Volmarstein. . Fast 20 Jahre ist Michael Krahn als Bezirksbeamter in Volmarstein unterwegs. Eine Aufgabe, die er auch seinem Sohn zu verdanken hat.

Angelika und Michael Krahn sitzen am Esstisch und erzählen. Über den Polizeidienst, über die Menschen in Volmarstein, über die Beziehung zur Stiftung. Aus dem Wohnzimmer hört man von Zeit zu Zeit ein Glucksen. Sohn Christian sitzt auf dem Sofa, der Fernseher läuft. Eigentlich eine ganz normale Familienszene und doch ist etwas anders. Christian ist 33 Jahre alt, „doch er ist ein Kleinkind“, sagt Angelika Krahn. Gerade einmal 18 Kilo wiegt ihr Sohn, bei dem es schwer fällt, ihn einen jungen Mann zu nennen. Denn das ist er nur auf dem Papier.

Ein Jahr gaben die Ärzte dem Kind

Dass es nicht die „Papierform“ ist, die im Leben entscheidet, wird einem beim Besuch der Krahns einmal mehr bewusst. „Ein Jahr haben sie Christian damals gegeben“, erinnert sich Angelika Krahn an die Tage nach der Geburt. Ein Jahr, aus dem die Eltern das Beste machen wollten. Ein Jahr, aus dem inzwischen 33 geworden sind. Jahre, in denen Christians Eltern immer mit dem Gedanken gelebt haben, dass es am nächsten Tag vorbei sein kann. Jahre, in denen sie sich aber auch jeden Morgen gefreut haben, wenn ihr Sohn sie „mit einem Lachen begrüßt hat“.

Fast jeder kennt ihn

Es ist eine beeindruckende Zufriedenheit, ein gelassenes Hinnehmen der Dinge, die bei dem Paar zu spüren ist. Eine Haltung, die Michael Krahn in seinem Beruf als Polizist vielleicht genau da hin gebracht hat, wo er ist: in den Bezirksdienst in Volmarstein. Nach der Ausbildung wollte Krahn, der mit zwei Brüdern in Alt-Wetter groß geworden ist, zwar gerne in den Ennepe-Ruhr-Kreis. Doch Wetter, das sollte es eigentlich nicht sein. Heute sieht er es als Vorteil an, in einem im doppelten Sinn „bekannten Revier“ zu arbeiten. „Wir sind als Jungs schließlich kreuz und quer durch die Gärten gezogen“, gibt er mit einem Augenzwinkern zu, dass Nachbars Äpfel meist besser geschmeckt haben.

Grundschüler erinnern sich

Seit fast 20 Jahren sind es zwar nicht mehr die Gärten, durch die Michael Krahn (der den Heinz im Vornamen nur auf der Visitenkarte trägt) durchstreift, doch das Thema Nachbarschaft ist geblieben. Als Bezirksbeamter in Volmarstein kennt er beinahe jeden und noch mehr kennen ihn. Und zwar so nachhaltig, dass Krahn selbst beim Einkaufsbummel in Dortmund angesprochen wird. „Da steht man dann von einem großen jungen Mann und weiß ihn nicht einzuordnen“, sagt der 61-Jährige. Meist ist es die Fahrradprüfung, die die Grundschüler so beeindruckt, dass sie ihren Lehrer auch 20 Jahre später nicht vergessen haben. Ein gutes Gefühl, das Krahn auch in den im nächsten Jahr anstehenden Ruhestand begleiten wird.

Ein bunter Hund

In Schulen und in Kindergärten ist Michael Krahn regelmäßiger Gast, aber auch die Evangelische Stiftung gehört zu seinem Revier. Die kannte der Polizeihauptkommissar aus der eigenen Betroffenheit schon, bevor er in den Bezirksdienst nach Volmarstein berufen wurde. Für seine Vorgesetzten war wohl genau das ein Kriterium, den Beamten für die Arbeit in Volmarstein auszuwählen. Michael Krahn ist immer offen mit der Behinderung seines Sohnes umgegangen, auch schon zu Zeiten, „als Behinderte noch versteckt wurden“. Eine Offenheit, die ihm auch in der Begegnung mit den Behinderten hilft. „Hallo Herr Dorfsheriff“, rufen sie ihm zu, wenn er aufs Gelände kommt. „Er ist ein bunter Hund“, sagt Ehefrau Angelika, die selbst bei der Stiftung im Nachtdienst im Haus Bethanien mit behinderten Menschen arbeitet.

Mit dem Caravan auf Reisen

Es ist ein ganz normales Leben, das Angelika und Michael Krahn führen. Ja, da sind die Kämpfe mit der Krankenkasse um jedes Hilfsmittel, das ersetzt werden muss. Ja, da ist die Odyssee durch drei Krankenhäuser, die alle nach einem Blick aufs Geburtsdatum Christian auf der Männerstation unterbringen wollten, „dabei gehört er auf die Kinderstation“. Ja, da ist die Frage, wohin es in Urlaub gehen kann? Immer mit Christian, dem ewigen Kind im Rollstuhl. „Wir fahren inzwischen mit dem Caravan, ganz spontan nach Norden oder in den Süden der Republik“, sagt Michael Krahn. Hotels lassen sich nicht stornieren, wenn es Christian nicht gut geht. „Dafür gibt es keine Reiserücktrittsversicherung.“ Doch Angelika und Michael Krahn sitzen beim Schein der ersten Adventskerze am Tisch und sagen: „Uns geht es gut. Sehr gut.“

Offizieller Abschied zum 30. April

Am 1. Oktober 1973 hat Heinz-Michael Krahn seine Ausbildung bei der Polizei begonnen. Nach Grundlehrgang und Bereitschaftspolizei wurde er nach Wetter versetzt.

Seit Dezember 1998 ist Michael Krahn Bezirksbeamter in Volmarstein. Offiziell versieht er diesen Dienst noch bis zum 30. April 2018.

Mit Urlaub und Überstunden wird der Abschied von der „tollen Truppe“, wie er die Kollegen in Wetter nennt, allerdings schon früher anstehen.

So normal wie das Leben, so normal sind auch die Wünsche, die die beiden Volmarsteiner („natürlich sind wir Zugezogene“) haben. Frieden für die Welt, da schließt sich Michael Krahn dem Erzieher und Schauspieler Karl Hartmann an, der zum Auftakt der „Mein Wunsch für die Welt“-Serie porträtiert wurde. „Manchmal hat man in diesen Tagen ja Angst, dass einer etwas auslöst, das dann nicht mehr zu beherrschen ist“, sagt der Polizist mit Blick über den Atlantik. Michael Krahn wünscht sich eine Politik, die in die Welt ausstrahlt. „Wir sollten vielleicht mehr dort helfen, wo die Probleme sind“, sagt er. Und was die Dinge hier vor der eigenen Haustür angeht, wünschen sich die Krahns einfach mehr Kommunikation. „Wir müssen miteinander reden, auch in der direkten Nachbarschaft“, sagt Angelika Krahn. Eine Aufgabe, die Michael Krahn als Bezirksbeamter für den Stadtteil Volmarstein noch bis zum Frühjahr übernimmt. Dann hängt er die Polizeimütze an den Nagel. Und was kommt dann? „Hoffentlich viele gute gemeinsame Jahre. Alles Materielle ist egal.“