Wetter. . Nach dem Brandanschlag auf den Laden eines Flüchtlings: Polizei und Behörden sind vor Ort, die Politik will ein Zeichen gegen Rechts setzen.
„Es ist alles kaputt, wir können gar nichts mehr gebrauchen“, sagt Cerim Sevgi und schüttelt den Kopf. Auch am Tag nach dem Brandanschlag auf das syrische Lebensmittelgeschäft, in dem sie selbst seit dem 24. April als Verkäuferin arbeitet, ist die junge Frau noch sichtlich geschockt. Inhaber Moussa Ahmad Mohammad steht still vor den Trümmern seines Geschäfts; der Gutachter von der Versicherung hat sich angekündigt. „Gut“ gehe es ihm, sagt er – hält kurz inne und korrigiert sich dann: „Nein, schlecht.“ Eine Bewohnerin des Hauses, in dem sich das Geschäft befindet, habe ihn in der Nacht zu Montag, als die Sirenen durch Alt-Wetter heulten, zuhause in seiner Wohnung angerufen und über den Brand informiert. Nur zögernd willigt Moussa Ahmad Mohammad im Gespräch mit unserer Zeitung ein, sich vor dem zerstörten Geschäft fotografieren zu lassen.
Das Gesundheitsamt sei bereits am Montag vor Ort gewesen, berichtet Cerim Sevgi. „Es stinkt immer noch nach Benzin, und wir müssen alles wegschmeißen“, sagt sie. Offenbar seien die unbekannten Täter durch das Seitenfenster des Geschäfts an der Straße An der Kirche eingebrochen, nachdem sie zuvor die Scheiben eingeschlagen hatten. Dort hätten die Beamten auch nach Fußabdrücken und weiteren Spuren gesucht, so Cerim Sevgi. 120 Quadratmeter groß ist der Laden mitsamt Lager und Büroräumen an der unteren Königstraße, wo der 35-Jährige Syrer vor einigen Wochen den Wetter-Market mit orientalischen Lebensmitteln eröffnet hatte.
Weltoffene Stadt Wetter
Aus ermittlungstaktischen Gründen will Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli keine Auskunft zum Vorgehen der Mordkommission geben. Bei dem Anschlag habe es sich um einen Mordversuch gehandelt, weil neun Menschen in dem Gebäude schliefen. Am Montag suchte die Polizei den ganzen Tag nach Spuren und setzte dabei auch Spürhunde bei der Suche nach Brandbeschleunigern ein.
„Es wird technisch untersucht, wie es zum dem Brand kam. Wir ermitteln in alle Richtungen und im Umfeld. Das ist normale Polizeiarbeit“, so Gerhard Pauli. Die Mordkommission, so erläutert er, ermittle unter Führung des Staatsschutzes. Der wiederum ist eine Abteilung des Polizeipräsidiums Hagen und zuständig für politisch motivierte Straftaten oder solche mit politischem Hintergrund, „was ja in diesem Fall nicht von vorneherein auszuschließen ist“, so Gerhard Pauli.
Bürgermeister Frank Hasenberg spricht von einem „Anschlag gegen unsere Stadt.“ Hasenberg zeigt sich entsetzt: „Wetter ist eine weltoffene Stadt, in der wir das Miteinander leben. Ich hoffe, dass die Hintergründe zügig ermittelt und die Täter schnell gefasst werden.“
Erklärung im Rat am Donnerstag
Die Parteien im Rat der Stadt Wetter haben sich darauf verständigt, gemeinsam Zeichen gehen Rechts zu setzen. Auslöser waren die ausländerfeindlichen Aktionen der letzten Wochen. Zum bestimmenden Thema der interfraktionellen Gesprächsrunde wurde dann aber der Brandanschlag auf den Laden des syrischen Flüchtlinges an der Königstraße. In seiner Sitzung morgen will der Rat eine gemeinsame Erklärung verabschieden, in der es um Solidarität mit den Betroffenen geht. Die SPD hat die Arbeit an dem Resolutionsentwurf in die Hand genommen.
Übereinstimmung herrscht bei den Ratsparteien wohl auch darüber, den Kampf gegen rechte Tendenzen in der Stadt über einen längeren Zeitraum zu führen. Dabei sollen die Bürger mit einbezogen werden. Im Gespräch sind ein Runder Tisch, aber auch Aktionen für Schüler. Die Volkshochschule könnte ins Boot geholt werden.
Die aktuelle Not des Ladenbesitzers lindern will eine Gruppe von Musikern. Sie will ein Benefizkonzert organisieren und hat dazu den Bürgermeister angeschrieben. Ein Gespräch soll klären, wie die Stadt das Konzert unterstützen kann.
„Fallersleben Bund“ distanziert sich
Der „Fallersleben Bund“, der kürzlich vor dem Geschäft auf einer städtischen Infotafel den Hinweis „Islamisierung“ angebracht hatte, hat sich auf Facebook von dem Anschlag distanziert. Die Vereinigung bezeichnet sich selbst als „Gruppe patriotischer Aktivisten“ und lehnt in einer aktuellen Erklärung „Gewalt und Brandstiftung als politisches Mittel kategorisch ab“. Dass nun der Bund verantwortlich gemacht werden solle, zeige, dass „wir anscheinend in einer Zeit des hysterischen Linksfaschismus“ leben, der es nicht ertragen könne, dass politischer Protest auch ohne „brennendes Gut anderer Menschen auskommen kann.“
Weil der Fallersleben Bund „die Situation nicht weiter anheizen und lieber erst einmal das Ergebnis der Brandursachenermittlung“ abwarten wolle, wird der vorläufige Verzicht auf öffentliche Aktionen angekündigt.