und etwas Sinnvolles leisten.“ So kommt es, dass die 32-Jährige im Internet nach Brustwarzen-Rekonstruktionen googelt. „Schnell kam ich auf die Seite von Andy Engel und sah, dass er solche Arbeiten anbietet.“ Sie schreibt ihm eine E-Mail, und wie es der Zufall will, ist der Tätowierer gerade dabei, ein Team zusammenzustellen, das sich um die Brustwarzen-Rekonstruktion kümmert.

So sehen rekonstruierte Brustwarzen auf Kunsthaut aus.  
So sehen rekonstruierte Brustwarzen auf Kunsthaut aus.   © Ramona Richter | Ramona Richter

„Er schaute sich zunächst mein Studio, meine Arbeiten und mich als Person genauer an. Es ist wichtig, dass die Studios nicht abschreckend wirken und mit Totenköpfen oder sonstigem zugestellt sind. Denn die Frauen, die diese Arbeit in Anspruch nehmen, kommen nur selten freiwillig in ein Tattoo-Studio“, sagt Esther Bühmann, die kurz darauf in die Ausbildung bei Engel geht. Auch sei es wichtig, dass die Tätowierer fotorealistisch arbeiten können. Für Bühmann, die aus dem Bereich Illustration kommt, kein Problem. „Das größere Problem bei der Brustwarzen-Rekonstruktion ist für mich der ganze Papierkram wie Datenschutz, Krankenkassenanträge und Patientenakten.“

Gesondertes Arbeitsmaterial

Und noch etwas ist bei einer Brustwarzen-Rekonstruktion anders, als bei herkömmlichen Tattoos. „Wir bekommen für jede Patientin ein gesondertes Arbeitsmaterial“, sagt sie und deutet auf einen großen, weißen Karton. Darin befinden sich unter anderem einzelne, winzige sterile Farbkappen, steriles Wasser, mehrere Einwegnadeln, Becher und vieles mehr. „Das ist ein riesen Aufwand, den wir hier betreiben. Normalerweise haben wir große Farbflaschen.“ Jeder Karton habe eine eigene Chargennummern, und die Tätowierer arbeiten alle nach einer neuen Hygiene-Norm.

Idee stammt von Ärzten

Das sei besonders wichtig, damit die Leistungen von den Krankenkassen übernommen werden – und das sei meistens auch der Fall. „Immerhin handelt es sich hierbei nicht um einen ästhetischen Eingriff. Die Idee, die Brustwarzen zu pigmentieren, kam auch nicht von uns Tätowierern, sondern von Ärzten und Chirurgen“, so Esther Bühmann. Eine Rekonstruktion dauere inklusive dem Aufzeichnen und der Gespräche in der Regel zwei bis drei Stunden. Die Kosten würden dabei variieren. „Es kommt auch immer darauf an, was genau gemacht werden muss und wie gut die Haut nach der Chemo die Farbe annimmt. Das ist von Frau zu Frau unterschiedlich“, so Bühmann. Was aber bei jeder Frau gleich ist – ist die Garantie. Auf der Internetseite der Andy Engel GmbH heißt es dazu: „Wir geben eine lebenslange Garantie auf pigmentierte Brustwarzen und behandeln kostenfrei nach, bis die Patientin zufrieden ist. Jede Frau, die eine solche Krankheit erlebt und überlebt hat, hat das Recht darauf, sich wieder ganz zu fühlen.“

Nur elf Tätowierer

Nur insgesamt elf Tätowierer in Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeiten in der GmbH und rekonstruieren die Brustwarzen in den Städten Hamburg, Berlin, Gronau, Essen, Herdecke, Solingen, Butzbach, Marksteft, Großbottwar, Deggendorf, Reinbach, Bern, und Salzburg.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.med_bwk.de.