Ennepe-Ruhr. Heimische Bauern beklagen eine aus der Trockenheit resultierende Futternot. Und sie vermissen die Unterstützung durch die Politik.
„Trockenheit, vernichtende politische Planungen und Bauern, die aus Existenznot auf die Straße gehen - 2019 wird uns Bauern in Erinnerung bleiben“, sagt Dirk Kalthaus, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ennepe-Ruhr/Hagen.
Auch, wenn die Witterung der letzten Wochen kaum noch an die Sommertrockenheit erinnere, für viele Bauern sei sie sehr präsent, denn das Futter für die Tiere sei knapp und müsse teuer zugekauft werden, sagt Kalthaus. „Die Vegetationsperiode war im Jahr 2019 von – in der Region zwar lokal unterschiedlich hohen – insgesamt aber deutlich zu geringen Niederschlägen geprägt“, sagt der Landwirt. Die Bodenfeuchten seien extrem niedrig gewesen, vielfach so gering wie noch nie seit Beginn der Messungen im Jahr 1961. Auf dem Grünland sei nach dem zweiten Grasschnitt kaum noch etwas nachgewachsen und auch der Mais habe deutlich geringere Erträge gebracht. Die knappe Futtersituation treffe die Landwirte deshalb besonders hart, weil sie im zweiten Jahr in Folge da sei und so im Frühjahr keine Futterreserven aus dem letzten Jahr auf den Höfen vorrätig gewesen seien. „Das ist für unsere Region, die stark von der Rinderhaltung lebt, ein großes Problem“, so der Milchkuhhalter. Die Milchpreise seien zwar in Ordnung, aber durch die teuren Futterzukäufe sei die wirtschaftliche Situation in den Familien, die von den Milchkühen lebten, sehr angespannt.
Unterschiedliche Ernten
„2019 zeigte uns erneut, wie abhängig wir von der Natur sind“, so der Landwirt. Auch alle anderen Früchte, wie Gerste, Raps, Weizen oder Kartoffeln hätten im Ennepe-Ruhr-Kreis und Hagen unter der Trockenheit gelitten. Allerdings wären die Ernteergebnisse, bedingt durch Bodenverhältnisse und lokale Witterung sehr unterschiedlich ausgefallen, sagt der Vorsitzende beim Blick zurück.
Mehr noch als das Wetter habe die Landwirte in 2019 die Politik getroffen. „Wir haben den Eindruck bei politischen Entscheidungen die Sündenbockfunktion einzunehmen“, sagt Kalthaus. Viele Auflagen, die nicht auf fachlicher, sondern auf rein politischer Ebene entstünden, seien auf die Landwirtschaft eingeprasselt. Das Fass zum Überlaufen gebracht hätten bei den Bauern die Entwürfe zur Düngeverordnung und das Agrarpaket, das Umweltministerin Svenja Schulze und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner Anfang September vorgestellt hätten.
Treckerdemos organisiert
Innerhalb kurzer Zeit hätten sich Bauern und Bäuerinnen als „Land schafft Verbindung“ über soziale Medien vernetzt und Treckerdemos organisiert, auch im Ennepe-Ruhr-Kreis und in Hagen. „Die pure Existenznot hat besonders unsere jungen Leute auf die Straße getrieben“, sagt Kalthaus und führt weiter aus: „Mit viel Liebe zur Landwirtschaft, einem hohen Maß an Engagement und einer guten fundierten Ausbildung sind diese Menschen gerade erst auf unseren Höfen gestartet.“ Für teure Investitionen bräuchten sie Planungssicherheit, um langfristig Perspektiven zu haben und ihre Familien ernähren zu können. Besonders kleine und mittlere Höfe, die die Auflagen finanziell nicht stemmen könnten würden so aus der Landwirtschaft gedrängt. „Wer auf der einen Seite die Märkte immer weiter öffnet und auf der anderen Seite die Auflagen so hoch schraubt, dass wir auf dem Weltmarkt überhaupt nicht mehr wettbewerbsfähig sind, der muss sich nicht wundern, wenn ein Hof nach dem anderen aufgeben muss“, sagt Kalthaus.
Massives Baumsterben
Mehr noch als die Milchbauern seien die Waldbauern im Ennepe-Ruhr-Kreis und Hagen in diesem Jahr gebeutelt, betont Dirk Kalthaus in seinem Blick zurück.
Trockenheit und Borkenkäfer führten zu einem massiven Baumsterben in der Region. „Hier im Sauerland war der Wald immer die Sparkasse des Bauern. Die Reserven auf diesem Konto sind nun dahin“, sagt Kalthaus.
„Es geht nicht darum, dass wir Landwirte nichts verändern wollen. Auch wir müssen uns, wie alle Wirtschaftsbereiche, neuen Herausforderungen stellen“, sagt der Landwirtevorsitzende. Es gebe viele Bestrebungen innerhalb der Landwirtschaft zum Insekten-, Klima- und Umweltschutz sowie zum Tierwohl. „Wir vermissen bei unserem Engagement die Unterstützung der Politik“, sagt Kalthaus. Anstelle dessen gebe es permanent neue Auflagen, die nicht zu stemmen seien und deren Erfolg aus fachlicher Sicht mehr als fraglich sei. „Auflagen werden fast ausschließlich auf Kosten der Landwirtschaft gemacht, da die geringe Anzahl an Bauernfamilien, die es noch gibt, als Wählerklientel nicht mehr die Rolle spielt“, sagt er.
Frage nach der Zukunft
„Gerade wir hier im Ennepe-Ruhr-Kreis und Hagen mit unseren kleinen und mittleren durch das Mittelgebirge geprägten Höfen, fragen uns, wie viele von uns auch im neuen Jahrzehnt noch eine Zukunft haben“, sagt Landwirtevorsitzender Dirk Kalthaus.