Wetter. . Altes Demag-Verwaltungsgebäude in Wetter als Schauplatz: Die Organisatoren sind mit der Großübung für die Jugendfeuerwehr im EN-Kreis zufrieden.
So mancher Autofahrer, der am Samstagvormittag auf der Grundschötteler Straße unterwegs war, vermutete auf Höhe des leerstehenden Demag-Verwaltungsgebäudes womöglich ein großes Unglück. Unzählige Einsatzfahrzeuge und 225 Kräfte der Jugendfeuerwehren im Ennepe-Ruhr-Kreis blieben auf dem großen Gelände nicht unbemerkt. Doch der Grund für die hohe Retter-Präsenz war zum Glück kein echter Vorfall.
Die Bedingungen wirkten aber realistisch. Mit Schutzausrüstungen, blutigen Verletzten (gut geschminkt) und viel Blaulicht übten die EN-Nachwuchskräfte gemeinsam den Ernstfall. Wetters Jugendfeuerwehr als Organisator bot den Brandschutz-Kollegen im Alter von zehn bis 17 Jahren auf heimischem Terrain mit 18 Übungsszenarien ein breites Spektrum. Verletze im ganzen Verwaltungsgebäude und im angrenzenden Wald sowie zu löschende Feuer sorgten für ein reges Treiben an dem Hang, vor allem bei der Versorgung der vermeintlich Verwundeten auf dem Sammelplatz. Diesen hatten die Organisatoren mit Jugendlichen vom Roten Kreuz aus dem EN-Kreis und Wetters DLRG eingerichtet.
Leeres Gebäude, skurrile Atmosphäre
Eine dunkle, ja skurrile Atmosphäre herrschte im leerstehenden Hochhaus an der Demagstraße. Zwischen vor Jahren zurückgelassenen Büroeinrichtungen, Aktenordnern, von der Decke herabhängenden Kabeln und unter den Schuhen knirschenden Glasscherben waren auf mehreren Etagen Hilferufe zu hören. Entlang der Außenfassade schob sich langsam eine Drehleiter mit dem Korb zu einem Balkon in der dritten Etage, auch hier mussten Menschen gerettet werden. Die Geräusche rennender Einsatzkräfte, klappernder Ausrüstungsgegenstände und der zahlreichen Durchsagen aus den Funkgeräten schufen eine sehr realitätsnahe und bedrohlich anmutende Atmosphäre.
Die Statisten-Rolle übernahmen Mitglieder der DLRG-Ortsgruppe Wetter. Die Mädchen und Jungen lagen scheinbar verletzt oder bewusstlos auf dem Gelände. Andere liefen in Panik herum. Sie wirkten so überzeugend, als hätten sie nie etwas anderes getan. Sandy Kangowski, bei der DLRG zuständig für die realistische Unfall- und Notfalldarstellung, hatte mit ihrem Team bei der Darstellung von Verbrennungen, Platz-, Schnitt- und Schürfwunden ganze Arbeit geleistet. „Wir haben uns für diese Übung allerdings ein wenig zurückgehalten“, so Kangowski. „Da es sich bei dieser Einsatzübung um Jugendfeuerwehren handelt, haben wir natürlich auch sehr junge Teilnehmer hier, denen kann man den Anblick von offenen Brüchen oder verheerenden Bauchverletzungen einfach nicht zumuten, auch wenn sie nur geschminkt sind.“
Ein Szenario: Aus einer Senke im Wald mussten die jungen Feuerwehrleute mehrere Leute retten, darunter eine Person, die nur noch liegend transportiert werden konnte. Mit der so genannten Schleifkorbtrage galt es, die Verletzten den Hang hoch auf den angrenzenden Parkplatz zu befördern. Dass bei einer solchen Rettung viel beachtet und koordiniert werden muss, wurde den Beteiligten im Laufe der Übung praktisch vor Augen geführt. Sind die Leiterelemente auf die Trage gezogen? Und korrekt miteinander verbunden? Liegen alle Seile richtig? Wer fasst wo an, wer zieht, wer führt die Trage? Dieses und vieles mehr trainierten die Nachwuchskräfte unter Anleitung.
Eigenverantwortung stärken
Grundsätzlich waren die einzelnen Mannschaften primär für die Entscheidungen und Handlungen verantwortlich. Wenn aber die erwachsenen Beobachter Fehler entdeckten oder Hinweise zur Technik geben wollten, griffen sie ein und korrigierten. Durch diese Mischung aus Eigenverantwortung und Praxis ergaben sich auch immer wieder innerhalb der Gruppen konstruktive und lehrreiche Diskussionen im Hinblick auf das weitere Vorgehen.
Aus Kreis acht von neun Jugendgruppen vor Ort
Acht von neun Jugendfeuerwehren aus dem Kreis nahmen an der Übung teil. Neben der Menschenrettung und der Brandbekämpfung galt es u.a., einen Container mit technischem Gerät zu bewegen oder einen Dekontaminationsplatz aufzubauen.
Dank der guten Wasserversorgung auf dem Gelände mussten keine langen Wege mit Schläuchen zurückgelegt werden.
Die Übung verfolgten Wetters Bürgermeister Frank Hasenberg, Fachdienstleiterin Claudia Kröger, Kreisbrandmeister Rolf-Erich Rehm und Vertreter der einzelnen Feuerwehren.
Auf dem Behandlungsplatz etwa wurden einzelne Darsteller nach der Rettung untersucht und kategorisiert. Unter den beteiligten Jugendlichen von Feuerwehr, DRK und DLRG wurden die Behandlungsvorschläge schon teilweise komplett ohne Betreuer ausgearbeitet und umgesetzt. „Das zeigt, dass die Zusammenarbeit der einzelnen Hilfsorganisationen im Kreisgebiet bereits in den Jugendgruppen bestens funktioniert“, so Thorsten Duhme als zuständiger Abschnittsleiter für den Behandlungsplatz.
Der stellvertretende Kreisjugendfeuerwehrwart Stefan Koppmann, hob abschließend hervor, dass die städteübergreifende Zusammenarbeit hervorragend sei. Auch er dankte 85 Helfern (u.a. Polizei) für die Arbeit, wobei die Vorbereitungen für diese Übung laut Wetters Feuerwehrchef Ralf Tonetti vor knapp einem Jahr begannen und rund 350 Stunden dauerten.
Das groß angelegte und lehrreiche Szenario neigte sich gegen Mittag reibungslos dem Ende entgegen. Erschöpfung war vielen der jungen Teilnehmer ins Gesicht geschrieben. Zum Abschluss trafen sich die Beteiligten in der Feuerwache im Schöntal zum gemeinsamen Mittagessen. Die Schlange vor dem Grill hatte in Anbetracht dieser großen Teilnehmerzahl auch rekordverdächtige Ausmaße.