Herdecke. . Planer präsentiert Sachstand im Bauausschuss. Offenbar wurde bei der Dachsanierung 1995 gepfuscht.

„Ich habe selten ein Gebäude gesehen, das so vernachlässigt und missbraucht worden ist.“ Claudia Schulte, bei der Stadt Herdecke zuständig für die Bauunterhaltung, sprach kürzlich im Fachausschuss wohl den meisten aus der Seele, als sie fortfuhr: „Es war uns allen nicht klar, was auf uns zukommt.“

Große Schäden am historischen Gebäude

Im Jahr 2015 sind beim Zwei-Schwerter-Haus gravierende Schäden entdeckt worden.

Bei genauerer Untersuchung stellten sich auch statische Mängel heraus, die durch eine frühere Sanierung bedingt waren.

Das Gebäude wurde bis auf die historische Bausubstanz entkernt. Die Balken einer Zwischendecke sind stark angegriffen.

Die komplette Heizung-, Sanitär- und Elektroinstallation muss ebenfalls erneuert werden.

Die Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als Denkmalbehörde sei schwierig, die Reserven seien nahezu aufgefressen. Das Thema Sanierung Zwei-Schwerter-Haus stand kürzlich über eine Stunde im Fokus der Politiker, als Manfred Egger vom zuständigen Architekturbüro den mittlerweile vierten Sachstandsbericht zum Baufortschritt am Stiftsplatz 4 gab.

Brandschutz

In Sachen Brandschutz ist das Schwerter-Haus als „Gebäude mittlerer Höhe“ klassifiziert. Der Gesetzgeber gibt für solche Gebäude eine „Feuerwiderstandsklasse F90“.

Um den dafür benötigten erheblichen Mehraufwand zu vermeiden, habe man sich nach Rücksprache mit dem zuständigen Sachverständigen für Brandschutz entschieden, die Feuerwiderstandsklasse auf F30 herabzusetzen und als Ausgleich eine Brandmeldeanlage zu installieren. „Dieses Brandschutzkonzept zielt auf schnelle Räumung des Gebäudes“, so Manfred Egger.

Zimmerarbeiten

Von vielen Überraschungen sprach Manfred Egger in Bezug auf die Zimmerarbeiten: Fast alle Balkenzwischenräume hätten voll mit Bauschutt gelegen, der entsorgt werden musste. Die Folge: ungeplante Mehrkosten. „Es müsste eine Reduzierung der Entsorgungskosten geben bei den Sanierungskosten von 1995, so viel Schutt liegt dort“, meinte Manfred Egger.

Neben Getränkedosen und Joghurtbechern sei ein alter Holzofen, der in der Balkenlage schlummerte, sein Liebling, so Egger ironisch. Eine weitere Überraschung habe sich nach dem Rückbau der Drempelverkleidung gezeigt: Die Fußpfette (waagerechter Träger) der unteren Dachflächen ruhe nicht - wie in den Ausführungsplänen der Dachsanierung von 1995 gezeichnet - auf der Mauerkrone, sondern sei auf der neuen Balkenlage abgelegt worden. Das habe wiederum aktuell den Austausch der Balkenlage erschwert, und man habe sich entschieden, die Balkenlage für die neue statische Situation umzuarbeiten.

Elektro, Heizung, Sanitär

Weiter erklärte Manfred Egger, dass auch die gesamte Haustechnik des Gebäudes erneuert werden muss. Besonders pikant: Wegen der aktuellen Auslastung vieler Handwerksbetriebe könne es sein, dass sich die Preise noch einmal erhöhen. Um 40 Prozent höher werde auch die Rechnung für die Gewerke Heizung und Sanitär ausfallen: Statt anfänglich geschätzter rund 62 700 Euro käme man nach Abschluss der hausinternen Fachplanung und Kostenberechnung nun auf rund 87 900 Euro.

Kosten in zwei Jahren nahezu verdoppelt

Erste Kostenberechnungen für eine Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes, in dem viele Jahre drei Ämter beheimatet waren, lagen Anfang 2016 bei 550 000 Euro.

Mitte 2014 waren in dem historischen und denkmalgeschützten Gebäude aus dem 18. Jahrhundert erste Risse entdeckt worden.

Nach und nach hatte sich die Bauverwaltung möglichen Schäden genähert. Rissmonitore wurden angebracht, Decken geöffnet, schließlich das Gebäude geräumt und die dort beheimateten drei Ämter (Schule, Jugend und Standesamt) in einem großen Ringtausch ausquartiert.

Schließlich nahm sich das Architekturbüro Friedrich Beckschulze und Manfred Egger, das auch schon die Sanierung des Kornspeichers an der Hauptstraße 1 begleitet hatte, der Sache an.

Hauptgrund dafür ist der Einbau einer Fußbodenheizungsanlage, weil u.a. nach Denkmalschutzvorgaben die historischen Fensternischen erhalten bleiben müssen und nicht ausreichend zum Einbau von Heizkörpern gedämmt werden können. Zudem werde sich aufgrund der neuen Balkenlagen in zwei von drei Etagen die Brüstungshöhe der Fenster so verringern, dass neue Heizkörper in ihrer notwendigen Größe gar nicht erst in die Nischen passen würden.

Kosten

Weil auch der überwiegende Teil der Fenster marode und zudem undicht ist (durch einige ist Wasser eingedrungen), empfiehlt das Planungsbüro, die Fenster zu tauschen. Die Kosten belaufen sich auf geschätzte 61 302 Euro, so dass sich veranschlagten Baukosten inklusive Nebenkosten derzeit auf eine Gesamtsumme von rund 769 400 Euro belaufen. Bei einem Tausch der Fenster erhöht sich die Gesamtsumme auf rund 828 000 Euro. Und: Eingerechnet ist hier bereits das Polster für Unvorhersehbares.

„Interessant, andererseits erschreckend“, kommentierte Ausschussvorsitzender Jan Schaberick (SPD) die Fakten. „Ich habe mit einer Million gerechnet, wir sind noch drunter. Mich überrascht es nicht, man kann es nicht ändern.“ Peter Gerigk (Grüne) sah die Million durchaus in Reichweite und fragte nach Regressansprüchen gegenüber der Firma, die 1995 offenbar nicht korrekt gearbeitet habe. Claudia Schulte erläuterte, dass sie sich in dieser Angelegenheit bereits mit einem Fachanwalt besprochen habe, der davon abrate, eine Klage anzustrengen. Christopher Huck (FDP) indes sprach sich dafür aus, eine zweite Meinung eines anderen Juristen einzuholen: „Da ist doch jeder einzelne, der daran beteiligt war, schadensersatzpflichtig.“ Ulrich Schwellenberg (SPD) stimmte zu: „Da hat nicht nur einer versagt.“

Trotz des Hinweises des städtischen Justiziars Lars Heismann, dass auch die Stellungnahme eines zweiten Anwalts wieder Geld koste, bekam die Verwaltung am Ende den Auftrag, für den Hauptausschuss eine Beschlussvorlage zu erarbeiten und bis dahin möglichst die Meinung eines zweiten Anwalts einzuholen, um eventuelle Regressansprüche gegen jene Personen bzw. Firmen geltend zu machen, die nach Ansicht von Manfred Egger beim Dachausbau 1995 offenbar nicht fachmännisch gearbeitet hatten.