Wetter. . Am Mittwoch gab sich die Kabarettistin und virtuose Pianistin Anne Folger im Rahmen der 23. Klein(e)Kunstreihe im Stadtsaal die Ehre.
Am Mittwoch gab sich die Kabarettistin und virtuose Pianistin Anne Folger im Rahmen der 23. Klein(e)Kunstreihe im Stadtsaal die Ehre.
In Kleid und Turnschuhen betrat Anne Folger schwungvoll die Bühne „N’ Abend. Schön, dass Sie da sind.“ Humorvoll besang sie in diversen Variationen von Dialekten förmlich hellseherisch die Gedanken und Befindlichkeiten der Gäste. „Eigentlich bin ich klassische Pianistin, aber ich habe eine Reproduktionsabneigung. Ich spiele schon gerne Beethoven, aber nicht so wie er es geschrieben hat“, gesteht Anne Folger.
Stehrumsel im Haushalt
Wackeldackel, Plastikrosen, Mainzelmännchen und Schneekugeln setzte Folger in ihrem Lied „Stehrumsel“ gekonnt in Szene. Am Ende glaubte man, man müsse selber überprüfen, wie viele Stehrumsel sich im eigenen Haushalt tummeln.
Auch berichtet sie von ihrer bipolaren Biografiestörung mit dem Hinweis auf die drei Großen B wie Bach, Beethoven und Brahms und auf der anderen Seite die BeeGees, Backstreet Boys und Bohlen, mit denen sie in den 90ern aufgewachsten ist.
Der Titel ihres Programms „Selbstläufer“ zieht sich wie ein roter Faden durch das Programm. Auf sehr unterhaltsame Weise verdeutlicht die Pianistin, wie alles miteinander verwoben ist und sich der Mensch immer wieder in Widersprüche verstrickt. Daraus resultierende Mechanismen werden nicht mehr als solche erkannt und erst recht nicht hinterfragt.
Erst seit einem Jahr steht die charmante Kabarett-Pianistin mit ihrem Programm „Selbstläufer“ alleine auf der Bühne.
Die Preisträgerin internationaler Klavierwettbewerbe zeigte mit ihrem scharfzüngigen Kabarettprogramm und wunderbar pointierten Texten in brillianter Weise, wie die Verknüpfung von Musik und Humor, bei ihr hervorragend zwischen Klassik und Pop, funktioniert.
Ihre witzig aufbereitete Vita streute sie kunstvoll zwischen die Musikstücke. Von einer brachialen Geburt in Weimar über grenzwertiges Zonenverhalten in ostdeutschen Kinderzimmern bis hin zu häuslichen „Stasi-Methoden“ und prägenden Internatserfahrungen.
„Wenn das mit dem Kabarett mal nicht mehr gut läuft, brauche ich noch ein zweites Standbein. Ich werde Influenzerin.“ Herausragend war Folgers Parodie auf eine Youtube-Bloggerin. Als Make-up Influencerin namens Doremi Fasola schlüpfte sie in die Haut einer dieser jungen, hippen Frauen, die Tausenden ihrer Follower erklären, wie man sich die Augen schminkt, in ihrem Fall a la Beethoven. Intelligent und humorvoll, ohne dabei in Kitschigkeit abzurutschen, adaptierte sie helle und dunkle Töne auf Violin- und Bass-Line und schuf Veränderungen der (Klang-) Farben mit Füßen.
Handtuch-Mafia und La Paloma
Aida, Kreuzfahrt oder Verdi? Auch hier verband Folger gekonnt Klassik und Kommerz. Mit dem Triumphmarsch setzte die Pianistin gekonnt und vergnüglich zum gesellschaftskritischen Rundumschlag, von Handtuch-Mafia und La Paloma bis zum Koma, an. Charmant entschuldigte sie sich im Nachgang bei denen, die unter Umständen schon eine Kreuzfahrt gebucht haben.
Ihre Lesungen über ihr Leben als Kind in Ostdeutschland, teilweise im Internat, waren so pointiert und aufschlussreich erzählt, dass sie schon damit hätte den Abend füllen können.
Der Besucher war geneigt zu fragen, was man denn nun lieber hören möchte, die virtuose Pianistin oder die aus dem Leben erzählende Kabarettistin. Folgers Erfolgsrezept ist zweifelsfrei eine gelungene Mischung aus Beidem.
Das spiegelte sich auch bei der erklatschten Zugabe wider. Auf ihre Frage „Was möchten Sie denn noch hören, ein Klavierstück oder eine Geschichte?“ war sich das Publikum im Stadtsaal einig - „Beides“.