Herdecke/Witten/Düsseldorf. . Zwischenbilanz: Seit einem Jahr sitzt die Herdeckerin Nadja Büteführ (SPD) aus dem Wahlkreis Witten-Herdecke im Landtag von Nordrhein-Westfalen.
Diese Ortsmarke verrät schon, in welchem Dreieck sich Dr. Nadja Büteführ seit knapp einem Jahr bewegt. Im Mai 2017 gelang der heimischen SPD-Politikerin der Einzug in den nordrhein-westfälischen Landtag, bei der NRW-Wahl erhielt sie im Wahlkreis Witten-Herdecke als Nachfolgerin von Thomas Stotko die meisten Stimmen. Was die 51-Jährige über die Landes- im Vergleich zur Kommunalpolitik denkt und welche Schwerpunkte sie selbst setzt, erklärt sie im Interview.
Frau Büteführ, nach vielen Jahren in Herdeckes Kommunalpolitik hat sich für Sie einiges geändert. Wie verläuft nun bei Ihnen eine Woche?
Nadja Büteführ: Recht unterschiedlich. Das hängt zum Beispiel davon ab, ob eine Sitzungswoche im Landtag ansteht und ich mit der Bahn täglich nach Düsseldorf fahre. Das erdet übrigens, wenn man dort Gespräche mit verfolgt. Dienstags sind dann die SPD-Fraktionssitzungen Pflicht. Auf die Ausschüsse, für die ich mich natürlich kontinuierlich einlesen muss, bereiten wir uns meist eine Woche vorher in entsprechenden Arbeitskreisen vor. Und am Wochenende oder in der sitzungsfreien Zeit stehen viele Termine im Wahlkreis oder in der Region an, mein Terminkalender ist auch abends deutlich voller geworden. Ich verstehe mich aber weiterhin auch als Kommunalpolitikerin, denn im Lebensalltag vor Ort schlagen eigentlich alle Themen auf.
Sie sind im Landtag reguläres Mitglied im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend sowie in jenem für Kultur und Medien. Was sind da Ihre Schwerpunkte? Und lässt sich die Politik mit Ihrer PR-Agentur vereinbaren?
Letzteres läuft seit einem Jahr eher auf Sparflamme, mein Mann und ich wollen aber weiter unsere Kunden beraten, seit 1998 steckt da schließlich viel Herzblut drin. Die beiden Ausschüsse standen auf meinem Wunschzettel. Mir macht die Arbeit mit den breit gestreuten Themen sehr viel Spaß. Ich kann mir gut vorstellen, mich diesbezüglich über diese Legislatur hinaus zu engagieren. Spannend finde ich beispielsweise immer wieder die finanzielle Ausstattung der Kommunen, den Theater- und Orchesterpakt oder auch die Debatte um die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. An der halte ich fest, auch wenn es sicher Optimierungsbedarf bei den Strukturen gibt. Und bei der Kita-Finanzierung sehe ich viele Querschnitte zu anderen Themengebieten, etwa zu Schulen, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Bildungsgerechtigkeit und zur Gleichstellungs-Diskussion. Überrascht war ich ob der Anzahl der E-Mails, die einen täglich erreichen. Es ist auch mit Blick auf die weitere Post durchaus anspruchsvoll, da den Überblick zu bewahren.
Damit zu organisatorischen Fragen: Wie steuern Sie Ihre Aktivitäten im und für den Wahlkreis?
Bewährt hat sich die Bürogemeinschaft der Genossen aus dem EN-Kreis in Düsseldorf, mit Rainer Bovermann und Hubertus Kramer kann ich bzw. unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin vieles abstimmen. Der Montag ist als fester Tag im Wahlkreis eingeplant, da besuchen wir auch mit Bundestagsabgeordneten oder Vertretern anderer Parteien beispielsweise Firmen, Organisationen, die AWO und andere Sozialverbände, um – wie jüngst geschehen – Maßnahmen gegen den Pflegenotstand im EN-Kreis zu diskutieren. Zudem habe ich ja auch ein Büro in der Wittener SPD-Parteizentrale in Annen, wo auch der Unterbezirk, der Stadtverband Witten, die Kreistagsfraktion und der Bundestagsabgeordnete Ralf Kapschack angesiedelt sind.
