Herdecke. . Bei Siegfried Reiz laufen die Fäden der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit zusammen. Was hat sich gewandelt, wo hakt es? Das hat er zu sagen

Die Hilfe für Flüchtlinge in Herdecke kennt viele Akteure. Einer von ihnen ist Siegfried Reiz. Seit über zwei Jahren soll er die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe koordinieren. Welche Erfahrungen hat er dabei gemacht? Wie denkt er über das Zusammenspiel der Helfer? Wie weit ist die Integration fortgeschritten? Mit Siegfried Reiz sprach Redakteur Klaus Görzel.

Frage: Wird heute die gleiche Flüchtlingshilfe gebraucht, wie noch vor zwei Jahren?

Siegfried Reiz: Nein. Das hat sich gewandelt. Anfangs ging es ums Ankommen, darum, den Leuten zu sagen, wo finden sie was, was müssen sie für ihr Asylverfahren wissen. Heute werden Fragen gestellt zum Familiennachzug, nach Wohnungen und nach Arbeit. Außerdem geht es um Hilfestellung, das in den Deutschkursen erworbene Wissen auch anzuwenden im persönlichen Gespräch. Viele sprechen sonst in ihrem Umfeld doch wieder nur Arabisch.

In Herdecke machen Stadt, VCS, das Nachbarschaftsnetzwerk, viele Ehrenamtliche oder auch Sie Flüchtlingsarbeit. Ist diese Struktur den veränderten Bedürfnissen angepasst worden?

Ich glaube das eher nicht. Was fehlt, ist ein bisschen die übergeordnete Kommunikation. Es gibt Kommunikation zwischen Stadt und VCS, aber bei der Kommunikation zwischen Stadt und Nachbarschaftsnetzwerk mit VCS hat man manchmal das Gefühl von Konkurrenzdenken. Als gebe es Angst davor, dass der andere etwas besser kann oder man selbst etwas abgeben müsse. Es wäre schön, wenn mehr miteinander gesprochen würde und zwar mit den Leuten, die direkt vor Ort die Arbeit machen und mit den Flüchtlingen Kontakt haben.

Haben Sie den Eindruck, dass die ehrenamtliche Hilfe für Flüchtlinge noch ein großes Potenzial hat?

Zur Person: Siegfried Reiz

Siegfried Reiz war jahrelang als Handelsvertreter selbstständig und hat danach in einem Maschinenbauunternehmen gearbeitet und Prozesse optimiert.

Seit November 2015 ist er in der Flüchtlingsarbeit tätig, zunächst im Auftrag der Lions, dann der Bürgerstiftung und aktuell der Evangelischen Kirche.

Bezahlt wird er für zehn Stunden in der Woche. Darüber hinaus ist er ehrenamtlich aktiv.

Aufgabe von Siegfried Reiz ist die Koordination der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe in Herdecke. Er besorgt Möbel und organisiert Umzüge.

Seine Bürozeiten beim VCS im Urbanhaus sind montags 13-17 und donnerstags 9-14 Uhr, 02330/890525

Ich glaube, die Hilfsbereitschaft schwindet. Das liegt daran, dass wir ja alle älter werden. Diejenigen, die ehrenamtliche Hilfe leisten, sind ja eher die älteren Mitbürger, die Rentner. Wenn wir es schaffen würden, die Kinder von uns alten Leuten dazu zu bringen, dass sie sich engagieren, sich die Zeit nehmen, mit den Flüchtlingen oder Asylbewerbern ins Gespräch zu kommen, dann wären wir ein ganzes Stück weiter. Das ist es, wo wir hin kommen müssen. Das Nachbarschaftsnetzwerk etwa ist eine Super-Idee, aber es gilt dort immer noch zu sehr „alte Deutsche / junge Ausländer.“ Das müsste irgendwie angeglichen werden. Bei unseren jungen Leuten müsste das Interesse geweckt werden, dass sie da mal mit reinschauen.

Wo sollte die Hilfe für Flüchtlinge koordiniert werden – bei der Stadt oder bei den anderen professionellen Helfern?

Es hat noch in keiner Firma funktioniert, wenn jede Abteilung sich selbst koordiniert. Es muss eine übergeordnete Stelle da sein. Wenn die Stadt sagt, sie will das übernehmen – was ich gar nicht unbedingt verkehrt finde –, dann muss das aber jemand sein, der sich beispielsweise beim Nachbarschaftsnetzwerk mal blicken lässt und auf die Verbände zugeht. Das vermisse ich im Moment ein bisschen.

Funktioniert in Herdecke die Integration der Flüchtlinge?

Ja. Sie funktioniert deswegen, weil beide Seiten es wollen. Streitereien mag es geben. Aber aus Herdecke ist mir nicht ein Fall von körperlichen Auseinandersetzungen bekannt. Ich habe das Gefühl: Die Menschen, die bei uns sind, sind gerne hier, die fühlen sich hier wohl, und sie freuen sich, dass sie in Herdecke sein dürfen. Die möchten gar nicht woanders hin.

Und die Aufnahmebereitschaft?

Die ist in Herdecke weiter groß, wie in anderen Städten dieser Größenordnung oft auch, wo die Menschen noch miteinander reden.