Herdecke. . Unbekannte besteigen den 220 Meter hohen Cuno-Schornstein und filmen sich dabei. Sicherungsmaßnahmen von Mark E greifen bislang nicht.

  • Unbekannte verschafften sich Zutritt zum Schornstein des Cuno-Kraftwerks
  • Sie kletterten bis zur Spitze und filmten sich dabei
  • Mark E stellte Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs

Locker baumeln Beine vom Rand eines Schornsteins in über 200 Metern Höhe. Kameraschwenk in die Umgebung: Der Blick ist atemberaubend – genauso wie das, was diejenigen vor und hinter der Kamera getan haben. Sie haben sich Zugang zum Kamin des Cuno-Schornsteins verschafft, sind zunächst von innen und dann außen am Schornstein hinaufgeklettert – ohne Sicherung. Die Lokalredaktion erfuhr kürzlich, dass sie sich dabei auch noch gefilmt und die Videos im Internet veröffentlicht haben. Nun beschäftigt sich nicht nur der Kraftwerksbetreiber Mark E, sondern auch die Polizei mit den Kletterern.

„Urban Climbing“: Polizei spricht von Trend bei jungen Erwachsenen

Laut Polizei EN geht es bei derartigen Aktionen oft um die Erforschung von sogenannten „Lost Places“, also verlassenen Gebäuden und Einrichtungen.

Polizeisprecherin Sonja Wever: „Das Verhalten der beiden im Video abgebildeten Personen könnte man unter die Begriffe Urban Climbing oder auch Buildering fassen. Das ist eine Form des Kletterns im städtischen Raum an Objekten oder Bauten. Dies ist ein Trend, bei demmeist Jugendliche und junge Erwachsene ohne Sicherung auf hohe Bauwerke oder Gebäude klettern, um sich dort zu fotografieren oder zu filmen und anschließend diese Videos in sozialen Netzwerken zu teilen.“

Die hatten den blinkenden Schornstein nach eigenem Bekunden schon lange im Blick. „Das war ewig geplant, und die Anstrengung hat sich gelohnt“, heißt es in einem Kommentar unter dem Video. Es trägt den Titel „220 Meter Schornstein klettern. Wir haben es geschafft.“ Felix Tomb und Urban Exploration sind weitere Angaben, die der Betrachter findet. Ob es sich dabei um einen erfundenen oder den richtigen Namen eines der Kletterer handelt, wird die Polizei klären, nachdem der Kraftwerksleiter Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt hat. „Wir haben der Polizei auch weitere Unterlagen zukommen lassen, um diese Leute zu finden“, sagt Uwe Reuter von der Pressestelle des Energieversorgers Mark E. Das Thema sei bekannt, aber „nicht sensationell neu“.

Die den Schornstein umgebende Fläche sei mit einem „Betreten verboten“-Schild als Privat- bzw. Unternehmensfläche gekennzeichnet. „Das ist aber längst nicht die einzige Maßnahme, die wir zur Sicherung ergriffen haben. Der Zugang zum Kamin ist mit einer Tür gesichert, an der in den letzten Monaten mehrere Sicherungsmaßnahmen durchgeführt wurden, die alle geknackt wurden. Auch ein zusätzlich angebrachter Stahlriegel hielt nur zwei Wochen“, so Reuter. Schließlich sei die Tür zugeschweißt worden, aber auch das habe die Leute nicht gehindert, einzubrechen. „Alle Maßnahmen sind ins Leere gelaufen. Die Anlage dient aktuell zur Flugsicherung, aber der Kamin als solcher ist nicht in Betrieb. Und der Zugang liegt im Wald. Das macht es alles nicht einfacher.“ Dabei führe das Unternehmen bereits regelmäßige Kontrollgänge durch.

Besteigen ist „ extrem gefährlich“

„Wir können nur an alle appellieren, das zu unterlassen. Der Schornstein ist kein Kinderspielplatz; ihn zu besteigen, ist hochgefährlich“, so der Unternehmenssprecher weiter. Er vermutet eine Mischung aus Langeweile, krimineller Energie und Suche nach dem Kick, die junge Leute dazu veranlasse, Derartiges zu tun. „Und es ist auch provozierend, wie die sich im Video zeigen“, meint Reuter.

Von einem „bekannten Trend bei Jugendlichen und Erwachsenen“ spricht Polizeioberkommissarin Sonja Wever, Sprecherin der Kreispolizeibehörde EN, der ganz ohne Zweifel „extrem gefährlich“ sei.

Verlassene Orte

Benjamin Köhler ist ein Urban Explorer. Mit seiner Kamera betritt der Meschder verlassene Orte in ganz NRW und macht faszinierende Bilder.
Benjamin Köhler ist ein Urban Explorer. Mit seiner Kamera betritt der Meschder verlassene Orte in ganz NRW und macht faszinierende Bilder. © Benjamin Köhler
Benjamin Köhler ist ein Urban Explorer. Mit seiner Kamera betritt der Meschder verlassene Orte in ganz NRW und macht faszinierende Bilder.
Benjamin Köhler ist ein Urban Explorer. Mit seiner Kamera betritt der Meschder verlassene Orte in ganz NRW und macht faszinierende Bilder. © Benjamin Köhler
Benjamin Köhler ist ein Urban Explorer. Mit seiner Kamera betritt der Meschder verlassene Orte in ganz NRW und macht faszinierende Bilder.
Benjamin Köhler ist ein Urban Explorer. Mit seiner Kamera betritt der Meschder verlassene Orte in ganz NRW und macht faszinierende Bilder. © Benjamin Köhler
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Sollte die Polizei ein derartiges Verhalten feststellen oder zu einem solchen Einsatz gerufen werden, werde „sofort im Rahmen der Gefahrenabwehr gehandelt und nicht weggesehen“. Die strafrechtliche Verfolgung gestalte sich „leider sehr schwierig“. Da sich hier die Personen im Allgemeinen auf Privatgrundstücken bewegten, kämen Straftaten wegen des verletzten Hausrechts des Grundstückeigentümers oder gegebenenfalls der Straftatbestand der Sachbeschädigung in Frage. „Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung fallen jedoch unter die absoluten Antragsdelikte, das bedeutet, dass die Justizbehörden grundsätzlich nur auf Antrag des Eigentümers tätig werden.“

Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet

Im aktuellen Fall hat Mark E als Eigentümer des Grundstücks bereits Anzeige wegen Hausfriedenbruchs erstattet. Die Kripo habe dementsprechend die Ermittlungen aufgenommen. „Das Gelände ist mittels Stabgitterzaun umfriedet und verschlossen. Zusätzlich wurde das Gebäude unter anderem mittels Verschweißen der Stahltüren sowie Verschweißen von ,H-Trägern’ an der Tür gesichert. Diese wurden jedoch mehrfach wieder aufgebrochen und so überwunden“, weiß Sonja Wever.

Mark E sei damit seiner Sicherungspflicht „erstmal ordnungsgemäß nachgekommen“. Und die Polizei? Die fahre regelmäßig Streife und tue dies auch weiterhin – „im Rahmen der Möglichkeiten“.