Ennepe-Ruhr. . Der jüngste Busfahrer im EN-Kreis kommt aus Ennepetal. Phillip Drees, sein Ausbildungsleiter und VER-Geschäftsführer Bökenkötter im Interview.

Bürger meckern gerne über sie. Aber Bürger sind gleichzeitig häufig von ihnen abhängig. Denn ohne die Menschen, die sich hinter das Steuer eines Busses klemmen, kämen viele nicht zur Schule, nicht zur Arbeit, nicht in die Stadt zum Einkaufen. Doch wie ticken eigentlich Busfahrer? Und warum will ein junger, aufstrebender Mensch diesen Beruf erlernen und sich mit ständigen Wochenend- und Feiertagsdiensten, schwierigen Witterungsverhältnissen, dem täglichen Straßenverkehr und nicht zuletzt anstrengenden Fahrgästen rumquälen?

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Wir brachten den Ennepetaler Phillip Drees, mit blutjungen 19 Jahren aktuell in der Ausbildung bei der Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr (VER), mit Ausbildungsleiter Frank Heine und VER-Geschäftsführer Peter Bökenkötter an einen Tisch, um über das „Berufsbild Busfahrer“ zu plaudern.

Herr Drees, warum werden Sie Busfahrer?

Phillip Drees: Ich bin schon privat immer sehr gerne gefahren, eigentlich alles. Mofa, bei einem Bauern in der Nähe Trecker und irgendwann hat man mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, Busfahrer zu werden. Da dachte ich: Warum nicht?

Was muss denn ein guter Busfahrer mitbringen?

Drees: Zunächst einmal Interesse für den Beruf. Wer keinen richtigen Bock darauf hat, sollte es lieber nicht machen. Man braucht zudem technisches und räumliches Verständnis, dazu ein gutes Sprachvermögen, man sollte die Rechtschreibung beherrschen, um die Gespräche mit den Kunden vernünftig zu führen. Man sollte flexibel sein, kein Problem mit wechselnden Früh-, Mittag- und Spätschichten haben und natürlich pünktlich sein.

Peter Bökenkötter: Zuverlässigkeit. Der Fahrgast steht an der Haltestelle und erwartet, dass wir kommen. Sie brauchen Nervenstärke und ein gutes Händchen für das Fahrzeug, aber vor allem auch ein gutes Händchen für Menschen. Man muss natürlich Talent haben, denn ein zwölf Meter langes Fahrzeug zu lenken, ist nicht einfach. Es ist für Fahrer auch eine absolute Umgewöhnung, denn im Bus sitzen Sie vor der Achse, im Auto dahinter.

Frank Heine: Sie sollten zudem mit Stress und Zeitdruck umgehen können, der immer mal entstehen kann.

Nicht zuletzt auch durch unruhige Fahrgäste. Gibt es spezielle Techniken für Busfahrer, die einem dabei helfen, zum Beispiel mit lärmenden Schulklassen umzugehen?

Drees: Oft hört man einfach weg. Aber wenn die hinten am Bus anfangen, rumzuschreien oder rumzupöbeln, dann müssen wir auch mal einschreiten.

Heine: Wenn Kinder drücken, niemand aussteigt und niemand will es gewesen sein – da gibt es manche Fahrer, die explodieren. Bleibt der Fahrer ruhig, merken die Kinder irgendwann: ‘Och, der regt sich ja gar nicht auf’ und verlieren die Lust.

Bökenkötter: Das ist aber leichter gesagt als getan. Wir haben ja alle unsere Tage, wo unsere Stimmung und Form nicht zu 100 Prozent positiv ist. Wenn sie dann sieben Stunden durch den Verkehrsstress unterwegs sind und zwischendurch noch nervigen Kundenkontakt hatten – irgendwann wird man einfach laut. Wir versuchen durch unsere Schulungen zu vermitteln, dass man Störungen – so gut, wie es geht – ertragen sollte.

Was vor allem schwer wird, wenn alkoholisierte und/oder gewaltbereite Personen befördert werden.

Heine: Die Fahrer werden dahingehend geschult, dass sie in solchen Situationen Ruhe bewahren und nicht selbst eingreifen. Über die Leitstelle soll dann die Polizei benachrichtigt werden.

Bökenkötter: Die Vorgabe ist ganz klar: Deeskalierend handeln, nicht auf Diskussionen einlassen und sofort über die Leitstelle Hilfe holen.

