Wetter. . Das Lox ist ein Lokal am Wetteraner Bahnhof, das sich dem Steampunk verschrieben hat. Hier geht es mit Volldampf in die Welt der Phantasie.

Seit Oktober vergangenen Jahres betreibt Sascha Masurkewitsch das Lox am Wetteraner Bahnhof. Das Lokal hat sich dem Steampunk verschrieben. Den will Masurkewitsch mit Hilfe seiner Lokalgestaltung, aber auch mit Veranstaltungen in Wetter integrieren.

Eine Gegenbewegung zur Wegwerfgesellschaft

Steampunk begann ursprünglich als literarische Strömung in den 1980er Jahren und hat seine Vorbilder in den Werken von Autoren wie Jules Verne.

Inzwischen haben sich daraus eine kulturelle Bewegung, ein Kunstgenre, ein Stil und eine Subkultur entwickelt.

Viele Steampunks verstehen sich als eine Gegenbewegung zur modernen Wegwerfgesells ch aft. Sie beschäftigen sich mit alten Techniken und entdecken neue Verwendungsmöglichkeiten für Altbekanntes.

Moderne Technik wird zum Beispiel in Holzkästen gebettet, Dinge werden mit Messing oder Kupfer ummantelt oder ganz neue, fantastische Kreationen erdacht, um einen Retrolook zu erhalten. Kleidung wird oft selbst genäht, oder Gekauftes wird umgestaltet.

Optisch lehnt sich die Kleidung an die Mode der viktorianischen Zeit an. Männer tragen oft Gehrock und Zylinder, Frauen große Roben, kurze Röcke, sichtbare Korsetts. Denkbar sind auch Expeditions- und Fliegeroutfits.

Häufiges Accessoires sind dekorierte Schweißer- oder Schutzbrillen (Goggles genannt), Taschenuhren und Gehstöcke. Eine große Rolle spielen Zahnräder.

Erfahrungen bringt Masurkewitsch aus seinem Lokal in Witten mit, in dem sich die Besucher bei Stammtischen und speziellen Dinnerabenden in die Zeit des Mittelalters versetzen können. So soll es auch mit dem Steampunk laufen. „Die ­Steampunk-Szene ist im Kommen“, sagt Masurkewitsch. Der alte Bahnhof in Wetter eigne sich hervorragend für ein Lokal mit diesem Motto. Schließlich drehe sich beim ­Steampunk (Steam = Dampf; Punk = andersartig) alles um Dampfmaschinen und das 19. Jahrhundert.

Ansturm beim ersten Treffen

Dass die Idee, den Steampunk nach Wetter zu bringen, offenbar eine gute ist, zeigt der Ansturm beim ersten Steampunk-Treffen. Masurkewitsch habe nicht damit gerechnet, dass eine solche Veranstaltung schon so kurz nach der Eröffnung zustande kommen und dann auch noch erfolgreich sein würde. Organisiert worden war das Treffen von Clara Lina Wirz. Seit neun Jahren gehört die Wittenerin der Szene an. An verschiedenen Orten organisiert die 26-Jährige lokale Steampunk-Treffen.

Als sie vom Lox erfahren habe, sei sie sofort mit einigen Begleitern „zum Testen“ in das Lokal gegangen. Zunächst sei sie skeptisch gewesen: „Steampunk dran schreiben kann ja jeder schnell. Man muss das Gefühl von alt haben.“ Und das sei im Lox der Fall gewesen.

Die Lokalität konnte aufgrund ihrer Atmosphäre überzeugen. Also wurden Plätze und Essen für das Treffen bestellt. Was mit einer übersichtlichen Teilnehmerzahl begann, entwickelte sich rasch zu einem der größten Treffen, die Wirz je auf die Beine gestellt hat. 63 Menschen fanden sich letztlich im Lox ein. Natürlich alle passend gekleidet. Wirz, die aus der japanischen Lolita-Szene kommt, näht einen Teil ihrer Kleidung selbst oder verändert gekaufte Sachen nach ihrem Geschmack. Entsprechend kommt sie in schwarz-rotem Rüschengewand zum Treffen. Sie liebt den Steampunk, hat sogar ein Buch über ­Steampunk geschrieben.

Mut zur Lücke

Clemens Kuytz ist aus Leverkusen nach Wetter gekommen. In den Niederlanden ist er erstmals mit Steampunk in Kontakt gekommen. „Man stellt sich vor, es gibt keine Elektrizität“, erklärt er die Idee hinter dem Steampunk. Das habe ihn so fasziniert, dass er regelmäßig zu Treffen fährt, so auch nach Wetter. Seine Kleidung bezieht er meist aus Kanada und den USA. Für die Verzierung stöbert er auf Trödelmärkten auf der Suche nach alten Uhrwerken.

Unter die Besucher des Treffens hat sich auch Anja Bagus aus Essen gemischt. Sie ist dank zahlreicher Steampunk-Romane in der Szene wohl bekannt. Anfangs habe sie viele ihrer Kleidungsstücke selber gemacht. Inzwischen habe sie aber wegen des Schreibens der Bücher kaum noch Zeit dafür. Stolz zeigt Sven Kivelitz aus Hagen seine selbst angefertigte Armkonstruktion vor. Für den 24-Jährigen nicht nur ein Bekleidungsstück, sondern auch eine ewige Erinnerung an seinen Großvater. Aus dessen Fundus stammen unter anderem eine Messingplatte und ein Kompass.

Kivelitz ist aus der Gotik-Szene zum Steampunk gekommen. Dass es ein Treffen in Wetter gibt, kommt dem Hagener sehr gelegen. „Das ist wenigstens mal ein kurzer Anfahrtsweg. Sonst fahre ich nach Bochum oder Köln“, freut sie der 24-Jährige. Dem kann sich Juliane Fleer nur anschließen. Durch eine Freundin ist die Wetteranerin zum Steampunk gekommen. „Ich habe mich schon immer für historisierende Fantasiewelten interessiert. Als ich die ersten Bilder zu dem Thema im Internet gesehen habe,war ich sehr begeistert. 2014 sind wir dann gemeinsam nach Luxemburg auf die ‚Anno 1900‘ gefahren“, erzählt sie.

Den Großteil ihrer Steampunk-Kleidung macht die Wetteranerin selber. Auch Schmuck. Aber: „Blusen und Korsetts, die nähe ich nicht so gerne. Die dürfen schon fertig in meinen Schrank einziehen.“

Dass so viele Menschen zum Treffen ins Lox gekommen sind, habe Fleer sehr überrascht. Sie sei gerne in Wetter und freute sich, wenn etwas Leben in den Ort käme. „Vielleicht wird es ja ein richtiger Stammtisch, der regelmäßig stattfindet. Wer weiß. Das Lox mit dieser Thematik hier zu eröffnen, war definitiv mutig. Leider hält sich hier vieles nicht lang. Ich hoffe mit dem Lox wird es anders laufen“, sagt Fleer.