Dortmund/Herdecke. . Die Herdeckerin Patricia de Graat erlebte bei nationalen Titelkämpfen in “ihrer“ Halle eine bittere Enttäuschung. Schuld war ein Infekt.

Die Deutschen Meisterschaften haben für Patricia de Graat tränenreich geendet. Leider waren es keine Tränen des Glücks, die der jungen Herdeckerin in der Dortmunder Helmut-Körnig-Halle über die Wangen liefen. Rund anderthalb Stunden vor dem Finale über 1500 Meter hatte die Mittelstrecklerin vom Arzt des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) ein Startverbot auferlegt bekommen.

Morgens nach dem Aufwachen hatte sich die 19-Jährige schon nicht optimal gefühlt. „Da habe ich noch gedacht: Das ist nichts Schlimmes.“ Doch im Verlaufe des Sonntags wurden die Schmerzen immer stärker. Die Diagnose am frühen Nachmittag: ein schwerer bakterieller Infekt. Für ein Kräftemessen mit der nationalen Elite eine denkbar schlechte Voraussetzung, aus ärztlicher Sicht sogar unverantwortlich.

Ungewollter Spießrutenlauf

„Ich bin traurig, wütend und enttäuscht zugleich“, sagt Patricia de Graat kurz nach der Hiobsbotschaft mit brüchiger Stimme. „Klar, für die Gesundheit ist es besser nicht zu starten.“ Wieder steigen ihr Tränen in die Augen. „Da ist ein schlechter Wettkampf nicht so schlimm als wenn du gar nicht laufen darfst“, sagt die DM-Starterin der LG Olympia Dortmund bitter enttäuscht.

Zu diesem Zeitpunkt ist es noch eine halbe Stunde bis zum Endlauf um 16.05 Uhr. Patricia de Graat ist hin- und hergerissen, ob sie noch in der Halle bleiben soll oder zurück nach Herdecke fährt. „Jeder wünscht mir hier viel Glück. Dann muss ich sagen, dass ich gar nicht laufen kann“, so die Mittelstrecklerin. Mit jeder neuen Erklärung kommen die Emotionen wieder hoch – ein ungewollter Spießrutenlauf.

„Ich weiß gar nicht wohin mit meiner Enttäuschung“, sagt Patricia de Graat. Schließlich bleibt sie doch in der Halle, schaut von der Tribüne aus auf die Tartanbahn, auf der sie so gerne gestanden hätte. Den Finalstart hatte sie sich am Samstag redlich verdient. Mit einer Zeit von 4:28,73 Minuten war sie Fünfte des ersten von drei Vorläufen geworden. Die Hoffnung auf ein Weiterkommen der Lokalmatadorin, wie der Hallensprecher sie bei ihrer DM-Premiere in der Frauenklasse angekündigt hatte, war zunächst dennoch gering gewesen.

Nur vier Zehntel über der Bestzeit

Anfangs hatte sie sich an Position vier gehalten, letzten Endes kam sie als Fünfte ins Ziel. Die unmittelbar vor ihr platzierten Konkurrentinnen Linda Wrede (LT DSHS Köln) und Agnes Gers (SCC Berlin) liefen beide persönliche Bestleistung, Patricia de Graat blieb nur vier Zehntelsekunden über ihrer eigenen Rekordmarke. Die Herdeckerin brauchte gut fünf Minuten, um nach dem Rennen wieder sprechen zu können. Der Kreislauf sackte ihr weg, ein Regal am Rande der Aufwärmzone bot Halt.

Gut fünf Minuten nach dem schnellen Vorlauf fand sie die ersten Worte wieder. „Ich war die Woche über erkältet“, sagte die 19-Jährige, immer noch nach Atem ringend. „Die Zeit ist gar nicht so schlecht“, lautete ihr zweiter Satz. Dieser ließ die Hoffnung aufs Finale durchschimmern. Zwei weitere Vorläufe später war das fast unmöglich Scheinende doch noch wahr geworden: Als Neunte qualifizierte sie sich mit ihrer Zeit für den nächsten Tag – alle drei Zeitschnellsten für das Finale stammten aus ihrem Lauf.

Durch ihre Erkältung, die sich später als noch schlimmer herausstellen sollte, fehlte zum Ende des Rennens die Power – gerade die zeichnet die LGOerin sonst aus. „Aber es hat gereicht. Total schön. Das habe ich mir gewünscht“, sagte sie glücklich mit einem Lächeln. Aus ihrem Gesicht sprach die Vorfreude auf die Zugabe – ganz ohne Druck und große Erwartungshaltung. Das Happy End bei den 65. Deutschen Leichtathletik-Hallenmeisterschaften blieb jedoch aus.

Dramatischer hätte Patricia de Graats erste „große Deutsche Meisterschaft“ kaum verlaufen können. „Die Enttäuschung muss ich jetzt erstmal verarbeiten“, sagte die 19-Jährige. Wer die junge Leichtathletin auch abseits der Bahn ein bisschen kennt, der weiß, dass sie dieser Rückschlag nicht aus der (Lauf-) Bahn werfen wird.

>> SCHNELLER ALS DIE TITELTRÄGERIN

Wie Patricia de Graat musste auch Denise Krebs vom TSV Bayer 04 Leverkusen ihre Finalteilnahme über die 1500 Meter der Frauen kurzfristig absagen. Die Athletin mit der drittbesten Vorlaufzeit war am Samstag ebenfalls schon angeschlagen in den Wettbewerb gegangen, am Sonntag lag die 30-Jährige dann mit Fieber im Bett.

Der Endlauf in der Helmut-Körnig-Halle war von viel Taktik geprägt. Lange führte Joana Staub vom LC Rehlingen, 2017 Deutsche Jugendmeisterin auf dieser Distanz vor Patricia de Graat, das Feld an. Vor der zweitletzten Runde setzte sich Diana Sujew (LG Eintracht Frankfurt/Vorlaufzeit 4:35,70) an die Spitze – und ließ sich den Titel nicht mehr nehmen. Bei 4:30,54 Minuten überquerte die Freiluft-Vizemeisterin 2017 den Zielstrich. Damit war die neue Deutsche Hallenmeisterin mit ihrer Siegerzeit mehr als anderthalb Sekunden langsamer als Patricia de Graat im Vorlauf.

Konjunktive wie Nadelstiche

Vizemeisterin wurde Hanna Klein von der SG Schorndorf in 4:31,07 Minuten, Bronze ging an Vera Hoffmann (ASV Köln/4:31,41 Minuten). De-Graat-Dauerkonkurrentin Joana Staub wurde Vierte in 4:32,25 Minuten. „Das Finale anzuschauen, war hart, denn es war ein typisches Meisterschaftsrennen“, sagte Patricia de Graat im Anschluss. „Wenn ich hundertprozentig fit gewesen wäre, hätte viel möglich sein können“, haderte sie mit ihrem Startverzicht. „Aber es war die richtige Entscheidung, vor allem, da ich ja eh angeschlagen war“, versuchte sie den vielen Konjunktiven, die weh taten wie Nadelstiche, ihre schmerzhafte Wirkung zu nehmen. thl