Herdecke. . Die Gewerkschaft Verdi organisiert am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke eine Protest-Mittagspause. Mit Abkühlung.

  • Die Gewerkschaft Verdi machte am Ender Krankenhaus mobil
  • In einer Protest-Mittagspause gab es Eis und Infos für Mitarbeiter
  • Verdi fordert 20 000 Stellen gegen den Personalmangel in deutschen Kliniken

„Einmal Schoko, einmal Vanille“ – im Sekundentakt wurden am Mittwochmittag Eishörnchen an Pflegekräfte und Mediziner des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke (GKH) ausgegeben. Vor dem Foyer hatte sich ein Eiswagen der Kuhbar positioniert – direkt neben dem Infostand der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die die Aktion unter dem Motto „Eiszeit im Krankenhaus – wir brauchen Entlastung“ organisiert und die Mitarbeiter zu einer Pause mit kalter Speise eingeladen hatte.

„Alle Krankenhäuser leiden. Wir haben einfach zu wenig Personal“, fasste Ulla Matecki in zwei simplen Sätzen eine Misere zusammen, von der irgendwann jeder betroffen sein kann. Die Herdeckerin und Vize-Vorsitzende des Fachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen von Verdi Südwestfalen unterstützte mit etlichen Mitstreitern die Info-Aktion.

Nach Gewerkschafts-Angaben fehlen 162 000 Stellen in deutschen Krankenhäusern. In allen Berufsgruppen der Kliniken sei bundesweit mehr Personal nötig, um eine gute Versorgung der Patienten zu gewährleisten; allein in der Pflege fehlten 70 000 Stellen. „Seit Jahrzehnten kämpfen wir für eine gesetzliche Personalbemessung. Aber es wird nicht besser. Irgendwann kommt das mal auf uns alle zurück, wenn wir selber mal hier liegen“, so Mateckis Kollegin Ursula Neumann.

Betriebsrat sieht Sicherheitsproblem

Eine „Eiszeit“-Pause legte auch der Urologe Dr. Burkhard Koll, Mitglied des Betriebsrates der Ender Klinik, ein. „Wir müssen Druck erzeugen in der Öffentlichkeit. Die Menschen sollen sich dafür interessieren, solange sie noch gesund sind“, so sein Appell an alle Bürger. Seiner Ansicht nach erzeuge der Personalengpass in den Krankenhäusern bereits ein Sicherheitsproblem: „Wenn man massiv überfordert ist, macht man Fehler. Darunter leidet ein verantwortungsbewusster Mensch, und er wird krank.“ Das treffe auf Berufseinsteiger ebenso zu wie auf altgediente Mitarbeiter. Letztlich mache dieses relevante Sicherheitsproblem aber auch alles teurer für die Gemeinschaft, die diese Fehler gegenfinanzieren müsse. Während die Arbeitsdichte und -schwere in den Kliniken zugenommen hätten, sei die Personalsituation nicht angemessen angepasst worden.

„Freiwillige Mehrleistungen“

„Es ist auch Unfug, von Krankenhäusern schwarze Zahlen zu erwarten. Ja, Kliniken sollen wirtschaftlich arbeiten, aber sie müssen eine Grundversorgung abdecken. Man kann sie – ebenso wenig wie etwa die Feuerwehr – nicht unter rein ökonomischen Aspekten betrachten“, führt der Facharzt, der seit 1992 am Ender Gemeinschaftskrankenhaus arbeitet, weiter aus. Und er mahnt: „Jeder ist betroffen. Und die Betroffenen beklagen sich auch, aber keiner macht was. Die Bevölkerung muss wachsam sein.“

Die Forderungen der Gewerkschaft

Von der zukünftigen Bundesregierung fordert die Gewerkschaft Verdi gesetzliche Vorgaben zur Personalausstattung für alle Pflegebereiche im Krankenhaus.

Als Sofortprogramm sollen 20 000 neuen Vollzeitstellen für die Krankenhäuser entstehen.

Damit soll sichergestellt werden, dass in keiner Schicht mehr alleine gearbeitet wird und die Ausbildung von dringend benötigten Nachwuchskräften nicht mehr auf der Strecke bleibt, sprich Praxisanleiter für die Ausbildung freigestellt werden.

Für all das protestiert Verdi in der ersten Woche der Sommerferien in ausgewählten Krankenhäusern Nordrhein-Westfalens.

„Aktuell lebt das Gesundheitssystem davon, dass die Kolleginnen und Kollegen aus Verantwortung an ihren freien Tagen einspringen, Überstunden anhäufen und keine Pausen machen. Die Beschäftigten können nicht mehr mit ihrem Wissen und den fachlichen Standards entsprechend arbeiten und stellen die Versorgung nur noch durch freiwillige Mehrleistungen sicher“, so Dorothea Rensmann-Lauterbach, Gewerkschaftssekretärin für die Krankenhäuser im Verdi-Bezirk Südwestfalen. Aktuell würden Stationen und andere Arbeitsbereiche miteinander verabreden, dass sie das an bestimmten Tagen gemeinsam verweigern – in ausgewählten Betrieben in NRW und bundesweit, so Rensmann-Lauterbach.

Dann meldet sich auch Betriebsratsvorsitzende Pia Wolf – natürlich mit Eis in der Hand – zu Wort: „Die Bevölkerung wird immer älter und die Leute immer kranker. Deswegen muss sich dringend was am System ändern.“ Ihre Kritik richtet sich u.a. auch gegen die Gebäudefinanzierung bzw. die mangelnde Bauunterhaltung in NRW: „Das ist eine Katastrophe.“ Um gemeinschaftlich und öffentlich auf die Missstände aufmerksam zu machen, hatte Pia Wolf ihre Kollegen und Kolleginnen zu der „aktiven Mittagspause“ am Eiswagen eingeladen. Die Geschäftsführung ließ sich bei der „Eiszeit“ vor dem Haupteingang der Klinik zwar nicht blicken, aber Pia Wolf meinte schmunzelnd: „Herr Klodwig hat uns Strom für den Eiswagen gegeben. Er ist dankbar, denn er ist auch betroffen.“