Ennepe-Ruhr/Gevelsberg. . Elterntaxis sorgen an vielen Grundschulen für gefährliche Situationen. An der Gevelsberger Pestalozzi-Schule wurde dagegen kreativ demonstriert.

Mittwoch, 7.30 Uhr, eine typische Morgendämmerung an einem Wintertag. Vor der Pestalozzi-Grundschule an der Teichstraße in Gevelsberg bilden 120 mit Warnwesten ausgestattete Erst- und Viertklässler eine leuchtende Menschenkette, die sich über einen Großteil des Bürgersteigs erstreckt. Die Autos fahren im gemäßigten Tempo an ihnen vorbei. „Glauben Sie bloß nicht, dass das sonst hier so ruhig ist“, sagt Klassenlehrerin Ulrike Meineke.

Zu Fuß zur Schule – aber richtig!

Klar ist: Aggressionen gegenüber denjenigen, die im Hinblick aufs Kindeswohl die Regeln einhalten, sind immer fehl am Platze. Die Verbotsschilder stehen ja nicht umsonst dort. So richtig wirksam sind sie aber nicht.

Genau so wenig wie die Mini-Bußgelder von 10 bis 15 Euro, für den (Zu)Fall, dass sich doch mal ein Polizist an Ort und Stelle verirrt. Nachvollziehbar sind Argumente beider Seiten: Als Papa oder Mama möchte ich mein sechs Jahre altes Kind nicht in der Dunkelheit zur Schule laufen lassen – auch keine 400 Meter. Ein ganz normaler Instinkt.

Andererseits kann das irrwitzige „Quietschereifen-Anhalten“ direkt vor der Eingangstür auch nicht des Weisheit letzter Schluss sein. Ebenso dürfen sich auch Grundschüler höherer Klassen langsam daran gewöhnen, den Schulweg bei entsprechender Nähe zu Wohnstätte oder einem Bus-Haltepunkt zu Fuß zurückzulegen. Der „Walking Bus“ in Herdecke hat sich, wie sie vor einigen Tagen an dieser Stelle lesen konnten, bewährt. Nehmen Sie das doch mal als Denkanstoß!

Kaum ist der Satz ausgesprochen, fährt eine Mutter an der meterlangen Menschenkette vorbei – und hält verbotenerweise auf dem Bürgersteig an, um ihren Sprössling pünktlich zu Unterrichtsbeginn vor der Schule abzuliefern.

Polizeihauptkommissar Peter Scherpeltz eilt herbei und belegt die Frau mit einem Bußgeld.„Wobei ich überlege, sie jetzt mal anzuzeigen. Die habe ich hier jetzt schon zum vierten Mal erwischt“, sagt er.

Hier, am Aufgang zur Schule, werden Lehrkräfte und Kinder nicht selten Zeuge von gefährlichen Anhalte- und Wendemanövern. Zahlreiche Eltern liefern ihren Nachwuchs direkt vor die Klassentür, obwohl mit Verkehrsschildern ein eindeutiges Halteverbot gekennzeichnet ist.

Schlecht sichtbare Kinder

Für Peter Scherpeltz gehört die enge Straße im Gevelsberger Stadtkern zu den häufigeren Einsatzorten. „Morgens zu Schulbeginn steht da nicht selten eine Schlange von zehn ‘Elterntaxis’ auf dem Bürgersteig, mittags ist es das Gleiche. Ampeln und auch die Kinder sind so insbesondere im Herbst und Winter nur schlecht sichtbar“, mahnt er.

Gemeinsam für einen sicheren Schulweg: Schulleiterin Heike Feldmann, Polizeihauptkomissar Peter Scherpeltz und drei Erstklässler.
Gemeinsam für einen sicheren Schulweg: Schulleiterin Heike Feldmann, Polizeihauptkomissar Peter Scherpeltz und drei Erstklässler. © Patrick Friedland

Schulleiterin Heike Feldmann versuchte bereits mehrfach, die Situation mit Hilfe der schulischen Elterninitiative zu entspannen. Vergeblich. „Es muss einfach ins Bewusstsein der Eltern, dass sie Teil des Gefahrenpotenzials sind. Noch ist hier nichts Schlimmes passiert. Aber soweit dürfen wir es gar nicht erst kommen lassen“, weiß sie.

Einsicht ist häufig nicht die große Stärke der betroffenen Eltern, geht es nach Scherpeltz: „In Einzelfällen wird man uns gegenüber sogar aggressiv. Einer drohte sogar schon mal mit den Bandidos.“

Nur Wenige laufen im Dunkeln

Dies, obwohl eine gefahrenlose Haltemöglichkeit nur einige Hundert Meter weiter im Wohngebiet vorhanden wäre. „Aus pädagogischen Gründen wäre es besser, wenn die Kinder einen Schulweg von 400 Metern alleine gehen würden“, findet Heike Feldmann.

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Eine Einstellung, die nicht jede Mutter teilt. Bianca Lippold, an diesem Mittwochmorgen ebenfalls anwesend, bringt ihre Tochter, eine Erstklässlerin, jeden Morgen zur Schule: „Ich parke etwas weiter weg in der Rosenstraße. Von da an würde ich sie im Dunkeln aber nicht alleine laufen lassen“, sagt sie. Ein Problem: Entlastung durch Schulbusse und Buslinien gibt es hier nicht.

Vier Wochen später: Die gelben Fußspuren, die in der Zwischenzeit zur Signalwirkung auf den Boden gemalt wurden, sind schon wieder leicht verblasst. Jedoch scheinen die Aktionen Wirkung zu zeigen. „Die Situation hat sich tatsächlich verbessert. Ich habe den Eindruck, dass die gelben Fußstapfen den Eltern mehr ins Auge fallen als die Halteverbotsschilder. Deswegen werden die bald auch nochmal nachgezogen“, sagt Scherpeltz.

Vor der Grundschule Pestalozzi haben Lehrer und Eltern gelbe Fußspuren auf den Gehweg gemalt, um Elterntaxis vom verbotenen Halten abzuhalten.
Vor der Grundschule Pestalozzi haben Lehrer und Eltern gelbe Fußspuren auf den Gehweg gemalt, um Elterntaxis vom verbotenen Halten abzuhalten. © Patrick Friedland

Auch die Schulleitung äußert sich vorsichtig zufrieden: „Wir sind positiv überrascht. Eltern halten nun zunehmend im vorgeschlagenen Bereich. Mittlerweile sind die Kinder selbst dahinter und winken die anfahrenden Eltern weiter“, resümiert Heike Feldmann. Allerdings habe sich die Problematik nun zunehmend an den oberen Schulberg verlegt, was „natürlich auch nicht günstig ist“, sagt sie.

Menschenkette nun jährlich

Die Aktion „Menschenkette“ will die Schule übrigens ab 2018 jährlich mit den jeweils neuen Erstklässlern durchführen. Und eine letzte Maßnahme soll an der Teichstraße nun endgültig dafür sorgen, dass die Sicherheit auf dem Schulweg deutlich erhöht wird. Die gesamte Elternschaft erhielt vor kurzem einen Brief, in dem eine „Kiss&Go-Area“ als Halte- und Verabschiedungszone vorgeschlagen wird. Ob dies akzeptiert wird und auf Dauer hilft?

Interview mit Susanne Landsberger