Herdecke. . Die Aufnahmen im Fernsehen zeigen Syrien im Krieg. Syrer in Herdecke haben noch andere Erinnerungen – und freuen sich, wenn ihnen Schüler zuhören
Syrien ist weit für die Jungen und Mädchen der Robert-Bonnermann-Schule in Herdecke. Eine Syrerin aber ist ihnen nah, geht mit ihnen in die vierte Klasse und bringt schon mal Kuchen mit wie andere Kinder zum Geburtstag auch. So muss den Schülern niemand erst Appetit auf die abgebildeten Süßigkeiten machen. „Die habt ihr alle schon probiert“, weiß Lehrerin Britta Waltenberg und versichert sich bei den Schülern: „War das lecker?“ Die Köpfe nicken. Schon geht es weiter auf der kleinen Bildungsreise. Gerade mal übers Sparkassenparkdeck mussten die Grundschüler zum Kulturhaus an der Goethestraße gehen. Jetzt befinden sie plötzlich zwischen Euphrat und Tigris.
Bis 31. März im Kulturhaus
Die Ausstellung „Woher wir kommen – warum wir hier sind“ ist zu sehen im Kulturhaus an der Goethestraße 14.
Geöffnet ist bis 31. März in der Regel zu den Öffnungszeiten des Kinos und nach Absprache.
Schulklassen, die an einer Führung interessiert sind, melden sich bei Andreas Disselnkötter unter 0176/84140872.
Vor Bildern blühender Landschaften, breiter Flüsse und schöner Bauten steht Laith Bayrkdar. 29 Jahre ist er alt, aus Damaskus nach Deutschland geflohen. „Mit 18 Jahren muss man in Syrien zur Armee“, sagt er, und fügt auf Englisch hinzu: „I don’t want to fight“. Er wollte nicht nur nicht kämpfen. Damaskus war unsicher, im Radius der Geschosse der Terroristen. Da hat er sich auf den Weg gemacht. „Wir sind nur hier, weil es Krieg gibt bei uns zuhause“, sagt er dann wieder auf Deutsch zu den Jungen und Mädchen. Mit ihm ist Khaled Al Masri in die Ruhrgalerie gekommen. Auch er stammt aus Damaskus, auch er ist nach Deutschland geflohen. Nun verteilt er einfache Pappbrillen, damit die Kinder die 3-D-Aufnahmen an der Wand klar sehen können. Die Bilder zeigen Syrien als ein modernes Land, ein schönes Land, ein Land mit einer langen Geschichte.
Khaled denkt an den Husky daheim
Fotos der Fotografin Manuela Pavlovskis aus Wetter zeigen die Portraits von Menschen, die nach Herdecke geflohen sind. Dazwischen hängen Schnappschüsse aus dem umkämpften Land und Textblätter mit Wissenswertem über Syrien. „Woher wir kommen – warum wir hier sind“, ist die Ausstellung überschrieben. Laith Bayrkdar stellt sich gerne zu den Bildern und erklärt: „Das ist eine Verpflichtung gegenüber meinem Land“, sagt er, „und ein Dankeschön für die freundliche Aufnahme hier in Deutschland.“ Sieben Schulklassen waren schon da, zwei Gruppen der Caritas aus Witten, VCS und die Grünen, am Vorabend die FDP.
Jetzt aber stellen die Bonnermann-Schüler Fragen. Gibt es auch Haustiere in Syrien, will Alessia wissen. Die Elfjährige selbst hat eine Katze – und Khaled hatte in der Heimat einen Husky. Die Jungen und Mädchen erzählen, zeigen, dass sie verstehen, wenn Laith und Khaled von der Angst erzählen. So wie es Shahd, ihre Klassenkameradin aus Syrien getan hat, die heute nicht dabei sein kann, weil der Bus nicht gefahren ist. Aber die Kinder kennen sie, auch mit ihren traurigen Momenten, etwa weil nicht genug Geld da ist, um auch die Großmama aus der großen Gefahr in Syrien zu holen.
>>>WISSENSWERTES ÜBER SYRIEN
Die Bilder an der Wand zeigen Menschen, die aus Syrien nach Herdecke geflohen sind, aber auch Bilder aus dem Land, das einst ihre Heimat war. Flüchtlinge haben diese Ausstellung mit vorbereitet, und ihnen geht es darum, dem Unwissen und dem Halbwissen, das viele Menschen in Deutschland haben, etwas entgegenzusetzen. „Kamele sind keine Haustiere“, lassen sie die Betrachter wissen und haben dabei die Lacher auf ihrer Seite, bei allem Ernst, den der Verlust der Alltags mit sich bringt. Nur unterscheidet sich der Alltag in Syrien gar nicht so sehr von dem hiesigen. Und so heißt es: Wussten Sie, dass
in syrischen Universitäten ein hoher Frauenanteil studiert und unterrichtet?
eine Lieblingsbeschäftigung vieler Familien Picknick und Barbecue ist?
die meisten Familien gerne in Syrien Urlaub machen, weil es abwechslungsreiche Landschaften gibt wie Meer, Berge, Städte?
Bildung in Syrien frei zugänglich ist auch für Ausländer?
schon seit der frühen Bundesrepublik Menschen aus Syrien nach Deutschland kommen zum Studium oder aus beruflichen Gründen?
Unter den Stolz auf das Erreichte mischt sich die Trauer über den Verlust: „Bedauernswerterweise ist seit Ausbruch des Krieges im Jahr 2011 vieles nicht mehr, wie es war. Einiges wird aber immer so sein.“