Wetter. . Arbeiten und Gutes tun: Das ist das Motto von Samuel Kumanan und seiner Agentur Blickpuls. Erlebnisse sind ihnen oft mehr wert als Geld.

Mit 15 Jahren bekam Samuel Kumanan seine erste Spiegelreflexkamera. Seitdem hat ihn die Fotografie nicht mehr losgelassen. Mittlerweile ist der 24-Jährige Leiter der Agentur „Blickpuls“, die in Sachen Werbung, Marketing und Konzeption unterwegs ist. Er und sein Team gestalten Internetseiten und drehen Videos für Startups, aber auch für große Unternehmen wie Deichmann. Nicht immer lässt sich Samuel Kumanan seine Arbeit mit Geld bezahlen. Im Sommer zum Beispiel flog der gebürtige Gevelsberger, der seit vier Jahren in Grundschöttel lebt, mit seinem Auftraggeber stattdessen in ein syrisches Flüchtlingscamp an der türkischen Grenze. Was er dort gesehen und erlebt hat, „war viel mehr wert als Geld“.

Wann ist bei Ihnen aus dem Hobby ein Beruf geworden?

Ich habe eine große Affinität zu Technik und möchte dann auch immer das Neueste haben. Nach der ersten Kamera sollte also ein großes Objektiv her. Dafür brauchte ich Geld. Weil ich immer auch schon Musik gemacht habe, habe ich Künstler abgelichtet und in Clubs Fotos von Partys gemacht. Das war einfachste Eventfotografie. Irgendwann stand ich dann vor der Entscheidung, weiter Gebrauchsfotografie zu machen oder Fotos mit Anspruch. Ich hab mich für Letzteres entschieden.

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Sie haben dann die Agentur Blickpuls gegründet . . .

Ja, die hat ihren Sitz in Wetter und noch ein Büro in Sprockhövel. Dort finden unsere Teambesprechungen und auch Kundentermine statt. Wir arbeiten unkonventionell, das heißt, es gibt keine festen Arbeitszeiten, nur Deadlines, bis zu denen eine Arbeit erledigt sein muss. Zum Team gehören außer mir noch sechs weitere Mitarbeiter aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis. Das sind kreative Köpfe, IT-Experten, aber auch Autodidakten. Außerdem arbeiten wir noch mit fünf Freiberuflern aus Hagen und Bremen zusammen.

Sie arbeiten nicht nur für klassische Kunden wie Deichmann, sondern auch für kirchliche oder soziale Einrichtungen bzw. Vereine . . .

Damit etwa Gemeinden oder Spendenorganisationen sich unsere Arbeit leisten können, versuchen wir, ihnen einen geringeren Stundensatz zu ermöglichen. Dafür bekommen wir dann von denen etwas anderes zurück.

Zum Beispiel?

Ich bin mit dem Verein Amaraaba Ghana aus Grundschöttel nach Ghana gereist. Aus den Bildern, die ich dort gemacht habe, ist ein Jahreskalender entstanden, dessen Verkaufserlös bei 1700 Euro lag. Damit konnte eine neue Toilette bezahlt werden, so dass Jungen und Mädchen im Alter von 14 Jahren jetzt endlich mal getrennte Toiletten haben. Das ist doch toll! Das macht den Unterschied. Dass wir etwas bewirken und tun können für Menschen, obwohl wir ja ,nur’ am Computer sitzen. Das hätte ich mir damals nicht träumen lassen, als ich noch mit der Kamera im Club stand.

Sie waren im Sommer in einem syrischen Flüchtlingscamp – wie kam es dazu?

Die Europäische Baptistische Mission (EBM) koordiniert Projekte rund um die Welt. Für die Gemeindeentwicklung in der Türkei wollen die Baptisten den Menschen dort zunächst zeigen, dass sie Nächstenliebe auch leben. Sie bringen Essen dorthin und sagen damit: Wir sehen und helfen euch. Unsere Aufgabe war es, dies mit Bildern und Videos zu transportieren. So sind wir mitgeflogen. EBM hat die Flüge und die Unterkunft bezahlt.

Was haben Sie dort erlebt?

Wir waren in einem Flüchtlingscamp bei Adana, im türkischen Grenzgebiet zu Syrien. Im Juni waren es dort 40 Grad. Es ist viel schrecklicher, als man es sich überhaupt vorstellen kann. Die Leute sitzen auf einem Acker, haben nichts und hoffen, dass sie wieder zurück können in ihre Heimat. Aber sie haben auch keinerlei Informationen, was dort geschieht. Wenn man das mal erlebt, bekommt man ein Bewusstsein dafür, was auf dieser Welt passiert. Das erdet. Und dort Bilder zu machen und die Fröhlichkeit der Kinder zu zeigen in all dieser Hoffnungslosigkeit, das war mir mehr wert als Geld. Geld ist nur eine Währung; wir können uns auch anders bezahlen lassen. Und wenn wir nicht gesagt hätten, wir kommen Euch im Stundensatz entgegen, wäre das nie entstanden.

Bislang haben Sie solche Bilder ja nur für Ihre Kunden gemacht. Jetzt gehen Sie damit in die Öffentlichkeit. Warum?

Ja, das stimmt. Normalerweise vertreibt der Kunde die Bilder; aber die aus dem syrischen Camp würde ich gerne allen Menschen zeigen und etwas mehr Reichweite erzielen. Wir haben außerdem noch ein paar relevante Projekte, die wir den Menschen näherbringen und dafür Türen öffnen wollen. Wir wollen unsere Chance nutzen, ein bisschen aufzuklären – auch in Sachen Flüchtlingskrise. Meine Eltern sind ja auch Flüchtlinge gewesen, als sie vor 28 Jahren hierher gekommen sind.

Können Sie kurz eines dieser Projekte vorstellen?

Wir haben eine neue Marke kreiert, die heißt „Create Visions“. Wir verkaufen einen handgearbeiteten Kapuzenpulli mit der Aufschrift „Still Human“ für 50 Euro inklusive Versand. In dem Paket liegt ein Rücksendeaufkleber, damit jeder, der einen Pulli gekauft hat, einen gebrauchten oder gerne mehr zurückschickt. Diese Sachen verteilen wir dann an Bedürftige hier vor Ort. Eine Schneiderin aus Gevelsberg kümmert sich um alles und hat dadurch etwas Arbeit. Manchmal braucht man nur etwas Kreativität und muss an einigen Schrauben drehen, um etwas zu bewirken.