Fasten ist etwas Individuelles, hat aber immer mehr auch eine gesellschaftliche Bedeutung, meint Pfarrer Dr. Horst Hoffmann aus Ende.

Vorbei sind die tollen Tage. In der Fastnacht beginnt die Fastenzeit. Umzüge in mehr oder weniger geschmackvoller Verkleidung, Feiern mit exzessivem Alkoholkonsum und ausschweifendem Sexualverhalten: Am Ende wird manchen die aufgezwungene Fröhlichkeit abhanden gekommen und anderen das eigene Verhalten vielleicht peinlich sein, weshalb man in Venedig Masken trug. Vorher die Sau raus und das schwache Fleisch hochleben lassen, am Aschermittwoch ist alles vorbei!

Traditionell waren die Wochen vor den zwei großen christlichen Festen Fastenzeiten, die Passions- und die Adventszeit. Begann die eine mit dem Ende des Karnevals 40 Tage vor dem Osterfest, so markierte der Martinstag, an dem man sich nochmals mit einer Gans stärkte, den Beginn der 40-tägigen Fastenzeit bis zur Weihnacht.

Fastenzeiten gibt es seit jeher in allen Religionen und Kulturen. Durch unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger begegnet uns der Ramadan. Zwischen Sonnenaufgang und -untergang dürfen Muslime keine Speisen und Getränke zu sich nehmen.

In der christlichen Tradition gab es unterschiedliche Fastenriten. Teils wurden Fleisch, Alkohol und Geschlechtsverkehr zum Tabu erklärt. Dann wieder war überhaupt nur eine Mahlzeit am Tage erlaubt. Fleisch, fetter Fisch, Eier, Butter, Käse und Milch waren im Mittelalter verboten. Bier war dagegen erlaubt. Um die enthaltsame Zeit zu überbrücken, brauten Paulaner-Mönche Starkbier und verkündeten: „Flüssiges bricht Fasten nicht.“ Wie man überhaupt mancherorts durchaus erfinderisch war, um das Fastenbrechen zu kaschieren. Die schwäbische Spezialität Maultaschen ist dafür ein Beispiel. Die Legende ihrer Entstehung erzählt, dass die Zisterziensermönche des Klosters Maulbronn (daher der Name) das in der Füllung enthaltene Fleisch unter dem Nudelteig versteckten. Im Volksmund heißen die Maultaschen daher auch „Herrgottsbscheißerle“.

Da viele vegetarisch leben und neue Genussmittel hinzugekommen sind, hat sich der Verzicht verlagert. Süßigkeiten, Rauchen, auch Fernsehen und Computerspiele werden zum Mittel der Entbehrung. Nun kann man durch den Genussmittel-Verzicht in sieben Wochen einige Kilo abnehmen. Und für die meisten Fastenden spielt das offenbar eine größere Rolle als die religiöse Motivation. Nur 11,7 Prozent befragter Frauen und Männer gaben an, aus Glaubensgründen in der Fastenzeit enthaltsamer zu leben.

Die Frage der Motivation war offensichtlich immer schon heikel. Jesus mahnt in der Bergpredigt, das Fasten nicht als eine religiöse Leistung öffentlich zur Schau zu stellen. Der Prophet Jesaja entlarvt das religiöse Fasten in seiner Widersprüchlichkeit: „Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der HERR Wohlgefallen hat? Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.“


Hier bekommt das Fasten eine politische Dimension, Gerechtigkeit üben und barmherzig sein mit den Armen und Schwachen. Das ist das rechte Fasten. In diesem Sinne: Carne vale!