Wengern. . „Wir haben die beste Botschaft der Welt“: Superintendentin Julia Holtz will bei der Zukunft der Kirche nicht nur auf Zahlen schauen.
120 Jahre Posaunenchor in Wengern, 125 Jahre Kirchengemeinde Bommern -- letztes Jahr gab es viel zu feiern im Kirchenkreis Hattingen-Witten, zu dem auch Wengern zählt. Sind das Zeichen, dass alles (weiter) gut läuft in der evangelischen Kirche? Ein Gespräch mit Superintendentin Julia Holtz.
Wo sehen Sie die Kirchengemeinden aktuell?
Julia Holtz: Zunächst einmal erlebe ich viele aktive Gemeinden, die mit ganz unterschiedlichen Angeboten auf Menschen verschiedener Generationen zugehen, von der Kinderbibelwoche und der Jugendfreizeit über den Gospelchor bis zum Seniorennachmittag. Dabei haben fast alle mit rückläufigen Gemeindegliederzahlen zu kämpfen. Auch wenn der klassische Gottesdienst am Sonntagmorgen vielerorts nicht das Format ist, das die Massen anlockt, sind die besonderen Events wie Tauffeste, Erntedankfeste oder Gottesdienste an besonderen Orten nach wie vor sehr gefragt.
Wie geht es weiter?
Natürlich müssen wir uns mit der Tatsache auseinandersetzen, dass sowohl die Zahl der Gemeindeglieder als auch die der Pfarrerinnen und Pfarrer rapide sinken wird. Deshalb ist es wichtig, von unserem Auftrag her zu denken und nicht allein auf die Zahlen zu starren. Jesus hat seine Jünger in die Welt geschickt, um das Evangelium zu den Menschen zu bringen und sie in seine Nachfolge zu rufen. Jesus hat nicht gesagt: „Gründet überall Ortsvereine mit Vereinsheim und regelmäßigen Mitgliedertreffen.“
Wie groß wird der Pfarrermangel werden?
Julia Holtz
Alter: 57 Jahre
Herkunft: Kindheit und Jugend in Wilhelmshaven
Familienstand: verheiratet, ein erwachsener Sohn
Berufliche Stationen: Bevor sie vor zweieinhalb Jahren Superintendentin wurde, war sie 21 Jahre lang Gemeindepfarrerin in der Wittener Innenstadt. Das Vikariat hat sie in Gütersloh gemacht, danach war sie zwei Jahre an der landeskirchlichen Arbeitsstelle für Gottesdienst und Kirchenmusik.
Hobbies: Schwimmen, Kochen und Natur.
Im Augenblick müssen wir davon ausgehen, dass die Zahl der Hauptamtlichen in den nächsten Jahren um zirka 30 Prozent abnimmt und dass Pfarrerinnen und Pfarrer in der gesamten Landeskirche zur Mangelware werden. Deshalb ist es wichtig, junge Menschen für kirchliche Berufe zu begeistern. Der Beruf des Diakons oder der Pfarrerin bietet nicht nur einen sicheren Arbeitsplatz, sondern eine zutiefst sinnstiftende Aufgabe, mit der man sich identifizieren kann.
Viele Gemeinden stehen vor dem Dilemma, dass die sogenannten Kernaufgaben wie der Sonntagsgottesdienst, Taufen, Trauungen und Beerdigungen, Konfirmandenunterricht und geistliche Angebote in den Kitas und Altenheimen sowie die Verwaltung und das Gebäudemanagement so viele Kräfte binden, dass oft zu wenig Kapazität für Kreativität und neue Wege bleibt.
Wie kommen Sie aus diesem Dilemma?
Wir haben nach wie vor die beste Botschaft der Welt, und es ist unser Auftrag, sie verständlich und mit zeitgemäßen Methoden zu kommunizieren. Ich finde es daher besonders ermutigend, dass inhaltliche Glaubensvermittlung und Glaubensstärkung in vielen Gemeinden in die Fokus gerückt ist. Mehrere Gemeinden haben im vergangenen Jahr Glaubenskurse angeboten, zum Teil mehrsprachig, Farsi und Deutsch, zum Teil ökumenisch. Wenn Menschen sich für das Evangelium begeistern lassen, dann hat die Kirche auch eine Zukunft.
Haben Sie heute schon eine Idee, wie die evangelische Kirche in 30 Jahren aussieht?
Ehrlich gesagt, nein. Vieles wird sich ändern, aber ich bin sicher, dass die Kirche Jesu Christi weiter bestehen wird. Wir werden wahrscheinlich nicht mehr an jedem Standort das volle Angebot vom Kindergottesdienst bis zum Seniorenkreis von beiden Konfessionen vorhalten können. Aber ich bin zuversichtlich, dass der Heilige Geist uns neue Wege führen wird. Dabei werden Kooperation, Ökumene und gegenseitige Wertschätzung Schlüsselbegriffe werden.
Sie gehen zum Kirchentag nach Dortmund?
Auf den Kirchentag gehe ich seit 1979 (Nürnberg) relativ regelmäßig. Ein paar Jahre habe ich in den Tagen allerdings den Dienst in der Gemeinde übernommen und es dem Kollegen überlassen, mit der Jugendgruppe auf Isomatten in einer Schule zu schlafen. Aber in Dortmund bin ich natürlich aktiv dabei.