Wer Busfahrer werden will, muss vor allem auch eines: Strecken auswendig lernen. Kann man sich das vorstellen wie das Vokabeln lernen in der Schule?

Drees: Es ist schon von Vorteil, wenn man Ortskenntnis hat... (lacht)

Heine: Streckenkunde ist schon ein wichtiger Teil der Ausbildung. Wenn ein Azubi die ganzen Regelinien, Schnellbuslinien und Schulbuslinien drin hat, führen wir eine Streckenabnahme durch. Wenn er die besteht, darf er alleine fahren.

Bökenkötter: Gewisse Linien machen zu bestimmten Zeiten ja mal einen Schlenker woanders hin. Das müssen die Fahrer natürlich auch wissen. Wenn sie da eine Abfahrt verpassen, wird es schwierig. Mit drei Zügen auf der Straße mal eben wenden, klappt im Regelfall nicht.

Ein anderes, für den ein oder anderen Fahrer sicher eher unangenehmes Thema: Feiertagsdienste. Für Busfahrer gibt es ja so gesehen keine Feiertage...

Drees: Das habe ich mir ja so ausgesucht, das muss mir vorher klar sein. Aber dafür bekommt man ja auch die Zuschläge (lacht)...

Fahrpläne und Fahrwege einstudieren und auswendig lernen ist für Phillip Drees ein wichtiger Teil der Ausbildung.
Fahrpläne und Fahrwege einstudieren und auswendig lernen ist für Phillip Drees ein wichtiger Teil der Ausbildung.

Aktuell immer wieder ein heißes Thema: Witterungsbedingte Fahrausfälle, für die manch ein Fahrgast kaum bis kein Verständnis hat. Erklären Sie unseren Lesern doch mal, wie festgelegt wird, wann die Busse fahren und wann nicht.

Heine: Das liegt im Ermessen des Fahrers. Wenn viel Schnee fällt, hat der Fahrer die Verantwortung zu sagen: ‘Diesen Berg fahre ich nicht mehr rauf.’ Derjenige in der Leitstelle kann das nicht einsehen und vertraut dem Fahrer.

Im Ennepe-Ruhr-Kreis spielt bei Schnee und Eis auch die Topografie eine Rolle. In den Höhenlagen wird es deutlich problematischer...

Bökenkötter: Absolut. Beispielsweise sind die Unterschiede zwischen Straßen in Wetter und Straßen in Breckerfeld in einigen Fällen gewaltig.

Heine: Und den Leuten in den Höhenlagen müssen sie dann erklären, warum unten alles fährt und oben nichts geht.

Bökenkötter: Egal, welche Karte sie spielen: Sie verlieren. Fahren wir nicht, beschweren sich die Leute über Ausfälle. Fahren wir und der Busfahrer baut einen Unfall, heißt es: ‘Wie unverantwortlich sind die bitte?’ Wir setzen lieber auf Sicherheit, bevor wir hinterher in Ihrer Zeitung lesen müssen, wie verantwortungslos wir mit Menschenleben umgehen. Ich werde niemals einen Kollegen kritisieren, der in so einer Situation stehen bleibt.

Drees: Wenn ein bisschen Schneematsch auf der Straße liegt, übersteuert der Bus und rutscht über die Vorderachse weg.

Bökenkötter: Die Gefahrenlage ist für einen Bus eine ganz andere als für einen Pkw. Das Gewicht und die Verantwortung für den Busfahrer sind viel höher. Ein Bus mit seinem Eigengewicht kann sich auf abschüssigen Straßen selber in Bewegung setzen. Dann ist der Fahrer nur noch ein Beifahrer und kann nichts machen. Wenn ein Bus ins Rutschen kommt, dann halten sie den nicht mehr. Kommen dann Personen zu Schaden, dann wäre dies durch uns verursacht. Wir müssten dafür geradestehen.

Manche Busfahrer reagieren harsch, wenn es um das Thema „Essen und Trinken im Bus geht“. In Essen wurde kürzlich eine Frau aus dem Bus geschmissen, weil sie in ein Rosinenbrötchen gebissen hat. Wie kulant ist die VER?

Heine: Wenn ein Fahrer einen Fahrgast wegen einem Rosinenstütchen aus dem Bus schmeißt, würden wir mit ihm sprechen (lacht). Kommt ein Fahrgast mit einer offenen Schale Pommes, geht das nicht. Hat er einen geschlossenen „Kaffee to go“-Becher und nippt daraus, haben wir da kein Problem mit. Grundsätzlich liegt das im Ermessen des Fahrers.

