Wetter/Herdecke. . 100 Tonnen Essensreste fallen pro Jahr in der Ev. Stiftung Volmarstein an. Die Großküche Rebional in Ende hat „Nassmüll“ jetzt den Kampf angesagt.

In großen Küchen bleibt viel übrig. Wo geht es hin, das Essen, das über Bedarf gekocht oder auf dem Teller zurück gelassen wurde? Etwa 100 Tonnen im Jahr sind es allein bei den Küchen der Evangelischen Stiftung Volmar­stein (ESV). Dass es mehrere Küchen sind, ist bereits ein Beitrag, den Überschuss gering zu halten. Auch bei Rebional, der Bio-Großküche neben dem Gemeinschaftskrankenhaus in Ende, wird viel dafür getan, dass Lebensmittel vom Klinikpersonal nicht unnötig in die Tonne geklopft werden müssen.

270.000 bis 300.000 Essen geben die Küchen der ESV im Jahr aus. 2018 haben sich die Reste auf 100 Tonnen Küchen- und Speiseabfälle summiert. Ein zertifizierter Entsorger hole die Essensreste ab, damit sie in einer Biogasanlage verwertet werden können, erklärt Thomas Urban von der Pressestelle der ESV.

Hunger ist oft größer als der Magen

Zunächst einmal soll gar nicht mehr gekocht werden als nachher gebraucht wird. „Wir liefern in die einzelnen Abteilungen zielgruppenabhängige Portionsgrößen und gehen auf persönliche Bedürfnisse ein“, sagt Urban, „bei einer Veränderung der Kunden-Zahl ist eine schnelle Reaktion möglich.“ Die EDV hilft dabei. Wird ein Patient entlassen, hält das System das fest. Unnötige Portionen werden vermieden.

WP-Serie und nachhaltige Facebookgruppe

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Im Zentrum stehen Selbsttests, die die Reporter in die Welt ökologischen Denkens und Handelns versetzen. Es sollen Erfahrungsberichte entstehen, die nicht mit erhobenem Zeigefinger formuliert sind, sondern viel eher das Recht zu scheitern beinhalten.

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In den Kliniken der ESV bestellen die Patienten das Essen selbst. Wer mal im Krankenhaus gewesen ist, kennt die Fragen nach den Wünschen für Frühstück, Mittagessen und Abendbrot. Der Hunger ist aber schwer einzuschätzen. Selbst wenn die Beilage oder das Menü gewünscht war, Reste bleiben fast immer. Zu den Resten gehört auch ein Joghurtbecher, selbst wenn er vom Patienten nicht angerührt worden ist. „Wenn er ausgegeben wurde, muss ein Joghurtbecher vernichtet werden“, verweist die Pressestelle auf die Vorgaben, „dies gilt für alle Speisen, die einmal beim Kunden, Bewohner oder Patienten waren.“

An diese hygienischen Vorgaben ist auch das Krankenhaus in Ende und damit Lieferant Rebional gebunden. Aber gerade bei den Plastikbechern greifen sie nicht. „Wir machen unseren Joghurt selbst“, sagt Oliver Kohl aus der Rebional-Geschäftsleitung. Das hat etwas mit Frische zu tun, aber auch mit dem besonderen Anspruch des Öko-Caterers. 450 Mahlzeiten für Patienten werden täglich nach nebenan geliefert, dazu etwa 230 für Klinik-Mitarbeiter. Plus Frühstück und Abendessen. Etwas weniger als ein Drittel kam bei einer früheren Erfassung zurück. Zuletzt war es nur noch die Hälfte davon. „Wir haben einen Riesensprung gemacht“, freut sich Oliver Kohl, und bestätigt doch: „Ganz ist das nicht weg zu kriegen.“

Die Patienten probieren auch gerne mal etwas aus. Vielfach beobachtet Oliver Kohl eine „Büffet-Tendenz“: Erst mal kommt so viel auf den Teller wie auch drauf passt – egal, wann der Magen Nein sagt. Nachhaltiger Ratschlag: besser Nachschlag holen.

Heilsamer Schock

An ganz vielen Stellen hat Rebional dem Wegwerfen den Kampf angesagt: „Wir arbeiten mit einem modernen Warenwirtschaftssystem“, sagt Kohl, das dennoch Reste nicht ausschließt: Wer frisch kocht, hat auch mal was über, auch in den Töpfen bleiben Reste zurück. Und manchmal wird was im Lager zu alt. So viel zur Küche, deren Abfälle – wie auch die Reste der Kundschaft – zur Energieerzeugung genutzt werden.

Damit ist Oliver Kohl aber noch nicht am Ende. Es sind viele kleine Stellschrauben, an denen Rebional drehen möchte. Dabei sei das Gespräch mit den Abnehmern ganz wichtig. Beispiel Schulen. Hier komme der „Nassmüll“, wie die vom Teller geschabten Reste heißen, ganz bewusst in durchsichtige Eimer. „Das zeigt den Lehrern und den Schülern, wie viel sie weg tun.“ So ein Anblick kann heilsam sein. Auch Erkenntnis hilft: Eine Studentin hat in Kitas gewogen, wie viel beim Essen übrig blieb und Fotos gemacht. Die Folge war „eine Schreckenserfahrung für die Abnehmer.“ Das Gespräch über die Mengen und das Angebot und die Motivierung (Nicht jedes Kind mag Gemüse, auch wenn dieses gesund ist), war angestoßen.

Gesprochen hat Rebional auch mit dem Pflegepersonal im Krankenhaus. Ein Ergebnis: Es gibt keine Milchdöschen und Zucker mehr auf die Tabletts. Milch und Zucker finden sich an einem zentralen Ort auf der Station. „Alle müssen mit ins Boot“, ist Oliver Kohl überzeugt. „Es haben aber auch alle Lust, ins Boot zu steigen“, fährt er fort. Das Thema Lebensmittelvergeudung sei angekommen in der Bevölkerung. Essen retten, wenn es ausgegeben ist, bleibe im reinen Küchenbetrieb schwierig. Im Moment wird überlegt, wie Tafeln – oder in Herdecke der Brotkorb – davon etwas haben können.