Wie denken eigentlich die Wittener aus Ihrem Wahlkreis über ihre Landtagsabgeordnete aus Herdecke, der deutlich kleineren Stadt?
Ich habe mich ja schon vor der Wahl fleißig dort blicken lassen und viele Beziehungen aufgebaut. In der Anfangszeit als Landtagsabgeordnete lag mein Schwerpunkt sicher mehr in Witten, dort sah ich für mich Nachholbedarf, auch in Sachen Bekanntheit. In meiner Heimat nehmen mich die Leute noch eher weniger als Landes- denn als Kommunalpolitikerin wahr, was wohl auch an meinem SPD-Fraktionsvorsitz von 2009 bis Mitte 2017 liegen dürfte. Ich will aber weiter in Herdecke aktiv Politik machen und bleibe Rats- sowie Hauptausschuss-Mitglied. Es ist gut, wenn ich mitbekomme, was vor Ort abgeht. Daher auch das Gesprächsangebot für Bürgerinnen und Bürger jeden Donnerstag in Herdecke. Und ich sitze in regelmäßigem Abstand mit Wittens Bürgermeisterin Sonja Leidemann zusammen, ähnliches soll es auch in Herdecke demnächst öfter geben.
Um ein Thema kommen wir nicht herum: Wie schätzen Sie die Lage der SPD derzeit ein?
Gerade im Hinblick auf die Klatsche bei den Wahlen im letzten Jahr sehe ich sowohl in Düsseldorf als auch in Berlin jetzt ganz viel Handlungsbedarf. Ich habe die Große Koalition erst abgelehnt. Als das dann Anfang des Jahres eine Eigendynamik annahm, habe ich mich doch von der GroKo überzeugen lassen, da die SPD aus dieser ganzen Nummer nicht mehr anders herausgekommen wäre. Und in NRW hätten wir auch den personellen Schnitt früher angehen sollen. Inhaltlich, organisatorisch und auch personell hätten wir zeitiger Zeichen setzen müssen. Auch die Vergrößerung des Fraktionsvorstandes kam vielerorts nicht gut an. Grundsätzlich gilt für mich: erst die Inhalte und Konzepte, dann die Köpfe. Das haben wir jetzt auf den Weg gebracht. Und auch auf Bundesebene haben wir als SPD viel davon erreichen können, was uns wichtig war, auch wenn der Koalitionsvertrag sicher nicht der ganz große Wurf ist. Unser Ziel muss es sein, mit weiteren Themen die Sozialdemokratie quasi neu zu erfinden und zugleich traditionelle Standpunkte und Werte zu betonen. Ich habe die Hoffnung, dass die SPD mittelfristig besser dasteht.
Was können Sie dafür tun?
Ich setze auf Impulse in meinen Themengebieten, bei der Digitalisierung, bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Rente. Das will ich über Fleiß, Stringenz und Glaubwürdigkeit vermitteln. Wir sollten nicht das Fähnchen nach dem Wind richten und uns beispielsweise auch dem schwierigen Umgang mit der AfD verstärkt widmen. Ich wäre dafür, wenn sich SPD, CDU, Grüne und FDP abstimmen, um nur mit einer Stimme auf deren Provokationen zu antworten. Das verkürzt unnötige Debatten und ist besser als schweigen oder ignorieren. Zudem fühle ich mich persönlich hier im Wahlkreis so gut vernetzt, dass ich Strömungen und auch Probleme wahrnehme und mich für die Leute hier konkret politisch einsetzen kann, beispielsweise bei der Finanzierung für das AWO-Projekt Crengeldanz, in der Hausarzt-Debatte, zum Thema G8/G9, Integration oder auch für die Uni Witten-Herdecke – um nur ein paar Bereiche anzusprechen.