Herdecke/Berlin. . Sascha Rolf Lüder aus Herdecke hat ein Buch über Gesundheitssicherheitspolitik geschrieben. Darin unterstreicht die Rolle ehrenamtlicher Helfer.
Die nordrhein-westfälische Heimatministerin Ina Scharrenbach hat kürzlich in der Vertretung des Landes NRW beim Bund in Berlin das neue, von Dr. Sascha Rolf Lüder aus Herdecke herausgegebene Buch „Konturen einer Gesundheitssicherheitspolitik“ vorgestellt. Die Redaktion hat mit dem 47-Jährigen, der seit einem Jahr Leiter des neu geschaffenen Verbindungsbüros des Deutschen Roten Kreuzes bei NRW-Landtag und Landesregierung in Düsseldorf ist, über die Hintergründe zu seinem Buch gesprochen.
Was muss man sich unter dem Begriff „Gesundheitssicherheitspolitik“ vorstellen?
Sascha Rolf Lüder: Die Politikbereiche „Gesundheit“ und „Sicherheit“ treten bei dem Begriff der „Gesundheitssicherheitspolitik“ zusammen und bilden ein einheitliches Gesicht. Die damit verbundenen Herausforderungen sind von der deutschen Politik auf allen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – im Sinne eines föderal durchgängigen und möglichst vernetzten Systems der Gesundheitssicherheit zu lösen.
Wo sehen Sie aktuell die größten Lücken in unserem „friedensmäßigen“ Gesundheitssystem?
Die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen haben sich verändert. Man mag es ungern hören, aber damit kehrt auch die vielfach längst vergessene Debatte um die Aufrechterhaltung einer adäquaten Gesundheitsversorgung der Menschen in einem bewaffneten Konflikt – Stichwort Ukraine – wieder mehr ins Bewusstsein. Anders als in den früheren Zeiten des Ost-West-Gegensatzes sind die Erfordernisse der Landes- und Bündnisverteidigung aber nicht der einzige sicherheitspolitische Rahmen. Erstmals tritt die Bewältigung von großen Gesundheitslagen in Form einer Epidemie oder gar Pandemie – denken wir an Ebola oder das West-Nil-Virus – in den Kreis der wichtigen sicherheitspolitischen Herausforderungen.
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Schätzen Sie unsere aktuelle politische Situation so bedrohlich ein, dass sie diese Neuausrichtung der Gesundheitspolitik notwendig macht?
Es muss der Politik darum gehen, einen Plan zu entwickeln, der die Erfordernisse der Aufrechterhaltung einer adäquaten Gesundheitsversorgung der Menschen im Falle einer Krise oder Katastrophe, deren Größte ein bewaffneter Konflikt wäre, mit den Entwicklungen eines „friedensmäßigen“ Gesundheitssystems zu verknüpfen. Dies geht im wohlverstandenen Sinne nur mit einer Neuausrichtung der Gesundheitspolitik. Gesundheit ist ja nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern hat sehr umfassend das Wohlbefinden aller Menschen im Blick. Daraus ergeben sich auch Ansprüche an die Gesundheitsversorgung zu jeder Zeit.
Bei der Präsentation Ihres Buches hat NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach darauf hingewiesen, dass im Krisenfall Staat, Zivilgesellschaft und Ehrenamt zusammenwirken müssten. Wie hoch schätzen Sie die Bedeutung des Ehrenamtes beim Thema Gesundheit und Sicherheit ein?
Die Bedeutung des Ehrenamtes an dieser Stelle kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ein reines Abstützen auf hauptamtliche Strukturen schlägt im Bereich einer auf Vernetzung aufbauenden Gesundheitssicherheit fehl. Wir sehen dies gerade deutlich bei der Umsetzung der Bereichsausnahme für den Rettungsdienst, also der Ausnahme von einer Vergaberechtspflichtigkeit rettungsdienstlicher Aufträge. Landtag und Landesregierung haben hier ein klares Bekenntnis abgegeben. Ein aufwuchsfähiges Gesundheitssystem, das im Alltag ebenso wie in Krise oder Katastrophe funktionieren soll, bedarf eines starken Ehrenamtes!
Welche Institutionen haben diesbezüglich eine besondere Bedeutung, und müssten oder sollten auch diese möglicherweise ihre Aufgaben neu ausrichten oder weiter fassen? Und wenn ja, finden sich dafür genug Ehrenamtler?
Eine besondere Bedeutung haben im Bereich der Gesundheitssicherheit natürlich die Freiwilligen Feuerwehren, das Technische Hilfswerk und die anerkannten Hilfsorganisationen. Bei der Gewährleistung der inneren Sicherheit als staatliche Kernaufgabe, dem Bekenntnis zum Prinzip der vernetzten Sicherheit und der Sicherstellung einer guten Gesundheitsversorgung für jedermann spielen diese Organisationen seit Alters her eine zentrale Rolle und sind tief in unserer Gesellschaft verankert. Die Freiwilligen Feuerwehren folgen heute noch ihrem traditionellen Wahlspruch „Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr“. Er hat nichts von seiner Aktualität verloren. Für diese wichtigen Aufgaben trotz veränderter Rahmenbedingungen genügend Ehrenamtler zu finden, ist nicht nur eine Aufgabe der Organisationen. Sie ist auch eine Aufgabe der Politik und aller Anstrengung wert.