Wetter. . Das Interesse an der Renaturierung des Flusses ist groß, die Skepsis mitunter auch. Vertreter der Bezirksregierung leisten Überzeugungsarbeit.

Das Interesse war groß: Etwa 50 Bürger nutzten am Samstag die Gelegenheit, einen geführten Blick auf die Baustelle der Renaturierungsmaßnahme an der Ruhr in Wengern zu werfen. Unter der Leitung von Ulrich Detering (Dezernent), Holger Kulik (Oberbauleitung) und Jan Stute (Projektleitung und Planung), alle drei von der Bezirksregierung Arnsberg, erfuhren die Bürger viel Wissenswertes zum Arbeitsablauf und der erwünschten Wirkung der Maßnahme.

„Bei so einer Maßnahme ist immer Skepsis bei den Leuten dabei“, weiß Detering. Dass das tatsächlich so ist, zeigten einige Fragen von Teilnehmern: „Wie ist es danach mit dem Mückenbestand?“, „Fehlen durch die Wegnahme von Pflanzen am Ufer keine Lebensräume?“ und „Was ist damit gemeint, dass es länger dauert, etwa sechs bis sieben Jahre?“ Zu Letzterem erklärte Detering, dass eine Verbesserung des Zustandes bereits während der Bauzeit beginne. So kämen Fische in den Bereich der Baustelle, um dort zu fressen. Auch nutzten sie umgehend aufgeschüttete Kies- und Sandbänke, um sich dort zu vermehren.

Der nächste Abschnitt im nächsten Jahr

Bis allerdings der gewünschte Idealzustand erreicht sei, müsste die Ruhr noch einiges selber tun, den Feinschliff vornehmen. Bis zur endgültigen Beendigung dauert es damit etwa sechs bis sieben Jahre. Die Baumaßnahmen sollen hingegen in diesem Jahr beendet werden.

Das Vorhaben besteht aus zwei Bauabschnitten. Der erste, den sich die Gruppe am Samstag angesehen hat, erstreckt sich von Wengern bis Oberwengern und dann noch einmal bis hin zum Campingplatz Steger in Witten-Bommern. Der zweite Abschnitt, der im kommenden Jahr begonnen und auch beendet werden soll, betrifft die Wassergewinnungsflächen – auch als Gedaweiden bekannt – der Stadtwerke Witten sowie eine weitere, seit 20 Jahren nicht mehr genutzte Weidefläche. Auf der hat sich inzwischen der Riesenbärenklau mächtig ausgebreitet und dadurch andere Pflanzen verdrängt.

Neuer Blickwinkel

Erfahrungen mit diesem Gewächs haben Sabine Kamlage-Wruck und Ehemann Ulrich Wruck bereits gemacht. Freiwillig helfen sie immer wieder dabei, die Klaue an verschiedenen Stellen zu entfernen. An der Baustellenführung nahmen sie teil, weil sie das ganze Thema Natur interessiere. „Schließlich bekommt der Fluss hier ja sein natürliches Bett zurück“, sagt Ulrich Wruck. „Außerdem haben wir die Ruhr noch nie von dieser Seite aus gesehen“, ergänzt seine Frau.

Ebenfalls mit dabei ist Gerald Sell von der Naturschutzgruppe Witten. Regelmäßig hält er in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Vorträge zur Renaturierung der Ruhr. Entsprechend umfangreich ist sein Wissen über dieses Thema. Und so beantwortete auch er, ebenso wie Detering, gern die Fragen der Teilnehmer. Zum Beispiel, was das für Kästen seien, die entlang des Ufers hängen. Dabei, so Sell, handele es sich um Nistkästen für Steinkäuze.

Platz für Steinkauz und Eisvogel

Momentan würden die selbst entworfenen Holzkonstruktionen noch von Staren und Fledermäusen genutzt. Sell gab sich aber optimistisch, dass sich mit der Renaturierung auch der Steinkauz ansiedeln könnte. Die Veränderung des Uferbereiches, hin zum natürlichen Zustand, sei auch für den Eisvogel und die Uferschwalbe - eine seltene Schwalbenart, erklärt Sell - sehr wichtig. Beide Vogelarten bräuchten Steilwände zum Brüten. Die würden durch die Maßnahme geschaffen. Und wie zur Bestätigung kommt auch direkt ein Eisvogel vorbei geflogen, um die Gruppe ein Stück zu begleiten.

Die Maßnahme diene aber auch dem Hochwasserschutz, betonen Ulrich Detering und Gerald Sell. So könnte überschüssiges Wasser nach der Renaturierung auf nicht genutzte Flächen ausweichen, wodurch bebaute Gebiete entlasten würden. Am Ende der Führung gab es viel Lob für die Experten.

Transparenz kommt an

„Es ist schön, dass Sie das so offen kommunizieren“, bedankte sich ein Teilnehmer. Das sei ihnen auch sehr wichtig, um auf eventuelle Probleme der Anwohner im Zusammenhang mit der Baustelle schnell reagieren zu können, erklärt Detering.

>>>Fische brauchen Ruhe

Udo Schulte vom Sportfischerverein Witten 1932 und zweiten Vorsitzender des Landesverbandes Westfälischer Angelfischer nahm ebenfalls an der Führung auf der Baustelle der Renaturierung teil. Als leidenschaftlicher Angler kennt er sich bestens in der Welt der heimischen Fische aus. Die Renaturierung der Ruhr begrüßt er sehr.

Bislang fehlten den Fischen, wie der hier vorkommenden Forelle, ruhige Stellen in der Ruhr. Diese seien aber wichtig für das Laichen. Im Rahmen der Renaturierung entstehen nun Inseln im Fluss. Der Raum zwischen diesen und dem Ufer böte stille Plätze. Dort könnte sich der Laich halten und würde nicht weggeschwemmt. Selbst bei Hochwasser würde der baldige Nachwuchs nicht entfernt, sondern höchstens etwas verschoben. „Die Fische bleiben also hier an Ort und Stelle“, freut sich Schulte.