Herdecke. . Der Kardiologe Dr. Jakob Gruber gründete 2012 am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke eine Herzschule. In der nächsten Woche startet ein neuer Kurs.

Für das Gemeinschaftskrankenhaus (GKH) ist es ein Alleinstellungsmerkmal, für Dr. Jakob Gruber wahrlich eine Herzensangelegenheit: Als einzige Stadt in Westdeutschland kann Herdecke eine Herzschule anbieten. Im nächsten Kurs ab 5. Oktober gibt es noch wenige freie Plätze. Teilnehmer mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zahlen für ein Jahr 600 Euro (einige Krankenkassen übernehmen Anteile), das sei laut Begründer Gruber vergleichsweise günstig. Der Kardiologe stellt dabei psycho-soziale Aspekte in den Vordergrund, um Risikofaktoren präventiv auszumerzen, wie er im Interview verrät.

Herr Gruber, sechs Klassen sind versetzt, nun startet der siebte Jahrgang. Wie kam es zur Idee, eine Herzschule zu gründen?

Jakob Gruber: Ein amerikanischer Kardiologe wies 1990 nach, dass bei einem veränderten Lebensstil Erkrankungen im Zusammenhang mit Herzkranzgefäßen rückgängig gemacht werden können. Und zwar in Bezug auf Ernährung, Bewegung oder Stressmanagement. Mir war das bei meinem Start als Kardiologe bekannt, wobei das damals noch niemand in die Praxis umgesetzt hatte. Das geschah dann in den Neunzigern hierzulande in Berlin. Unser Ansatz ist, dass Herz nicht nur als Pumpe zu betrachten, sondern als ein Organ zu fühlen. Dabei spielen auch biographische, soziale Zusammenhänge eine Rolle.

Gibt es für die Arbeit Ihres Teams einen wissenschaftlichen Ansatz?

Den wollen wir nun mit einer Pilotstudie vertiefen. In Kooperation mit David Martin wollen wir über ein Forschungs-Lehrzentrum zwei Jahre lang Ergebnisse der Herzschule evaluieren und in dem Curriculum Wirksamkeitsnachweise aufzeigen. Das bedeutet sehr viel Arbeit, ist die Thematik doch sehr komplex. Ab 2019 wollen wir Teilnehmer etwa über Fragebögen einbinden. All das ist für uns zugleich eine Art Qualitäts-Kontrolle, ob wir hier richtig vorgehen, auch wenn wir schon zertifiziert sind. Der Benefit für Patienten soll darin liegen, dass Krankenkassen nach dieser Studie die Teilnahme an der Herzschule zu 100 Prozent bezahlen und nicht nur ansatzweise, wie es aktuell der Fall ist.

Wer gehört zur Herzschule, was bedeutet Ihr ganzheitlicher Ansatz?

Wir sind ein zehnköpfiges Team, das Angebot ist personalintensiv. Die Therapeuten, Berater und Ärzte geben Tipps zu einer gesunden Lebensführung. Dazu zählen Ernährung, Bewegung, Stress-Umgang, aber auch Beschäftigung mit Kunst oder ein anderer Alltags-Rhythmus. Zu hören sind Vorträge über das Herz als gesundes Organ, eine Psychiaterin erklärt seelische Aspekte. Hinzu kommen Übungen oder Aktionen wie Malen oder Singen, dazu hat sich hier ein Heartchoir gebildet. Denn die Anregung der Kreativität bzw. Eurythmie dient der eigenen Wahrnehmung und Selbsterfahrung, womit wir Teilnehmern aus ihren starren Gewohnheiten herausreißen wollen. Was sie in der Reha lernten, ist oft schnell vergessen. Sie sollen sich hier öffnen können wie ein Blumenstrauß, um dann durch unsere Anstöße den Lebensinhalt neu zu strukturieren.

Nehmen wir das Beispiel Ernährung: Was lernen Teilnehmer in dem Kurs?

Kochen und Essen betrachten wir als eine soziale Komponente, daher kochen und essen wir bei den Treffen gemeinsam. Wir achten auf eine fleischarme Ernährung mit saisonalen und regionalen Produkten. Wichtig ist uns ein Transfer des Erlernten für Zuhause und den Alltag, daher wünschen wir uns, die Lebenspartner der Herzschulen-Teilnehmer einzubinden und diese zum Mitmachen zu bewegen. Wir sehen uns als eine Art Rettungsanker und wollen die richtigen Anstöße geben.

Wie sieht denn der einjährige Kursablauf aus?

Wir starten mit einem zweitägigen Intensiv-Treffen. Die Gruppengröße liegt zwischen zwölf und 20, bei 14 Teilnehmern können wir sehr individuell beraten, was wir ohnehin über ein Biographie-Gespräch angehen. Denn wir wollen ja ergründen, woher die Herzprobleme rühren oder welche seelischen Belastungen vorliegen. Die Treffen finden von Oktober bis Oktober an jedem ersten Mittwoch im Monat von 16 bis 20 Uhr im Krankenhaus statt, im August feiern wir ein Sommerfest.

Wie viele haben sich denn für das Angebot schon interessiert?

In den sechs Jahren waren es mehr als 100 Teilnehmer. Es melden sich wenig Jüngere, also unter 40 Jahre, an. Nach oben hin ist es offen, ein 94-Jähriger hat hier auch schon mitgemacht. Wichtig ist, dass Interessierte mit einer konkreten Diagnose und Voruntersuchungen zu uns kommen. Die weiteste Anreise nahm mal ein Ludwigshafener in Kauf. 50 Prozent der Teilnehmer kommen aber aus Herdecke oder Wetter. Es hat sich zwecks Erfahrungsaustausch 2013 eine Ehemaligen-Gruppe gebildet, die sich zu meiner Freude viermal im Jahr trifft.

An wen richtet sich Ihr Angebot? Gibt es Erweiterungs-Tendenzen?

Ja, denkbar ist solch ein Kurs auch für chronische Darmerkrankungen und Rheuma. Wir sind keine Therapie-Einrichtung, stationäre Patienten können nicht mitmachen. Willkommen sind Menschen mit der Bereitschaft, ihr Leben in Eigenverantwortung zu ändern. Und wer an der Herzschule teilgenommen hat, geht anders mit seiner Gesundheit um.