Bökenkötter: Im VRR ist es über die Beförderungsbedingungen für alle Verkehrsunternehmen geregelt, dass im Fahrzeug nicht gegessen oder getrunken wird. Wichtig ist, dass nichts schwappt.

Drees: Es kann ja immer mal passieren, dass man mal stark bremsen muss. Dann fliegt alles nach vorne und der Bus ist versaut. Cola klebt ja auch.

Bökenkötter: Und dann bekommen wir die Rechnung von der Reinigung...

„FiF“-Ausbildung bei der VER

Heutzutage sei es laut Frank Heine „unheimlich schwierig, qualifizierte und gute Leute für den Job des Busfahrers zu finden.“ Die VER bietet daher die dreijährige „FiF“-Ausbildung (Fahrkraft im Fahrbetrieb) an.

Acht Monate der Ausbildung bestehen aus Schulungen, die blockweise am Berufskolleg Hattingen absolviert werden.

Weitere Informationen dazu finden Neugierige im Internet (unter
www.ver-kehr.de/25075.html).

Thema Rollstuhlfahrer als Fahrgäste: Manch ein Fahrer steigt sofort aus, klappt die Rampe runter und befördert den Fahrgast auf den für ihn vorgesehenen Platz. Manch einer bleibt vorne sitzen. Wie sollte dies im Optimalfall gehandhabt werden?

Drees: Oft stehen die Kunden sofort auf und machen die Rampe selber runter.

Bökenkötter: Obwohl die das natürlich nicht dürfen. Diese Einrichtung darf nur von fachkundigem Personal bedient werden, verletzt sich dabei jemand, haben wir ein Thema.

Heine: Bei uns wüsste ich diesbezüglich aber von keinen größeren Schwierigkeiten.

Drees: Blöd nur, wenn einem der Hebel, der die Rampe aus der Verankerung zieht, abbricht...

Bökenkötter: Im Idealfall sollte der Fahrer beim Halt die Vordertür abschließen, die Kasse sichern, nach hinten gehen, dem Gehbehinderten beim Einstieg helfen und dann die anderen Fahrgäste bedienen. Problem: Viele nicht-behinderte Zeitgenossen sehen das leider nicht ein. Die drängen dann gerne auch mal.

Hand aufs Herz: Passiert es, dass Busfahrer gewissen Fahrgästen Tipps á la „Steigen Sie mal eine Haltestelle später ein, dann zahlen sie aufgrund des Verbunds weniger“ geben?

Bökenkötter: Es gibt verschiedene Auffassungen des Wortes „Kundendienst“. Der Kunde steigt an Haltestelle A ein und an Haltestelle B aus. Das ist eine Dienstleistung, für die es festgelegte Preise zu zahlen gilt. Kundenberatung sollte so aussehen, dass dem Kunden zum Beispiel ein 4er-Ticket empfohlen wird, wenn er eine bestimmte Strecke womöglich öfter fahren will. Denn das Einzelticket ist schon das teuerste.

Lassen Sie uns abschließend einen Blick in die Zukunft werfen. Wie wird der Busfahrer-Beruf in zehn Jahren aussehen?

Bökenkötter: Was den Kundendienst und Kommunikation angeht, wird es noch anspruchsvoller, weil die Gesellschaft immer höhere Anforderungen stellt. Autonomes Busfahren sehe ich dann noch nicht.

Heine: Sehe ich genauso. Ich stelle mir nur die Frage, wo die neuen Busfahrer herkommen sollen. Wenn sie mit dem privaten Berufswunsch „Busfahrer“ in die Fahrschule gehen, liegen sie ganz locker bei 8000 Euro. Wer tut sich das an?

Bökenkötter: Die „Fahrschule der Nation“, die Bundeswehr, gibt‘s nicht mehr. Da kamen viele schon mit dem damaligen Führerschein der Klasse 2 an und mussten nur noch die Personenbeförderung drauflegen.

Heine: Im Lkw-Bereich ist es ähnlich. Dazu noch Feiertags- und Wochenenddienst und das Gehalt ist auch nicht so riesig…

Drees: Och, man verdient schon nicht schlecht… (lacht) Ich denke, dass sich vieles rund um den Bus verändern wird. Vor allem in der Technik. Der Diesel wird sich wohl bald verabschieden.