Wetter/Herdecke. . Im Schaufenster steht ein moderner Sarg, die Branche arbeitet an einem neuen Image. Laufkundschaft ist willkommen und gar nicht selten.

Zur letzten Ruhestätte im Modell Strandkorb oder als Asche verstreut überm kalifornischen Strand, per Feuerwerksrakete in den Himmel geschossen oder aus einem Ballon abgelassen und vom Winde verweht – Bestattungskultur ist im Wandel begriffen. Auch die Themen Sterben und Tod rücken immer mehr aus der Tabuzone mitten hinein in unser Leben. Und so steht statt moderner Klamotten an der Kaiserstraße mitten in der Innenstadt jetzt auch ein Sarg im Schaufenster. Darüber und auch über „andere Abschiede“ von dieser Welt sprach die Lokalredaktion mit der jungen Bestatterin Lisa Steffens.

„Unsere Mission ist es, das Bestatter-Image zu ändern“, sagt die 22-Jährige. Dabei gehe es unter anderem darum, die klassische Vorstellung vom Mann im schwarzen Anzug und schwarzer Krawatte aufzubrechen. „Wir wolen zeigen, dass Bestatter ganz normale Menschen sind, und dass man nicht abgebrüht sein muss, nur weil man mit dem Tod arbeitet“, so Lisa Steffens.

Folge der Gesellschaft im Wandel

Zu diesem Imagewandel gehöre auch, dass sie selbst und ihre Eltern Claudia und Thomas Weber, Inhaber der gleichnamigen Friedhofsgärtnerei und Bestattungsfirma aus Herdecke, im Büro oft sehr leger gekleidet seien. Zudem sei es ihr Bemühen, auch die Geschäfte in Wetter und Herdecke offen und einladend zu gestalten: „Wir haben unsere Ladenlokale bewusst nicht trist gestaltet. In Herdecke stehen alle Särge im hinteren Bereich, so dass Besucher nicht gleich in der Sargausstellung stehen, wenn sie hereinkommen. Hier in Wetter haben wir eben eine modernen Sarg ins Schaufenster gestellt, um zu zeigen, dass es auch anders geht“, sagt Lisa Steffens. Auf der Bestattermesse in Düsseldorf habe es noch ganz andere Modelle gegeben – von handgeschnitzten hölzernen Motorrädern als Urne bis hin zum Pferdekopf oder zum Kindersarg, der wie eine Krippe gestaltet war.

Zudem registrierten ihre Eltern und sie selbst auch, dass Menschen zunehmend offener mit Themen wie Vorsorge, Bestattung und Tod umgehen. „Wir haben tatsächlich viel Laufkundschaft. Die Leute kommen herein und fragen nach einer Patientenverfügung, Bestattungsarten oder den Kosten. Oftmals sogar ohne Anlass. Die finden das nicht schlimm und auch nicht makaber“, so die 22-Jährige. Was früher ihrer Kenntnis nach tabu gewesen sei, finde heute durchaus statt. „Es gibt mittlerweile viele ältere Herrschaften ebenso wie Krebs- und Hospizpatienten, die ihren Sarg und ihre Bestattung selbst aussuchen. Da entscheiden die Angehörigen nur noch, was in der Anzeige stehen soll.“

Ein bemerkenswerter Fall sei ihr besonders im Gedächtnis geblieben, erzählt Lisa Steffens: „Das war ein älterer Herr, der wirklich alles rund um seine Bestattung vorbereitet hat. Die Familie musste eigentlich nur noch teilnehmen. Das war schon sehr beeindruckend und wäre in früheren Zeiten sicherlich undenkbar gewesen.“

Dass die Bestattungskultur sich wandelt, ist sicherlich auch Folge eines gesellschaftlichen Wandels: Wo Kinder oder Enkel für ihren Job mobil sein müssen und meist fernab vom Heimatort eine neue Existenz finden, da reduziert sich nachvollziehbar die Zahl der Erdbestattungen mit anschließender aufwendiger Pflege des Grabes. „Viele Angehörige haben heute keine Zeit mehr, wöchentlich zum Friedhof zu fahren, und diejenigen, auf die es zukommt, möchten nicht zur Last fallen“, weiß die Herdeckerin.

Kosten-Transparenz

Stetig steigende Friedhofsgebühren trügen ihren Teil zu dieser Entwicklung bei: „In Herdecke etwa kostet ein Doppelgrab 4500 Euro; auch deswegen entscheiden sich viele für ein Urnengrab, das etwa 1800 bis 2000 Euro kostet und bei dem sich die Pflege erübrigt.“

Verändert habe sich, so die Bestatterin, auch der Umgang mit den Bestattungskosten. „Das ist aber kein Wandel zur Sparmentalität, sondern der Wunsch nach Transparenz“, weiß Lisa Steffens. Deswegen habe ihre Familie die möglichen Kosten offen im Schaufenster ausgehängt: „Und wir haben einen Bestattungskosten-Kalkulator entworfen, der so funktioniert, als würde man sich ein Auto konfigurieren. Man kann sich am Computer durch die verschiedenen Arten von Bestattungen klicken und das Kaffeetrinken und den Blumenschmuck zuhause selbst zusammenstellen.“

Zurück zu solch außergewöhnlichen Bestattungen wie dem Verstreuen der Asche aus einem Flugzeug oder in einen Gebirgsbach, die in Deutschland nicht erlaubt sind. „Bei uns gibt es ja den Friedhofszwang, und ich halte unsere Friedhofsordnung schon für etwas veraltet. In anderen Ländern gibt es auch keine Probleme, obwohl andere Bestattungsformen dort schon länger praktiziert werden.“

Immer weniger Erdbestattungen

Im Jahr 2017 gab es in Herdecke 26 Erd- und 66 Feuerbestattungen. In diesem Jahr liegt die Zahl bislang bei 17 Erd- und 56 Feuerbestattungen. Diesem Trend entsprechend gibt es immer mehr Freiflächen auf den Friedhöfen, die in Wiese oder parkähnliche Bereiche umgewandelt werden. Noch denke man aber nicht daran, in naher Zukunft auf einen Friedhof in Herdecke zu verzichten, heißt es aus dem Rathaus.

Im vergangenen Jahr gab es im Park der Ruhe (Friedhof Gartenstraße) in Wetter insgesamt 100 Bestattungen, davon 20 Erd- und 80 Urnenbestattungen. Wenn dadurch größere Flächen frei werden, nutze der Stadtbetrieb dies dem Zeitgeist entsprechend etwa zur Einrichtung besonderer Flächen, erklärt Stadtsprecher Jens Holsteg. Dazu gehörten unter anderem der Kieferngarten, ein Urnengemeinschaftsfeld mit pflegefreien Urnengräbern oder das neue Vario-Urnengrabfeld mit Grabflächen für bis zu zwei Urnen.

Die Laufzeit beträgt 25 Jahre. Es ist aber auch möglich, die Grabfelder vor Ablauf der 25-jährigen Laufzeit jeweils zum Monatsende schriftlich zu kündigen. Der Angehörige räumt dann die Fläche ab, der Stadtbetrieb sät anschließend wieder Rasen ein.